Dass die Menschheit für die Veränderung des Klimas verantwortlich ist, bestreitet heute fast niemand mehr. Seit dem Beginn der Industrialisierung wurde vor allem durch die Verbrennung fossiler Stoffe wie Kohle, Erdöl oder Erdgas die CO2-Konzentration in der Atmosphäre und dadurch die Temperatur auf der Erde nach oben getrieben.
Sonne, Klima und Wetter
Abbildung 1 zeigt die Wirkung der Sonne, die die Erde mit ihrer kurzwelligen Strahlung mit einem Übermass an Energie versorgt.
Die Energie wird absorbiert, ein Grossteil in den Meeren, ein Teil wird als langwellige Strahlung in die Atmosphäre reflektiert. Die sogenannten Treibhausgase CO2, Methan oder Lachgas (N2O) in der Atmosphäre wiederum reflektieren diese Strahlung zurück zur Erde und erwärmen sie dadurch. Der Grad der Reflektion ist eine Funktion der Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre.
In den letzten Jahren ist der CO2-Gehalt in der Atmosphäre stetig angestiegen. Die untere Atmosphäre mit einer Dicke von 10–15 km enthielt im Jahr 2023 eine CO2-Konzentration von 417 ppm, um 1850 lag sie noch bei 280 ppm. So wurde das Jahr 2023 mit einer durchschnittlichen Temperatur von 10.6 Grad Celsius das wärmste Jahr in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Es könnte sogar weltweit das heisseste Jahr der vergangenen 125 000 Jahre sein, seit der Eem-Warmzeit. Die globalen Durchschnittstemperaturen lagen 2023 1.46 Grad Celsius über dem vorindustriellen Referenzzeitraum von 1850 bis 1900. Für 2024 wird mit noch höheren Temperaturen gerechnet. Der Februar 2024 war mit + 6.6 Grad Celsius bereits der wärmste in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Für den Oktober 2024 gilt das sogar weltweit. Das hat u.a. zu Folge, dass mittlerweile auch in Schweden Weinbau möglich ist (Einstiegsbild).
Klima vs. Wetter
Unterschieden werden muss zwischen Klima und Wetter. Das Wetter beschreibt den Zustand der Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt, an einem bestimmten Ort, in Form von Sonnenschein, Regen, Wind, Wärme, Kälte, Bewölkung. Es verändert sich ständig und kann an Orten, die nahe beieinanderliegen völlig unterschiedlich sein. Unter Klima dagegen wird eine statistische Beschreibung des Wetters über einen langen Zeitraum von mindestens 30 Jahre verstanden. Verglichen werden aktuelle Daten, z. B. kurzfristige Mittelwerte eines Jahres, mit dem Mittelwert eines Bezugszeitraums. Derzeit gilt der Zeitraum von 1991 bis 2020.
Eine Klimaveränderung lässt sich nicht anhand einzelner Wetterbeobachtungen erkennen, sondern nur an langfristigen Wirkungen. Viele davon beeinflussen auch den Weinbau. Beispiele dafür sind:
- Nordwanderung des Pflanzenanbaus inklusive des Weinbaus
- Höhenwanderung von Pflanzen (z. B. Baumgrenze)
- Einwanderung wärmeliebender Tiere und Pflanzen inklusive Schädlinge
- Mehr Extremwetterereignisse (Temperaturmaxima, Starkregen, Dürreperioden …)
- Erwärmung der Meere
- Niederschlagsverteilung: Trockene Regionen werden trockener, andere feuchter
- Vegetationsbeginn und Erntetermin immer früher im Jahr
In der Weinwirtschaft wird gerne der Huglin-Index als Mass für die Weinbaueignung verwendet. Der Index drückt in einem Summenwert die Anzahl der Sonnenstunden innerhalb der Wachstumsperiode von Trauben aus. Unter dem Wert 1500 wird die Region als ungeeignet für Weinbau angesehen. Der Index steigt seit 50 Jahren weltweit deutlich an. Lagen Deutschland (und auch die Schweiz in gewissen Regionen) z. B. um 1950 bei 1500 Einheiten, stieg der Wert bis 2020 auf 1700 und wird bis 2050 gemäss Berechnung auf 1900 ansteigen. Dann werden auch besonders wärmeliebende Rebsorten wie Tempranillo in Deutschland regelmässig reif werden.
Einfluss höherer Temperaturen
Die Ernteerträge sind eine Funktion des Klimas, das seit Jahrtausenden dadurch Geschichte schreibt. Für zahlreiche untergegangenen Kulturen von der Antike bis in die frühe Neuzeit waren ein ungünstiges Klima, teilweise auch nur mehrere aufeinanderfolgende Wetterereignisse, ein Katalysator, der den Niedergang beschleunigt hat. Selbst für die grosse Völkerwanderung zwischen 300 und 500 n. Chr. wird ein ungünstiges Klima mitverantwortlich gemacht, das die Ernährung einer stark gewachsenen Bevölkerung vor grosse Probleme stellte.
«Grüne» Pflanzen wie die Trauben sind dank ihres Chlorophylls in der Lage, die kurzwellige Wärmestrahlung der Sonne zur Erzeugung von Biomasse zu nutzen. Aus Wasser und CO2 erzeugen sie über verschlungene biochemische Pfade zunächst Kohlenhydrate und Sauerstoff. Die Kohlenhydrate werden weiter umgewandelt in Biomasse für das Wachstum der Pflanze, der Sauerstoff wird freigesetzt und dient als Luftsauerstoff Mensch und Tier zur Atmung (Abb. 2).
Die Pflanzen ihrerseits, aber auch Algen, nicht dagegen Pilze, die keine Photosynthese betreiben, dienen Mensch und Tier als Nahrung. Ohne Photosynthese gäbe es kein Leben auf der Erde, wie wir es kennen. Dabei von einer «Erdformel» zu sprechen, ist sicher nicht anmassend.
Ein wichtiger Prozessparameter bei der Photosynthese ist die Temperatur. Bei niedrigen Temperaturen läuft sie verzögert ab, Pflanzen wachsen langsamer, Früchte werden u. U. nicht reif. Aber auch hohe Temperaturen bringen Nachteile mit sich. So stellen Trauben oberhalb 40 Grad Celsius die Photosynthese und den sonstigen Stoffwechsel allmählich ein. Hinzu kommt, dass extreme Temperaturen während der Blüte zu einer Sterilität der Pflanze führen können. Knallt die Sonne im Hochsommer zu intensiv auf die Beeren, entsteht Sonnenbrand. Geschädigte Beeren müssen aussortiert werden. Laubbeschattung ist hilfreich, führt aber dann zu höherer Zuckereinlagerung.
Neben der Temperatur ist ein weiterer entscheidender Parameter der Photosynthese die CO2-Konzentration in der Luft. Steigt sie von derzeit etwa 420 ppm auf bei 2 Grad Erwärmung prognostizierte 550 ppm, führt das einerseits zu etwa 15 Prozent mehr Biomasse mit erhöhten Werten für Stärke oder Zucker. Andererseits sinkt der Eiweissgehalt, ebenso der Gehalt an Mineralien. Der biologische Wert der Pflanzen wird dadurch geringer. Bei Trauben gibt es, genau wie bei vielen anderen wichtigen Lebensmitteln weltweit nur einen schmalen geografischen Gürtel, wo die nötigen klimatischen Bedingungen für den Anbau gegeben sind. Der «Traubengürtel» liegt grob betrachtet zwischen 30 und 40 Grad nördlicher und südlicher Breite und liefert die für Trauben erwünschte bzw. notwendige Temperaturen und Tageslichtstunden.
Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau
Abbildung 3 fasst die Konsequenzen eines Klimawandels mit höheren Temperaturen, früheren Terminen bei Blüte und Reife und verkürzten Reifezeiten zusammen.
Viel Gewohntes kommt durcheinander und macht Anpassungsstrategien notwendig. Übliche Lesefolgen können sich im Extremfall umkehren, die Aromatik als Funktion von Tages- und Nachttemperatur verändert sich, die «Zuckerreife» rennt der physiologischen Reife voraus. In Verbindung mit Trockenstress steigt das Risiko für den untypischen Alterungston (UTA) oder einen bei jungen Weinen störenden Petrolton. Der Weinbau reagiert mit der Anpflanzung geeigneter Sorten, die sich bisher im Süden gut bewährt haben. So verbreiten sich Cabernet Sauvignon, Syrah oder Merlot als Klimagewinner verstärkt in nördlichen Anbaugebieten. Gleiches wird in der nächsten Zeit für weitere Rebsorten gelten, die Trockenheit und Hitze vertragen können. Dazu werden Tempranillo, Primitivo oder die portugiesische Leitsorte Touriga Nacional zählen (s. Artikel S. 12).
Letztere wurde in Bordeaux bereits zuglassen. Die weinbauliche Forschung versucht zudem, Klone zu züchten, die eine verbesserte Anpassung an trocken-heisse Bedingungen mitbringen. Tröpfchenbewässerung als Stand der Technik in den «heissen» Weinbauzonen wird verstärkt auch im «Cool Climate»-Bereich notwendig. Steillagen können langfristig terrassiert werden. Beides ist mit hohen Kosten verbunden und nur in Regionen mit einem hohen Preisniveau für Wein wirtschaftlich tragbar.
Bei Wassermangel sinkt zudem die Beerengrösse, das Verhältnis Haut zu Inhalt verschiebt sich, die Ausbeute sinkt. Ein weiteres Problem der letzten Weinjahre war der erhöhte Aufwand für den Pflanzenschutz. Regen gegen Ende der Reifephase in Verbindung mit höheren Nachttemperaturen schufen paradiesische Voraussetzungen für Schadorganismen aller Art (Peronospora, Oidium ganz besonders). Biologisch wirtschaftende Betriebe mit ihrer begrenzten Möglichkeit, Pflanzenschutz zu betreiben, kamen vielfach in grosse Probleme.
Höhere Temperaturen begünstigen nicht zuletzt die Verbreitung von Organismen, die bisher eher in südlichen Breiten vorkamen. Der Weinbau wird mit mehreren Insekten bzw. Mikroorganismen konfrontiert, die in der Regel neue Probleme bereiten. Dazu gehören die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii), die Bläulingszikade, die Marmorierte Baumwanze aus Asien, das Feuerbakterium (Xylella fastidiosa), die Blattrollkrankheit (Grapevine leafroll associated virus, GLRaV) und nicht zuletzt ESCA durch holzzersetzende Pilze. Die nur etwa sechs Millimeter grosse Kirschessigfliege sägt die Schale insbesondere der roten Beeren an, um darin ihre Eier abzulegen. Die Folge ist eine rasche Fäulnis.
Auswirkungen des Klimawandels auf die Kellerwirtschaft
Ein verändertes Klima hat auch grosse Konsequenzen für die Kellerwirtschaft, wie Abbildung 4 zusammenfasst.
Die Anzahl der Lesetage, im Schnitt 2-4 Wochen früher als noch vor 40 Jahren, war in den letzten Jahren verringert, entsprechend der Arbeitsdruck höher. Wer über die technische Schlagkraft verfügt, konnte damit fertig werden. Problematischer war die höhere Traubentemperatur, die mit zwei Ansätzen beherrscht werden kann: schnelle Verarbeitung ohne längere Standzeit und/oder Kühlung von Maische und/oder Most. Eine Kaltmazeration ist dann besonders effektiv. Das klassische kellerwirtschaftliche Standardwerkzeug – Schwefeln, rasches An- und Durchgären, Tanks spundvoll halten usw. – muss bei schwierigen Rahmenbedingungen besonders konsequent angewendet werden.
Höhere Temperaturen sind häufig mit überhohen Zuckerwerten in der Traube verbunden. Speziell bei Weissweinen werden zunehmend Weine mit niedrigeren Alkoholgehalten nachgefragt. Das Kundenbedürfnis zu befriedigen, macht ein Alkoholmanagement erforderlich zur gezielten Reduzierung. Zur Verfügung stehen, unabhängig von weinbaulichen Massnahmen, z. B. Hefen mit geringerer Alkoholausbeute, die Reduzierung von Zucker im Most oder die von Alkohol im Wein. Lässt man die Gärung bei höherer Temperatur schnell ablaufen, senkt das die Alkoholausbeute, weil Alkohol mit dem CO2 ausgewaschen wird. Mit dem Alkohol entweichen allerdings auch ein Teil der flüchtigen Aromastoffe.
Höhere Temperaturen reduzieren in der Regel auch die Säurewerte und heben den pH-Wert an. Mit höherem pH-Wert steigen mikrobiologische Risiken vor allem durch das Wachstum von Bakterien und wilden Hefen. Zudem sinkt die antimikrobielle Wirkung der schwefligen Säure. Ab einem pH-Wert von 3.5 können sich heterofermentative Milchsäurebakterien entwickeln, die in der Regel mit der Bildung von flüchtiger Säure und nicht selten biogenen Aminen einhergehen. Der Ausbau muss deshalb auf der Erhaltung der Säure Wert legen und soweit zulässig mit Säurezugabe arbeiten. Wer in der Lage ist, einen Teil der Trauben sehr früh, evtl. bereits als Verjus zu ernten, kann sich damit eine Säurereserve schaffen und durch dessen Zugabe gleichzeitig die Alkoholausbeute senken.
Der pH-Wert beeinflusst auch die Wirkung der schwefligen Säure, die spätestens nach dem Abstich zur biologischen Stabilisierung zugegeben wird. Gegen Mikroorganismen wirksam ist allein die freie schweflige Säure und davon ausschliesslich der undissoziierte Teil. Nur ungeladene Moleküle können in die Mikroorganismen eindringen und ihren Stoffwechsel unterbinden. Zur Hemmung von Saccharomyces cerevisiae, der Weinhefe, sind 4 mg/L undissoziierte SO₂ nötig. Bei einem pH-Wert 3.2 sind nur 4 Prozent der vorhandenen freien schwefligen Säure wirksam undissoziiert, ab pH 4.0 ist praktisch keine mikrobiologische Wirkung mehr gegeben. Dann ist nahezu die gesamt freie schweflige Säure dissoziiert und damit unwirksam. Bei pH 3.0 müssen 14 mg/L, bei pH 3.2 bereits 100mg/L freie SO₂ vorliegen, um die Gärung unterbinden zu können.