Baumtrotten, Torkel, Trüel und Triel
Sie sind Kulturerben und Jahrhundertzeugen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein und haben den Weinbau mitgeprägt: die Baumtrotten. Dieser Artikel ist ein Extrakt aus Klaus Schillings Buch «Baumtrotten», das letztes Jahr erschienen ist.
Zu den ältesten Darstellungen einer Kelter zählen biblische Darstellungen aus dem 12. bis 19. Jahrhundert. Die Altarbilder zeigen Christus beim Stampfen der Trauben. Wein fliesst aus der Kelter.
In der Schweiz können Teile von vorhandenen Baumpressen auf das Jahr 1394 zurückdatiert werden. In Chur beim Katz-Torkel sind mit der dendrochronologischen Untersuchung Balken aus diesen Zeiten nachgewiesen worden. Die älteste noch vollständig funktionstüchtige Baumpresse steht im Schlossgut Bachtobel in Weinfelden. Die Technik des Pressens von Trauben und Obst wurde bis zur Weltausstellung 1874 so angewendet. An dieser Weltausstellung wurde erstmals eine Korbpresse gezeigt. Diese Technik kam aus der Steiermark, wurde aber von einer amerikanischen Fabrik präsentiert.
Allein schon der Korb zeigte den Winzern und Mostereien, dass das mühsame Aufscheitern des Tresters und das darauffolgende Abschroten für den nächsten Druck vereinfacht werden konnte. Oft wurden die mächtigen Baumtrotten zersägt und umgebaut. Die Spindel drückte nicht mehr mit dem Gewicht des Baumstamms und des Gegengewichts auf den Trester. Vielmehr wurde die Kraft direkt aufgebaut. Beim Drehen der Spindel fehlte nun der Platz. Mechanische, hydraulisch angetriebene Zylinder übernahmen die Druckarbeit im Korb. Erst 1959 entstanden die ersten liegenden Körbe, die zum Auflockern des Tresters gedreht werden konnten (Abb. 1). Die Computertechnik zur Steuerung einer sanften Pressarbeit entstand in den 1980er-Jahren. Statt den zwei bis drei Druckvorgängen einer Baumpresse erlaubten die modernen Pressen 20 und mehr Pressvorgänge im extremen Niederdruckbereich.
Abb. 1: Hydraulische Korbpresse im Weinbaumuseum Tegerfelden. (© K. Schilling)
Regionalität der alten Baumpressen
Baumpressen und das Gebäude des Standorts heissen in Graubünden, St. Gallen, im Fürstentum Liechtenstein und in Teilen des Kantons Thurgau Torkel. In den anderen Deutschschweizer Kantonen wird von Trotten gesprochen. Im Kanton Bern heissen die Pressen und das Gebäude Trüel. Im Oberwallis sind es wiederum Triels oder Driels. Die regionalen Unterschiede zeigen sich auch in der Technik des Baustils oder der Technik des Pressens. Oft haben Trottenbauer ganze Regionen geprägt. Entweder wurde der Trottbaum als Hebelarm mit fixierten Achsen eingesetzt oder der Pressvorgang wurde mit dem Absenken des gesamten Baumgewichts auf den Trester aufgebaut. Diese Gewichte wurden oft erhöht mit aufgebauten Baumstämmen über dem Trottbaum oder unten angehängt: «unterlägrig» oder «oberlägrig». Zusätzlich wurden massive Steingewichte zugefügt, die den Druck enorm erhöhten. Diese Gewichtsteine wurden im Boden versenkt oder schwebten über dem Boden.
Landläufig sprechen die Winzer und Mostereien vom schweren und starken Eichenholz bei den Baumpressen. Dies ist aber geprägt von den jeweiligen Rechten an Holz des örtlichen Waldes. Während im Torkulum in Chur die Kiefer verbaut wurde, konnte das Schloss Salenegg auf Kastanie zurückgreifen. Im St. Galler Rheintal wurden die Eichenwälder oft für die Schweinezucht genutzt. Also holte man das geeignete Stammholz in diesen Wäldern. Beim Nachbau der Trotte in Windisch verbaute man aus Kostengründen Esche (Abb. 2). Geeignet sind wohl alle Hölzer, wenn sie den Druckverhältnissen standhalten und nur wenig tiefe Trockenrisse aufweisen.
Abb. 2: Die Trotte in Windisch. (© K. Schilling)
Spindel
Grosse Farbnuancen der verwendeten Hölzer, aber auch professionelle Bohrnachweise zeigen deutlich, dass die Baumpressen über die Jahre oft zu Bruch gingen und repariert werden mussten. Abgebaute Baumpressen wurden zu Ersatzteillagern. Das sensibelste Teil ist die Spindel. Hier wird die Kraft aufgebaut und jede Unvorsichtigkeit schnell mit Bruch bestraft. Die Herstellung einer Spindel gilt noch immer als Königsdisziplin der Kon-struktion, auch wenn heute computertechnisch einiges möglich wird.
«Stehimweg» oder kulturhistorischer Zeuge
Heute stehen diese jahrhundertalten Zeugen einer örtlichen Dorfkultur in Museen oder als Blickfang bei Winzern in Eventlokalen. Einzelne Exemplare sind renoviert worden und dienen Hochzeitsgesellschaften als fotografischen Hintergrund. Einige Exemplare sind auf Reisen, da der jetzige Standort ungeeignet ist oder historisch hinterfragt wird. Leider landen manche Torkel als Zierde auf Strassenkreiseln oder als touristischer Blickfang bei Autobahnraststätten – ein stiller Zerfall von wertvollen Kulturdenkmälern. Tröstlich ist die Tatsache, dass in Berneck, Weinfelden, Visperterminen, im Ballenberg und unregelmässig auch in Au/Wädenswil und Löhningen die hölzernen Riesen wieder gebraucht werden, in Aktion für einen speziellen Tropfen oder zu einem besonderen Anlass. Beruhigend auch, dass viele dieser Denkmäler schnell wieder ihre Arbeit aufnehmen könnten – ohne Unterstützung von Elektrizität.
Das Buch «Baumtrotten» soll Einblicke verschaffen in versteckte Trouvaillen, die an vielen Orten noch bereitstehen. Und vielleicht hilft es den Eigentümern, den Wert zu erahnen, um diese Denkmäler in künftige Jahrhunderte retten zu wollen.
Der Autor ist 1987 erstmals mit einer Trotte in Kontakt gekommen. Bei der Eröffnung des Spiezer Heimat- und Rebbaumuseums half er dem Fassküfer aus Ligerz beim Zusammenbau einer angeblich aus dem zürcherischen Stammheim gekauften Trotte. Das Interesse an der ursprünglichen Art des Pressens von Früchten wurde 2018 an einer Jubiläumsveranstaltung im Weinbaumuseum auf der Halbinsel Au geweckt. Auf der historischen Baumpresse wurden Trauben aus dem örtlichen Sortengarten gepresst. Dabei entstand der Wunsch, andere Trotten aufzustöbern und in einer Broschüre zu beschreiben. Erst waren es zehn, dann zwanzig Trotten. Mit der Zeit und dem Ausbau der Beziehungen zu Freunden alter Baumpressen hat der Autor über 80 Exemplare dieser alten Rebkultur gefunden, fotografiert und beschrieben. Alle diese Kulturdenkmäler erzählen eigene Geschichten. Technische Unterschiede und regionale Eigenheiten, aber auch die Vielfalt der benutzten Hölzer haben den Autor überrascht. Und mitten in der Deutschschweiz werden immer noch historische Pressvorgänge zelebriert. Es ist im Zeitalter der schnelllebenden Handykultur eine wahre Freude, dieses Lied der knarrenden Balken zu hören.
Angaben zum Buch «Baumtrotten»
Autor: Klaus Schilling.
Erschienen 2023 im AS-Verlag (www.as-verlag.ch), 220 S., zahlreiche farbige Fotografien, kartoniert, Paperback, ISBN 978-3-03913-032-0, Fr. 54.–.