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Wädenswiler Weintage 2024

Am 11. und 12. Januar fanden die Wädenswiler Weintage statt. Der Fokus der diesjährigen Austragung lag auf den pilzwiderstandsfähigen Rebsorten (Piwi) und deren Vinifikation. Unverkennbar: Es gibt viele Fortschritte und Optionen.

Artikel von:
Michael Gölles
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 02 / 2024 , S. 6

In vielen Ländern Europas steigt das Interesse an pilzwiderstandsfähigen Traubensorten (Piwis), die mit deutlich weniger Pflanzenschutz auskommen können. Der Anteil nimmt auch in der Schweiz zu, obwohl er noch im einstelligen Prozentbereich liegt. Wie Peter Schumacher (ZHAW) und Diederik Michel (Alumni Netzwerk Wädenswil), die beiden Moderatoren der Tagung, während der Begrüssung festhielten, schickt sich die Schweiz an, in Sachen Piwi zum europäischen Leader zu mutieren. In vielen, teilweise sehr unterschiedlich gelagerten Vorträgen wurde das Thema aus rebbaulicher, önologischer und marketingspezifischer Sicht angepackt. Die Fachleute waren sich weitgehend einig, dass die Fülle an neu gezüchteten Sorten auch ein gewisses Gefahrenpotenzial mit sich bringt. Wenn selbst Winzerinnen und Winzer überfordert sind, wie soll sich da der Konsument, die Konsumentin zurechtfinden? Im Folgenden werden einige Highlights der diesjährigen Wädenswiler Weintage streifzugartig beleuchtet.

Neue Sorten vom Weinbauinstitut Freiburg (D)

Im Einstiegsreferat berichtete Fabio Fehrenbach (Versuchskellerei, Weinbauinstitut Freiburg WBI) über die Entwicklungen im Anbau von Piwi-Sorten in Deutschland und über die Neuzüchtungen des WBI. Er hielt fest, dass die Piwi-Anbaufläche nicht nur in Deutschland zunimmt, sondern auch in Frankreich und anderen Ländern Europas. Vor allem die Sorte Souvignier gris verzeichne eine starke Zunahme. Auch in den Rebschulen steigen die Vermehrungszahlen, was darauf schliessen lässt, dass die Piwi-Flächen in Zukunft weiter steigen werden. Derweil steht am WBI bereits die nächste Generation an Piwi-Sorten in den Startlöchern. Wobei neben einer guten Widerstandskraft auch eine hohe Fruchtqualität und stabile Erträge wichtige Faktoren bei der Selektion sind. In den nächsten Jahren werden also einige spannende Neuzüchtungen aus Freiburg zu erwarten sein.

Züchtungen in der Schweiz

Die gleichen Ziele verfolgt auch die Sortenzüchtung von Agroscope, wie Jean-Laurent Spring (Agroscope) in seinem Vortrag betonte. Im neuen Kreuzungsprogramm «ResDur3», das in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut INRAE (Frankreich) durchgeführt wird, wurden Mehrfachresistenzen gegen Falschen und Echten Mehltau mit Resistenz gegen Schwarzfäule kombiniert. Im Moment laufen die Zulassungsversuche, mit der Markteinführung der ersten neuen Sorten ist ab 2025/26 zu rechnen. Und die nächsten Zuchtprogramme wurden – in Zusammenarbeit mit den Kantonen Waadt und Wallis – bereits gestartet.

Neue Sorten verlangen neue Vinifikationen

Neben den neuesten Informationen zu Züchtung und Anbau wurde auch der Weinbereitung ein Schwerpunkt gewidmet. Hier steht man bei den neuen Sorten vielfach noch am Anfang und es stellen sich entsprechend viele Fragen. Gross war daher das Interesse der Teilnehmenden an den Vorträgen zu Verarbeitung und Vermarktung der neuen Sorten.

Auch in diesem Bereich forscht das WBI und erarbeitet Empfehlungen für die Praxis. So wurden umfangreiche Versuche bei Souvignier gris gemacht, um herauszufinden, wie man verschiedene Weinstilistiken herausarbeiten kann. Dabei zeigte sich, dass die bei traditionellen Sorten üblichen Methoden nicht immer zu den neuen Sorten passen. Vielfach müssen andere Wege beschritten werden, um zum optimalen Ergebnis zu kommen.

Um einen ähnlich gelagerten Ansatz geht es auch im Projekt «Best of Souvignier gris», das von Peter Schumacher (ZHAW) vorgestellt wurde. Über bereits vorhandene Weine werden Erfahrungen zur Weinbereitung mit dieser Sorte gesammelt und die Weine analytisch und sensorisch beurteilt. Im Rahmen der Veranstaltung wurden dann die nominierten Weine der teilnehmenden Projektbetriebe von einer ausgewählten Fachjury und rund 150 Tagungsteilnehmenden degustiert. Es zeigte sich, dass das Potenzial des Ausbaus beim Souvignier gris sehr breit ist und kreative Interpretationen ermöglicht.

Ulrich Fischer (Weincampus Neustadt, D) berichtete in seinem Vortrag über die önologischen Erfahrungen mit Piwis im Rahmen des Projektes «Vitifit». In einem iterativen Prozess flossen hier die Konsumentenrückmeldungen jeweils wieder in die Versuchsdurchführung ein, was dazu führte, dass die Akzeptanz und Qualität der Weine von Jahr zu Jahr gesteigert werden konnten. Es liess sich auch feststellen, dass mit angepassten Weinbereitungsmethoden viele Piwi-Weine gleich gut oder sogar besser als Weine aus traditionellen Sorten bewertet wurden.

Marie Blackford (Agroscope) machte vergleichbare Erfahrungen mit der Sorte Divico. Versuche mit verschiedenen Erntezeitpunkten haben gezeigt, dass ein späterer Erntetermin die Tanninqualität und Phenolreife deutlich zu steigern vermochten, was zu einem angenehmeren Trinkgefühl führte. Angesichts der Tatsache, dass diese Sorte in der Schweiz gut verbreitet ist, dürften mit jedem neuen Jahrgang noch bessere Weine auf den Markt kommen.

Konsumentenwahrnehmung

Gergely Szolnoki (Hochschule Geisenheim, D) stellte in seinem Beitrag eine Studie zur Akzeptanz von Piwi-Weinen vor. In dieser konnte festgestellt werden, dass sich eine Konditionierung der Testpersonen – d. h. den Testpersonen werden spezifische Informationen zu den neuen Sorten gegeben – positiv auf die Kaufbereitschaft und die sensorische Bewertung auswirkt. Allerdings ist es dabei wichtig, für jede Verbrauchergruppe die richtigen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Thomas Brunner (HAFL) und Thomas Schnetzer (Consultant) gingen in ihren Beiträgen auf die Verbrauchersegmente der Weinkunden in der Schweiz ein. Sie betonten, wie wichtig es ist, die eigenen Kundengruppen zu kennen und authentisch und emotional zu kommunizieren. Das ist im Direktverkauf verständlicherweise viel einfacher möglich als im unpersönlichen Verkauf im Grossverteiler (mehr zu ihrer Studie: O+W 12/2023, «Neue Studie über den Schweizer Weinkonsum»).

Im Rahmen einer Umfrage von ZHAW-Studierenden wurde die Bekanntheit und Verbreitung von Piwi-Weinen in ausgewählten Zürcher Gastronomiebetrieben untersucht. Es wurde festgestellt, dass von den 24 Zielbetrieben nur fünf Piwi-Weine auf der Karte haben. Gefragt, was es bräuchte, um Piwi-Weine für die Gastronomie beliebter zu machen, kamen folgende Vorschläge: Es sollten kräftige Rotweine produziert und der Bekanntheitsgrad der Sorten und Weine müsste gesteigert werden.

Passend dazu berichteten Philipp Rottmann und Martin Schmid (Piwi-Kollektiv) von ihren Massnahmen in der Entwicklung eines Konzepts, um Piwi-Sorten im Anbau und im Verkauf besser zu etablieren. Sie konzentrieren sich dabei auf eine rasche Umstellung der Rebflächen durch Standortveredelung (Umveredelung) und die Produktion von Schaumwein. Wichtige Meilensteine im Konzept sind eine faire Entlöhnung der Traubenlieferanten und der Aufbau eines Recyclingsystems für Flaschen im Gastrobereich.

Abgeschlossen wurde der Themenblock von Thomas Vaterlaus (Chefredaktor Vinum Schweiz). Er stellte in Bezug auf Piwis fest, dass die Deutschschweiz im Anbau eine führende Rolle übernommen hat. Und obwohl schon einige Piwi-Weine bei Prämierungen ausgezeichnet wurden, würden noch richtige Aushängeschilder fehlen. Seiner Einschätzung nach seien auch zu viele Sorten auf dem Markt und er stellte die Frage, ob eine Vermarktung der neuen Sorten unter der Sortenbezeichnung Piwi überhaupt zielführend sei. Passend dazu zeigte er anhand zweier Beispielbetriebe aus Süddeutschland, wie es auch ohne Sortenangabe gehen könnte.

Was bleibt als Fazit?

Auch dieses Jahr wurden an den Wädenswiler Weintagen eine Vielzahl von spannenden Vorträgen präsentiert. Den Organisatoren Peter Schumacher und Diederik Michel und allen Referierenden sei dafür herzlich gedankt. Doch auch wenn viele wichtige Informationen übermittelt wurden, blieben für die Teilnehmenden noch Fragen offen. Nicht zuletzt jene, ob sie sich mit den neuen Sorten überhaupt beschäftigen sollten und wenn ja, welche Sorte denn nun in Zukunft die richtige ist. Gerade im Rotweinbereich fehlt noch der Durchbruch, um auch da bei den Weinkonsumierenden eine umfangreiche Charmeoffensive starten zu können. Hier müssen Forschung und Besratung noch stärker unterstützend tätig sein. Welcher Weg zu gehen sei, muss aber schliesslich jede Winzerin und jeder Winzer selbst entscheiden.

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