© Johannes Burkert

Die Mosttrübung und ihr Einfluss auf die Gärung

Dass die Trübung des Mostes einen Einfluss auf die Gärung und das spätere Aroma der Weine hat, ist seit vielen Jahrzehnten bekannt. Doch die technischen Gegebenheiten bei der Traubenverarbeitung haben sich stetig verbessert. Dadurch ändern sich die Voraussetzungen bei der Mostvorklärung, wodurch die Trübung der Moste neu bewertet werden muss.

Artikel von:
Felix Baumann und Johannes Burkert
Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG), Veitshöchheim (D)
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 02 / 2025 , S. 18

Die generelle Praxisempfehlung zur Erzeugung fruchtgeprägter Weine setzt eine strikte Klärung des Mostes sowie eine kühlere und kontrollierte Gärung voraus. So sollen negative Extraktionen aus den Trubstoffen verhindert und die Bildung von Fruchtestern gefördert werden. Die heutige Traubenproduktion und -verarbeitung sowie auch die Pressungen sind mittlerweile auf eine schonende Verarbeitung angepasst. Dies hat zur Folge, dass der Trubanteil im Most weitgehend reduziert ist. Somit ist bei einer schonenden Traubenverarbeitung auch ein niedrigerer und bei sauberem Lesegut auch ein sauberer Trubanteil zu erwarten. Durch dessen kristalline Struktur unterstützt er die Ausgasung der Kohlensäure während der Gärung und sorgt somit für eine Entgiftung. Auch können dieselben Trubpartikel als Transportmittel für die Hefezelle dienen. Diese kann somit schneller und agiler Zucker und Nährstoffe verstoffwechseln. Rasche, starke Gärungen mit erhöhter Gärtemperatur und sicherer Endvergärung sind die Folge. So liesse sich eine geplante Spontangärung durch höheren Trubanteil und daraus resultierend vermehrte mikrobielle Aktivität, bessere Endvergärung und bessere Hefemobilität optimieren und sicherer gestalten.

Trubversuche

Versuche zu diesem Thema wurden an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau mehrere Jahre durchgeführt. Versuche mit unterschiedlichen Anteilen an Trub im zu vergärenden Most wurden 2019 mit Silvaner und 2020 sowie 2021 mit Weissburgunder durchgeführt. Die exakten Trübungsgrade, festgestellt mittels dem Trübungsmessgerät «Turbidimeter» (Abb. 1), betrugen im 2019er Tastversuch 0, 50, 100 und 200 NTU (Abb.  2a–d). Aufgrund der ersten Versuchsergebnisse wurden die nachfolgenden Versuche mit grösseren Trübungsdifferenzen durchgeführt. Hierbei wurde der Most mit 0, 300 und 700 NTU vergoren. Jede Variante wurde mit zwei Nährstoffgaben während der Gärung behandelt und bei 17 °C vergoren. Hierbei ist festzustellen, dass der Gehalt an hefeverfügbarem Stickstoff nicht vom Trübungsgrad abhängig ist. Jeder einzelne Trübungsgrad weist beinahe identisch viel NOPA (ca. 160 mg/L) beziehungsweise Ammonium (ca. 100 mg/L) auf.

Abb. 1: Trübungsmessgerät «Turbidimeter». 
(© J. Burkert)

 

Abb. 2a–d: Tastversuch 2019 mit den Trübungsgraden 0 (a), 50 (b), 100 (c) und 200 (d) NTU. (© J. Burkert)

 

Betrachtet man in Bezug darauf die unterschiedlichen Gärverläufe (Abb. 3) der in 2021 durchgeführten Varianten, ist deutlich ein Zusammenhang zwischen hohen Trübungsgraden und schneller Durchgärung zu verzeichnen, unabhängig davon, ob mit Reinzuchthefe oder spontan vergoren wurde.

Letztere unterscheiden sich von Ersteren in einer um sechs Tage verzögerten Angärung. Die stark vorgeklärte Variante schaffte es bis auf 10 g/L Zucker zu vergären, wohingegen die stark vorgeklärte spontanvergorene Variante nach 35 Tagen Gärung immer noch über 40 g/L Restzucker aufweist. Die Gärung wurde nach 43 Tagen abgebrochen, um sensorische Einflüsse von Oxidation und mögliche mikrobiologische Fehlentwicklungen zu verhindern. Alle trüben Moste verzeichneten eine schnellere Gärung sowie eine vollständigere Endvergärung. Diese verbesserte Gärkinetik lässt sich mit einem Blick auf die vorhandene Anzahl der Hefezellen während der Gärung erklären. Obwohl alle Moste mit der gleichen Menge an Hefe beimpft wurden, stieg die Anzahl der lebendigen Hefezellen in den gärenden Mosten mit höheren Trübungsgraden fast bis auf das Doppelte der stark vorgeklärten Moste an. Auch bei den spontanvergorenen Mosten ist dies zu beobachten. Somit ist zwar ein erhöhter Nährstoffbedarf in diesen Gärungen zu erwarten, allerdings aber auch ein wesentlich besserer Endvergärungsgrad und weniger Gärstockungen. Alle trüben Moste wiesen während der Gärung eine Zellzahl von über 50 Mio. Lebendhefezellen auf, was der in der Literatur angegebenen Menge an Hefezellen für eine sichere Gärung entspricht. Alle stark vorgeklärten Varianten kratzen gerade an dieser Zahl und wiesen daher eine schlechte Durchgärung sowie einen hohen Restzuckergehalt am Ende der Gärung auf. Diese beobachteten Unterschiede sind über alle drei Versuchsjahre hinweg deutlich zu erkennen gewesen.

Kriterium Gärdauer

Nach der Untersuchung der Gärungsnebenprodukte stellt sich klar heraus, dass Acetaldehyd und Gesamtextrakt nicht mit steigendem Trübungsgrad in Verbindung stehen, sondern mit der Gärdauer. Den höchsten Gehalt an Acetaldehyd weisen die stark vorgeklärten Varianten auf. Jedoch kann sich dieser Effekt auch umkehren, falls man Reinzuchthefen mit hoher SO2 verwendet. Dies liegt an der erhöhten Produktion von SO2 während der Vergärung von trüberen Mosten durch höhere Zellzahlen: Die schweflige Säure wird bereits in der Gärung durch das gebildete Acetaldehyd abgebunden und somit kann dieses nicht weiter zu Ethanol verstoffwechselt werden.

In den sensorischen Auswertungen wurden die niedrigeren Trübungsgrade mit fruchtig, Zitrus und Aprikose assoziiert. Auch die trüben, mit Reinzuchthefe vergorenen Moste weisen diese Aromen auf, haben aber auch noch gemeinsame Korrelationen mit Spontangärungen, wie beispielsweise sauer, würzig und Birne. Generell ist hier zu zeigen, dass der Rebsorten- sowie der Jahrgangseinfluss deutlicher wahrnehmbar ist als der Einfluss des Trübungsgrades (Abb. 4).

 

Aromaprofil

Des Weiteren konnten die sehr trüben Moste allgemein von den anderen Varianten differenziert werden. Im Jahrgang 2021 konnten deutliche Unterschiede im Aromaprofil der Trübungsvarianten festgestellt werden, jedoch ist zu bemerken, dass im Gefallen der Prüfer keine der einzelnen Varianten hervorsticht. Die sensorische Akzeptanz der Verkoster lag zwiegespalten entweder beim niedrigen Extrem der starken Vorklärung oder beim hohen Extrem der starken Trübung. Auch konnte festgehalten werden, dass die Trübungsgrade keinen Einfluss auf die Reintönigkeit des Weines haben, da alle Varianten in diesem Punkt gleich beurteilt wurden.

Fazit

Um gezielt Spontangärungen zu optimieren, lässt sich also empfehlen, diese mit einem gewissen Trubanteil zu vergären, da dies die Endvergärung sichert. Ausserdem konnte gezeigt werden, dass sich auch die Nebenprodukte durch effektiveres Gären reduzieren. Allerdings sind die unterschiedlichen Trübungsgrade mit dem blossen Auge schwer zu erkennen und somit in der Praxis auch nicht genau einzustellen. Die sensorischen Unterschiede der mit verschiedenen Trübungsgraden vergorenen Weine sind nachweisbar. Sauberer Ausbau und regelmässige sensorische Kontrolle während der Gärung vermeiden negative Aromen und machen eine trübe Vergärung risikofrei möglich. Auch können je nach Hefestamm höhere Trübungsgrade für eine Zunahme des Gesamtschwefelgehaltes nach der Gärung sorgen, was einem spontanen BSA vorbeugen kann. Der Endvergärungsgrad sowie die Hefe-Vitalität und die Hefezellzahl steigen mit höheren Mosttrübungen. Im Vergleich zwischen Spontangärung und Reinzuchthefen sind bis auf den erhöhten Restzucker keine negativen Unterschiede zwischen den Trübungsgraden festzustellen. So kann auch die beimpfte Gärung von den positiven Einflüssen einer etwas trüberen Gärung profitieren.

Weitere Informationen

Erstabdruck: Dieser Artikel erschien erstmals im «Das Deutsche Weinmagazin» (18/2024).

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