Ein direkter Abkömmling des Urstocks Nr. 58. (© J. Achermann)

Ein Steckling schreibt Geschichte

In den unscheinbaren Dingen stecken oft die grossen Geschichten. So auch beim Riesling-Silvaner Nr. 58, einem bescheidenen Stock von besonderer Bedeutung. Jacqueline Achermann blickt auf die Entwicklungsgeschichte der Rebsorte zurück.

Artikel von:
Jacqueline Achermann
Winzerin und Texterin
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 07 / 2025 , S. 8
Weshalb eigentlich dieses ganze Brimborium um einen Rebstock? Nun, die Frage ist berechtigt. Schliesslich sieht er aus wie jeder andere, blüht wie jeder andere und ist frühreif und fruchtbar, wie es sich für einen Riesling-Silvaner gehört. Zugegeben, sein Stamm ist etwas kürzer als gewöhnlich, aber das hat seinen Grund. Der Stock geniesst seit jeher eine Erziehung mit Stiel, oder besser gesagt: mit Stickel. So, wie es damals um das Jahr 1890 üblich war, als rund um den Zürichsee noch 1944 Hektaren mit Reben bestockt waren, also 13-mal mehr als heute. Aber das ist eine andere Geschichte. Die Geschichte, um die es hier geht, begann im Jahre 1882 in Geisenheim (D), als Prof. Hermann Müller-Thurgau eine Idee hatte. Gut möglich, dass er sich am Abend zuvor ein Glas Riesling gönnte, dessen Säurewerte die Grenze des Geniessbaren überschritt. Jedenfalls beschloss er, eine Weissweinsorte zu züchten, die ...