Liebe Leserin, lieber Leser
Man sollte nie die Rechnung ohne den Wirt machen, heisst es so schön. Oder den Tag vor dem Abend loben. Oder das Fell verkaufen, bevor der Bär erlegt ist. Sie merken, wo der Hase liegt. Genau: im Pfeffer. Denn bekanntlich kann es fatal sein, das Reb- oder Obstjahr vorschnell einordnen zu wollen. Bis zum Erscheinen der aktuellen Ausgabe 06/24 sehen die Prognosen so aus, als würde der Frühling nach einem kurzen Sommerintermezzo eine Pause machen.
Dennoch scheint es niemanden zu bekümmern, dass die Eisheiligen noch vor der Tür stehen. Sophie, Pankratius und die ganze Bande wurden aufgrund der Klimaerwärmung wohl in den April vorgeschoben, analysierte jüngst ein Rebbaukommissär in der Winzerinfo. Wetterfrosch Kachelmann riet sogar, sie ganz aus dem Kalender zu streichen. Die urchigen Wetterpropheten aus dem Muotathal ihrerseits erwarten einen normalen Frühling; stellt sich die Frage, was heute noch normal ist?
In Momenten des Grübelns hilft mir unser Fotoarchiv: Da finden wir schöne Aufnahmen aus den letzten Jahren und Jahrzehnten und da fielen mir Fotos aus dem Jahr 2016 auf. Sie zeigten kläglich erfrorene Rebtriebe im Dreiblattstadium. Genaueres liefert das Internet: Wie wir vielleicht schon verdrängt haben, war es im damaligen April feuchter und wärmer als üblich, es gab viele föhnige Phasen. Dann kam der Mai, der nicht nur kühler war als erwartet, sondern auch noch verbreitet Spätfröste bescherte. Die erste Hälfte des Sommers konnte man vergessen. Sie war ausserordentlich nass, die Sonne blieb ein spärlicher Gast. Erst später drehte sich das Blatt, es wurde trocken und heiss, sodass der Jahrgang doch noch passabel wurde. Und genau damals im Jahr 2016 hat mir ein Winzer aus dem Dorf eine alte Bauernregel in Erinnerung gerufen: Schaltjahr heisse Kaltjahr, sagte er mit Verweis auf langjährige Erfahrung.
Nun, angesichts der Klimaerwärmung wäre das auch mal eine Abwechslung.
Ihr
Markus Matzner
Chefredaktor O+W
