Viele Hochstammbäume werden heute nicht oder nur ungenügend gepflegt. Eine vernachlässigte Pflege führt oftmals dazu, dass die Bäume kaum noch Früchte tragen oder gar langsam eingehen. Deshalb ist die Pflege der Bäume ab Tag 1 unerlässlich. Dazu gehört auch ein perfekter Winterschnitt, damit der Baum wieder wertvolles Kern- und Steinobst tragen kann. Doch der Schnitt will gelernt sein, denn die Arbeit am Baum auf der Bockleiter kann durchaus herausfordernd sein. Dies zeigte sich jüngst, als auf dem Griesbach bei Schaffhausen der diesjährig bereits zweite Kurs für den Baumschnitt durchgeführt wurde. Hinter diesem zweitägigen Angebot steckt der regionale Naturpark Schaffhausen, welcher den Kurs unter Fachleitung schon seit Jahren anbietet. In den letzten Jahren hat dieser Kurs immer mehr Zulauf erhalten, weil das notwendige Wissen für einen korrekten Baumschnitt immer mehr in Vergessenheit geraten ist. Der Standort ist nicht zufällig gewählt: Auf dem Griesbach stehen entlang einer Flurstrasse über zwei Dutzend Hochstämme. «Wir haben diese Stein- und Kernobstbäume vor 25 bis 30 Jahren mit robusten regionalen Sorten gepflanzt», erklärte Bernhard Egli, welcher dem Kursleiter Andreas Kunz als Assistent zur Seite stand.
Theoretische Grundbildung
Am Vorabend des Kurses erfolgte eine theoretische Einführung in den Obstbaumschnitt. Da die Jungbäume am Griesbach nach der Pflanzung eine optimale Pflege und vor allem den richtigen Grundschnitt für den Kronenaufbau erhalten haben, eignen sie sich für den jährlichen Winterschnitt. Wird dieser Baumaufbau im Jugendstadium mit dem Anziehen der Mittel- und der Leitäste aber verpasst, so lässt sich dies später kaum noch korrigieren. «Der Kronenaufbau entspricht den Vorgaben des bekannten Oeschbergkronenschnittes», erklärte Kursleiter Kunz. Dieser wurde vor rund 100 Jahren an der damaligen Kantonalen Obst- und Gartenbauschule Oeschberg in der Berner Gemeinde Koppigen entwickelt und erstmals 1938 auch schriftlich festgehalten. Dieser spezielle Kronenaufbau besteht aus einem Mitteltrieb, der als Stammfortsetzung zu betrachten ist. Zugleich sind drei bis vier rund um das Stammende gleichmässig verteilte abgehende Leitäste nötig, die einen Abgangswinkel von 45 bis 50 Prozent aufweisen. Mit dem Schnitt wird nun dafür gesorgt, dass ab den Leitästen zusätzlich zwei bis drei sogenannte Fruchtäste vorhanden sind. Daraus wachsen die Fruchthölzer, die – wie es ihr Name verrät – Früchte tragen werden. Mit dem Schnitt wird aber auch ein stabiles Astgerüst angestrebt, das den Fruchtbehang tragen und dem Schneedruck standhalten muss. Mit dem gezielten Schnitt wird ein Lichteinfall in das Kroneninnere sichergestellt, damit es auch weniger Pilzbefall gibt. Mit dem regelmässigen Schnitt werden langlebige und vitale Bäume angestrebt, die eine bessere Fruchtqualität bilden.
Einfach in der Theorie, anspruchsvoll in der Praxis
Dem Theorieteil folgten erste praktische Instruktionen durch Andreas Kunz – auf der Leiter direkt am Baum sowie am Boden und an einzelnen Ästen. Im Anschluss machten sich die Kursteilnehmenden in Zweierteams selber an die Arbeit. Zuerst galt es, die notwendige Bockleiter stabil zu stellen und zu sichern. Dann machte sich einer der Teilnehmer an die Arbeit auf der Leiter, während der andere am Boden die Arbeit von unten beobachtete. Doch was sich in der Theorie als eigentlich einfach und klar erwiesen hatte, wurde nun in der praktischen Umsetzung anspruchsvoll. Wenn auch der zweite Partner keinen Rat mehr wusste, war die Meinung vom Kursleiter und seinem Assistenten gefragt. Ein kleiner Fehlschnitt ist aber grundsätzlich nicht gravierend und wird durch die Natur bis zum kommenden Jahr wieder selber etwas korrigiert. Mit jedem Schnitt mit der Baumschere wurden die Kursteilnehmer immer sicherer, sodass sie nun auch die Bäume zuhause mit dem korrekten Schnitt versehen können.