Fast genau einen Monat nach seinem 75. Geburtstag; nach heutigen Massstäben früh, aber immerhin seinem oft geäusserten Wunsch entsprechend, ohne vorgängige Spitalaufenthalte oder langwierige medizinische Behandlungen. Noch zu Lebzeiten wurde der Verstorbene zur «Ikone des Schweizer Weins» ernannt (GaultMillau 2017) und mit dem «Prix Ami du Vin» ausgezeichnet (ANAV 2019). Nach seinem plötzlichen Tod folgten nun in der Presse Ehrentitel wie Weinlegende, Visionär, Pionier oder gar Revoluzzer.
Besonders zutreffend scheint mir das dezente Lob von Ueli Liesch, Präsident «graubünden Wein», der an der Frühlingsversammlung 2024 anmerkte: «Wir wissen nicht, wo der Bündner Wein ohne Persönlichkeiten wie Thomas Donatsch heute stehen würde.»
Persönliche Kontakte
Meine eigene Bekanntschaft mit Thomas Donatsch reicht zurück ins Jahr 1976, als der «Jungspund» im bekannten Weinlokal seiner Eltern eine Burgunderdegustation der regionalen ANAV-Sektion (damals unter dem ebenso legendären Präsidenten Sebi Scherrer) leitete. Wenn mir meine Erinnerung keinen Streich spielt, kam ich dort erstmals in Kontakt mit Thomis eigenem «Burgunder», den er als «Pirat» unter die französischen Weine geschmuggelt hatte. Im Gegensatz zu späteren Presseberichten über den frühen Barriqueeinsatz in unserer Gegend, gab es nach meiner Erinnerung unter den Winzern gegenüber dem neuen Trend zwar Skepsis, aber keinen Widerstand – dass der Wein seinerzeit als nicht typisch für die Bündner Herrschaft beurteilt wurde, liegt oder lag auf der Hand. Ob es von Behördeseite «Störfeuer» gab, entzieht sich meiner Kenntnis.
Als ich Thomi kennenlernte, war seine jugendliche «Sturm-und-Drang-Periode» mit häufigen Barbesuchen und Auftritten an der Hammondorgel bzw. als Saxophonist in der Jazzband «Les Serpents» (später «The Strangers») bereits vorbei. Der Fokus lag auf der Winzerstube «zum Ochsen» und dem Wein. Seine Frau Heidi brachte eine klare Linie in seinen Alltag als Winzer und Gastwirt. 1977 übernahm das Paar den Betrieb. In den folgenden zwei Jahren kamen die Söhne Martin und Christoph zur Welt.
Persönlichkeiten ziehen ihr Ding durch
Fussballtrainer Alain Sutter bezeichnete einst im Interview «Persönlichkeiten als Menschen, die das machen, was für sie richtig ist. Und sie ziehen das auch durch, wenn andere finden, es sei nicht der richtige Weg». So gesehen war Thomi Donatsch zweifellos eine sehr starke Persönlichkeit. Es reichte ihm nicht, guten Wein zu machen; er wollte den besten! Sein Pinot noir aus dem kleinen Eichenfass wurde aber nicht über Nacht zum Erfolg, wie man aufgrund von anekdotischen Berichten heute glauben könnte. Der Weg zum «Passion» war gezeichnet von Versuch und Irrtum. Die Pressweine, mit denen Thomi Ende der 70er-Jahre experimentierte, blieben im wahrsten Sinne «ungehobelte Gesellen» und erst der geschliffenere spätere Weinstil machte Furore. So ist eigentlich nicht verwunderlich, dass Thomas den internationalen Durchbruch an einer Degustation in Bordeaux anfangs der 80er-Jahre mit einem cremigen Chardonnay schaffte. Doch der im Barrique ausgebaute Pinot noir wurde dann doch zum Markenzeichen der «Kleinen Gegend der grossen Weine».
Talente im Hintergrund
Beim Wein trat eines von Thomis Talenten klar zutage. Die Begabungen für Musik; Malerei und seine Kochkunst blieben eher dem privaten Umfeld vorbehalten: Wenn er sich unverhofft ans Klavier setzte und aus dem Stegreif zu spielen begann, wenn in der Gaststube (oft kaum bemerkt) ein neues selbst gemaltes Bild hing oder wenn er eine gesellige Runde mit Delikatessen aus der Küche überraschte. Über Wein aber sprach Thomi gern – ja, er konnte ins Dozieren geraten. Aber im Gegensatz zu Vater Hans Donatsch, der als Weinexperte in den seinerzeit obligatorischen Wirtekursen bekannt geworden war, blieben Thomis «Lehrstunden» meist auf die Gaststube, Kellerführungen oder selektive Weinzirkel beschränkt. Und auch an den «Sausersonntagen», wenn die Gäste im Ochsen kaum Platz fanden, blieb Thomi meist im Hintergrund.
Ein Geheimnis bleibt
Ein weiterer spezieller Charakterzug von
Thomi Donatsch war sein Umgang mit Leuten, die sich erst neu für die Weinwelt zu interessieren begannen. Trotz seines umfassenden Wissens degradierte er nach meiner Wahrnehmung nie jemand offen zum Dilettanten. Im Gegenteil – als ich ihn einst fragte, wie er das manchmal penetrante Gelaber von oft selbsternannten «Experten» aushalte, antwortete er mit einem leisen Lächeln. Vielleicht war diese Nachsicht das Geheimnis für seine fast allseitige Akzeptanz in der Weinwelt?
Wie dem auch sei, im Malanser Weinbaubetrieb, den seit einiger Zeit Sohn Martin führt, aber auch generell in Schweizer Winzerkreisen reisst sein Tod eine schmerzliche Lücke!
Zum Autor des Nachrufs
Hans Peter Ruffner war von 2006 bis 2015 Präsident von graubünden Wein, von 1998 bis 2018 (Chef-)Redaktor der SZOW und der Schwager von Thomas Donatsch.