Klimaforscher und Klimahistorikerinnen konnten aufzeigen, dass eine enge Beziehung zwischen den klimatischen Verhältnissen eines Weinjahres und der Qualität des Weines besteht. In warmen und trockenen Sommern mit stabilen Hochdrucklagen ist die Weinernte früh und es gibt reichlich und süssen Wein, während in kühlen und nassen Jahren mit Tiefdruckeinfluss die Ernte spät, die Erntemenge tief und die Weinqualität dürftig ist (Pfister und Wanner, 2021).
Im Jahr 1938 wurde im Kanton Zürich die Weinlesekontrolle eingeführt und seitdem wird auch das Mostgewicht in Oechslegraden systematisch erhoben. Um die Beziehung zwischen Klimaverlauf und Weinqualität darzustellen, wurden die Weine aufgrund der Oechslewägungen beim Blauburgunder in fünf Kategorien eingeteilt, allerdings unter der Berücksichtigung, dass das Qualitätsniveau früher viel tiefer lag, als es heute der Fall ist.
1 = </= 74.9 °Oe, sehr schlechter Jahrgang
2 = 75–79.9 °Oe, schlechter Jahrgang
3 = 80–84.9 °Oe, mittelmässiger Jahrgang
4 = 85–89.9 °Oe, guter Jahrgang
5 >/= 90 °Oe, sehr guter Jahrgang
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Weinqualität beim Blauburgunder im Bezirk Meilen in den 84 Jahren von 1938 bis 2021 (Altwegg, 1979). Betrachtet man die Darstellung, dann fällt auf, dass bis etwa Ende der 1980er Jahre die Weinqualität von Jahr zu Jahr zwischen sehr schlecht und gut schwankte. Nur der Jahrhundertjahrgang 1947 übertraf alle anderen Jahrgänge. Bis 1989 waren 9 Jahrgänge qualitativ sehr schlecht, 19 schlecht, 12 mittel und 11 gut. Nach 1989 gab es nur noch gute und sehr gute Jahrgänge, ab 2003 wurden Jahrgänge, die nur noch als «gut» galten, zur Seltenheit.
Die Forschung teilt die letzten 1000 Jahre in vier Klimaperioden ein. Bis um 1300 dauerte die sogenannte mittelalterliche Klimaanomalie mit relativ warmen Sommern. Anschliessend folgte die Kleine Eiszeit mit kühleren Sommern und vorherrschend kalten Wintern, wie zum Beispiel ganz am Ende des 19. Jahrhunderts, wie in Abbildung 2 deutlich zu sehen ist.
Mit der einsetzenden Industrialisierung auf der Basis von Kohle erhöhte sich vom ausgehenden 19. Jahrhundert an die CO2-Konzentration in der Atmosphäre, wodurch die Jahrestemperaturen langsam anstiegen. Von den 1950er-Jahren an wurde die Welt von gewaltigen Mengen spottbilligen mittelöstlichen Erdöls überflutet. Von 1958 an erhöhte sich die CO2-Konzentration sprunghaft. Dreissig Jahre später folgte ein eigentlicher Temperatursprung. Seit 1986 liegen alle Temperaturwerte über dem Durchschnitt der Vergleichsperiode 1961–1990. In der Warmperiode der Gegenwart hat sich die Erwärmung von Jahrzehnt zu Jahrzehnt beschleunigt. Damit ging eine auffallende Steigerung der Weinqualität einher. Der Temperaturanstieg widerspiegelt sich auch an den Klimadaten für die Station Wädenswil (Tab.).
Wie die Tabelle zeigt, lag das Zürichseegebiet bis um 1990 an der klimatischen Grenze für den Weinbau. Heute sind die Temperaturen und die Sonnenscheindauer für den traditionell angebauten Blauburgunder ideal, während es für den Müller-Thurgau (Riesling-Silvaner) in den unteren Lagen in Jahren mit überdurchschnittlichen Temperaturen eher zu warm geworden ist. An den hohen Niederschlägen hat sich allerdings kaum etwas verändert. Der Pflanzenschutz, der Kampf gegen den Falschen Mehltau, bleibt am Zürichsee in durchschnittlichen und nassen Jahren wie 2021 (und möglicherweise auch 2023) eine Herausforderung.
Es greift allerdings zu kurz, die so viel bessere Weinqualität einzig auf die Klimaerwärmung zurückzuführen.
Die Mengenbegrenzung im Weinbau
1982 wurden in der Schweiz über 1.8 Mio. hl Wein geerntet, das Doppelte einer heutigen Normalernte. Ein Jahr später gab es eine zweite Grossernte mit 1.6 Mio. hl. Die Verwertung dieser Weinernten kostete den Bund Millionen, was zur Einführung von Mengenbeschränkungen führte. Seit 1993 dürfen für Weine mit kontrollierter Ursprungsbezeichnung bei den weissen Sorten nur noch 1.4 kg/m2, bei den Roten noch 1.2 kg/m2 geerntet werden, wobei je nach Kanton noch tiefere Maximalerträge gelten.
1989 gab es in der Deutschschweiz eine weitere Grossernte, mit 194 000 hl noch grösser als die Ernte 1982 mit 181 000 hl. Ihre Verwertung kostete den Volg, dem grössten Traubenabnehmer in der Ostschweiz, 2.5 Mio. Franken. Die Genossenschaft zog Konsequenzen und erlaubte ihren Traubenlieferanten nur noch die Lieferung von 700–800 g/m2 beim Blauburgunder und 800–900 g/m2 beim Müller-Thurgau. Grössere Mengen wurden zwar angenommen, aber zu deutlich tieferen Preisen. Die Mengenbeschränkung wurde konsequent durchgesetzt und zeigte bald breite Wirkung. 1991 gab es beim Blauburgunder noch eine Ernte von über 80 hl/ha (ca. 1.07 kg/m2). Beim Räuschling wurde von 1989 bis 1991 Mengen von etwas über 75 hl/ha (ca. 1 kg/m2) geerntet. Seither bewegen sich die Erntemengen beim Blauburgunder im Bezirk Meilen in normalen Jahren – ohne witterungsbedingter Ausfälle – zwischen 600 und 700 g/m2, beim Räuschling zwischen 700 und 900 g/m2. Die effektiv geernteten Mengen liegen also sowohl beim Blauburgunder wie auch beim Räuschling sehr deutlich unter der gesetzlich festgelegten maximalen Erntemengen.
Ein Vergleich von Erntemenge und Mostgewicht für Blauburgunder im Bezirk Meilen für die Perioden 1975 bis 1985 und 2005 bis 2015 zeigt die Auswirkungen von Mengenbeschränkungen und Klimawandel (Abb. 3a/b).
Die Erntemenge über die Jahre hinweg ist in der Periode 2005 bis 2015 viel ausgeglichener, allerdings mit 48 hl/ha im Durchschnitt der Jahre um 7.4 hl/ha tiefer, dies aber vor allem wegen der beiden Grossernten von 1982 und 1983. Ohne diese beiden Ernten liegt der Durchschnitt der Erntemengen in der Periode 1975 bis 1985 bei 49.5 hl, ist also vergleichbar mit dem Durchschnitt von 48 hl/ha der Jahre zwischen 2005 und 2015. Die Erträge von 1975 im Vergleich zu 2005, 1980 zu 2010, 1981 zu 2011, 1984 zu 2014 und 1985 zu 2015 sind praktisch identisch, die Qualität aber rund 10 °Oe höher, 2011 sogar 20 °Oe besser als 1981. In jenem Jahr zwang ein ausserordentlich nasser September wegen fortschreitender Fäulnis zu einer zu frühen Lese bei entsprechend schlechter Qualität, während das Jahr 2011 warm war und die vollreifen, gesunden Trauben schon früh, bis zum Monatswechsel September/Oktober geerntet werden konnten. Die heute so viel bessere Qualität ist offensichtlich der Klimaerwärmung zu verdanken.
Ein weiterer Grund für die Qualitätssteigerung dürfte die reduzierte Fäulnisgefahr sein, die es ermöglicht, die Trauben länger hängen zu lassen und den optimalen Erntezeitpunkt abzuwarten. Dazu hat einerseits der Klimawandel mit warmen, trockenen Sommern und Herbsten beigetragen, aber auch die bessere Bewirtschaftung, wie das gezielte Auslauben der Traubenzone, eine moderate Stickstoffversorgung oder die bessere Applikationstechnik beim Pflanzenschutz.
Es mögen die Mengenbeschränkungen anfangs der 1990er-Jahre gewesen sein, die zu einem Umdenken zugunsten höherer Qualität geführt haben. Aber auch die Winzerinnen und Winzer selbst wollten sich nicht mehr mit den bescheidenen Landweinen von einst begnügen. Eine neue Generation wollte neue Wege gehen, auch im Bewusstsein, dass sie nur mit qualitativ hochwertigen Weinen in einem höheren Preissegment auf die Dauer konkurrenzfähig sein können. Sie kelterten beim Blauburgunder und anderen roten Sorten dank voll ausgereiften, zuckerreichen Trauben extraktreichere Weine mit einem höheren Alkoholgehalt, Weine, die auch im Barrique ausgebaut werden können. Auch bestand der Wunsch nach Sorten mit höheren Ansprüchen an das Klima wie Chardonnay, Sauvignon blanc oder Merlot.
Heute ist eine Winzergeneration in Rebberg und Keller am Werk, die in einem gesunden Wettbewerb untereinander steht und sich regelmässig austauscht, mit dem Willen, das Beste aus ihren Trauben herauszuholen. Die Klimaerwärmung hat sie in jedem Fall bei ihrem Streben nach einer höheren Qualität unterstützt.