Beliebte Apfelverkostung an der Obstkulturtagung. (© O+W)

Schweizer Obstkulturtag: Marktanforderungen und Zukunftsaussichten

Der Schweizer Obstkulturtag zeigte, dass die Obstbranche vor grossen Herausforderungen steht: Nachhaltigkeit, wirtschaftlicher Druck und sich wandelnde Konsumtrends erfordern innovative Lösungen.

Artikel von:
Andrea Caretta
O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 04 / 2025 , S. 26

Im Rahmen der Messe «Tier & Technik» fand Ende Februar der 23. Schweizer Obstkulturtag in St. Gallen statt. Unter der Moderation von Andreas Naef, Agroscope, thematisierten Branchenexperten, Produzentinnen sowie Vertreter aus Wissenschaft und Handel die aktuellen Herausforderungen und Chancen der Obstproduktion. Der St. Galler Regierungsrat Beat Tinner begrüsste die rund hundert Anwesenden und betonte bei dieser Gelegenheit die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Biodiversität in der Obstproduktion. «Solche Projekte sind wichtig, aber nicht zum Nulltarif erhältlich. Sie müssen ihren Platz im richtigen Marktsegment finden», so Tinner.

Einen Schritt voraus sein

Ein zentrales Thema war die nachhaltige Produktion: Johannes Michel, Obstproduzent und Betreiber einer der Modellanlagen des Fairdi-Projekts, sprach über die Herausforderungen der Biodiversität im kommerziellen Anbau. Gegründet wurde das deutsche Label mit dem Ziel, die Zügel selbst in der Hand zu halten und nicht den Anforderungen von aussen – wie etwa Handel und Gesetzen – hinterherrennen zu müssen. Dabei spielen Faktoren wie Pflanzenschutzmitteleinsatz, Förderung der Artenvielfalt, Ressourcenschutz, CO2-Reduktion, Herkunft und Qualität eine wichtige Rolle. Ebenso entscheidend sei, dass letztendlich die Verpackung nicht teurer als das Produkt sein soll, wie Michel weiter ausführte.

Markt- und Konsumtrends

Markus Brand vom Marktforschungsunternehmen NielsenIQ analysierte das Kaufverhalten von Schweizer Konsumierenden: Im Durchschnitt geben diese Fr. 33.- pro Einkauf aus und kaufen viermal pro Woche ein. Der Trend geht zu häufigeren, kleineren Einkäufen, wodurch die Ladenwahl zunehmend strategisch wird. 10 bis 11 % ihres Einkommens geben Herr und Frau Schweizer für Lebensmittel aus – eine Zahl, die sich vermutlich nicht ändern wird. Mit der steigenden Bevölkerungszahl gehen immer mehr Leute immer öfter einkaufen und geben pro Einkauf weniger aus.

Neben der Erreichbarkeit des Geschäfts, der Ladengestaltung und des allgemeinen Preisniveaus spielt das Sortiment bei der Wahl des Ladens eine übergeordnete Rolle. Dabei gibt es Warengruppen, welche die Wahl deutlicher prägen als andere. Die Top-5-Kategorien sind: Kaffee und Tee, Früchte und Gemüse, Bäckereiprodukte, Metzgereiprodukte sowie Milchprodukte. Ausserdem wiederholte Brand, was im Vortrag davor bereits Obstproduzent Michel betonte: «Die Konsumierenden wählen ihren Apfeleinkauf nicht nach der Sorte, sondern nach Farbe und Geschmack.»

«Es muss gehandelt werden»

Auch Richard Hollenstein ist sich dessen bewusst. Kurz vor seiner Pensionierung blickte er zurück auf seine 42-jährige Tätigkeit beim Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen, Fachstelle Obstbau, und sagte gegenüber der O+W: «Ich denke, dass es zwei Segmente geben wird: Ein Teil wird eine ‚Marke‘ bleiben, nämlich ein Hochpreissegment, bei dem man für gewisse Sorten einen Mehrwert anpreisen kann und die Kundschaft auch bereit ist, mehr zu bezahlen. Das andere, sozusagen das Standardsorten-Segment, müssen wir ebenfalls bewusst bewirtschaften – und nicht nur die Premiumsorten.» Ausserdem betonte der Experte eine unstreitige Dringlichkeit und verdeutlichte: «Wir müssen jetzt relativ schnell handeln, insbesondere bei Sorten, die auch ‚Versagerfrüchte‘, z. B. mit schlechter Festigkeit, beinhalten.» Hollenstein appellierte: «Wir sollten aktiv werden, indem wir genau hinschauen und Produktionsflächen von solchen Sorten reduzieren. Wir schaffen damit Platz für neue Sorten und können so den Markt beleben. Im relativ kleinen Schweizer Apfelmarkt müssen wir zusammenarbeiten, um weiterzukommen. Die Vernetzung der Branche ist wichtig und matchentscheidend.»

Podiumsdiskussion: Die Zukunft der Obstbranche

In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurde mit Moderator Christian Schönbächler, federaal, erörtert, wie die Branche ihre Zukunft proaktiv gestalten kann. Auch hier wurde festgehalten, dass Optik und Geschmack bei der Kaufentscheidung eine zentrale Rolle spielen. Wie Matthias Hofer von Coop hervorhob, seien im Laden nebst dem Standort auch Frische und Optik wichtige Faktoren. Dazu ergänzte Simone Bühlmann-Schütz, Agroscope, dass die Forschung Markttrends wie die Optik in der Züchtung hoch priorisiere – etwas, das in den letzten Jahren weltweit an Bedeutung gewonnen habe. Desgleichen betonte Richard Hollenstein gegenüber der Apfelproduktion: «Man muss sich bewusst sein, dass Weiterentwicklung notwendig ist. Man darf nicht das Gefühl haben: Es gibt schon genügend Sorten, jetzt ist es gut. Dies gilt insbesondere für die Herausforderungen an der Verkaufsfront, bei gesellschaftspolitischen Auflagen und im Handel. Man muss sich stetig weiterentwickeln und à jour bleiben.»

Auch die Swissness wurde besprochen: «Nur weil Produkte aus der Schweiz stammen, sind sie deswegen noch lange keine Selbstläufer, aber wenn die Vorteile klar kommuniziert werden, kann es ein entscheidendes Verkaufsargument sein», so Hofer. Oder wie es Analytiker Brand auf den Punkt brachte: «Wenn eine Erdbeere zwei Würmer hat, hilft es auch nicht, dass es eine Schweizer Erdbeere ist.» Dem stimmten auch die anderen Podiumsteilnehmenden zu.

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