© Michael Bircher

St. Jodern Kellerei: Gerüstet für die Zukunft

Der Rebberg «Riebe» ist das Aushängeschild des Oberwalliser Weinbaus, er schwingt sich bis auf eine Höhe von über 1100 m ü. M. Die Mitglieder der Genossenschaft St. Jodern Kellerei bewirtschaften die mit Trockenmauern gestützten Parzellen in Handarbeit. Doch auch eine traditionsreiche Gemeinschaft kann sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Nachfolgend ein Interview mit Michael Hock, Kellermeister und CEO der St. Jodern Kellerei.

Artikel von:
Michael Bircher
O+W Wallis-Korrespondent
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 15 / 2023 , S. 17

Die St. Jodern Kellerei

1979 gründeten 120 Nebenerwerbswinzer die Genossenschaft St. Jodern Kellerei Visperterminen. Ein Jahr später konnte die neue Kelterei im Weiler Unterstalden eingeweiht werden. Die Produktionsgebäude stehen auf knapp 900 Metern Höhe, unterhalb des Dorfkerns von Visperterminen und sollen nun erneuert werden.

Bis heute ist die Genossenschaft auf 600 Mitglieder angewachsen, von denen noch etwa 500 aktiv sind. Sie bewirtschaften 45 Hektar Rebfläche in Visperterminen und Umgebung.

Ein Grossteil davon sind Steillagen, die in kleine und kleinste Parzellen unterteilt sind. Neben der Hauptsorte Heida werden Fendant, Johannisberg, Resi, Muscat und Gewürztraminer kultiviert. Bei den roten Sorten sind es Pinot noir, Gamay, Gamaret und Syrah. Die Kellerei St. Jodern produziert rund 300 000 Flaschen pro Jahr.

Zur Person: Michael Hock

Michael Hock, Jahrgang 1973, studierte zunächst Biologie in Zürich, später zog es ihn nach Italien. An der Agrarfakultät in Turin erwarb er den Bachelor in Weinbau und Önologie. Nach mehrjähriger Tätigkeit bei verschiedenen Weinbaugenossenschaften im Piemont kam er 2014 als Kellermeister zur St. Jodern Kellerei nach Visperterminen, seit 2022 amtet er auch als Geschäftsführer.

Michael Hock im alten Tankkeller. (© M. Bircher)

 

Das Interview

O+W: Die Ernte ist schon fast vorbei. Wie zufrieden sind Sie mit der Traubenqualität?
Michael Hock: Es sieht sehr gut aus. Der phytosanitarische Zustand der Reben ist generell gut. Zufrieden bin ich auch mit unserem Drohnenprojekt: Dieses Jahr spritzten wir versuchsweise 9 ha unserer Steillagen aus der Luft.

 

Was versprechen Sie sich vom Einsatz von Drohnen zum Pflanzenschutz?
Unsere Genossenschafter sind praktisch alle Freizeitwinzer. Das Spritzen mit dem Atomiseur auf dem Rücken ist eine anstrengende Arbeit, und sie ist termingebunden. Die obligatorische Fachprüfung für den Pflanzenschutz ist auch nicht jedermanns Sache. Es kommt hinzu, dass viele der Bewirtschafter im Pensionsalter sind und für potenzielle Nachfolger die Hürden für eine Übernahme viel tiefer sind, wenn die Spritzarbeit wegfällt. Einen weiteren positiven Effekt sehe ich in der besseren Dosierbarkeit der Spritzmenge, beim manuellen Spritzen tendiert man eher zum Übertreiben. Mit der Drohne können wir zudem die Umstellung auf Bioproduktion ins Auge fassen, da die zusätzlichen Behandlungen einfacher zu bewerkstelligen wären.

 

Der Versuch wird also ausgeweitet?
Ja, zukünftig wollen wir einen möglichst grossen Teil unserer Rebfläche mit der Drohne spritzen. Ein Zurück gibt es praktisch nicht mehr, denn die meisten Mitglieder sind begeistert vom Projekt.

 

Unterstützen Sie die Winzer und Winzerinnen bei der Nachfolgeregelung?
Die meisten Nachfolger stammen aus der Familie des Winzers und sind mit den anfallenden Arbeiten vertraut. Wir bieten Rebbaukurse an, um ihnen das Hintergrundwissen zu vermitteln. Diese Veranstaltungen sind sehr beliebt. Bisher haben wir die Mitglieder beim Pflanzenschutz logistisch unterstützt, jetzt kommt die Drohne. Falls ein Bewirtschafter trotz allem keinen Nachfolger findet und sich seine Parzelle in der definierten Kernzone befindet, kann der Keller einspringen. Schliesslich hat sich die Genossenschaft auf die Fahnen geschrieben, den Weinbau in Visperterminen zu erhalten und zu fördern. Inzwischen bearbeiten wir drei von den 45 ha in Eigenregie, hierzu beschäftigen wir drei Festangestellte plus Saisonkräfte. Um unsere Situation zu verdeutlichen: Diese 3 ha verteilen sich auf 150 Parzellen.

 

Noch einmal zurück zur Traubenlese. Sie sind auch mengenmässig zufrieden, doch das schafft, wie man hören konnte, Probleme?
Tatsächlich stellt uns eine grosse Erntemenge vor spezielle Herausforderungen: Gleich nach der Lese beginnen wir nämlich mit einem grossen Umbau des Kellers. Der ganze Produktionsbereich wird von Grund auf erneuert.

 

Stellt sich die Frage, wohin mit dem ganzen Wein?
In den letzten Jahrzehnten haben wir immer wieder investiert und renoviert. Dadurch haben wir heute moderne Räumlichkeiten und genügend Platz. Die grosse Herausforderung wird sein, während des Umbaus genügend Tankkapazität zu erhalten. Alles andere wie Leergut oder abgefüllte Flaschen lässt sich auslagern. Im Flaschenlager installieren wir ein paar der neuen und einige der alten Tanks provisorisch. Ausserdem bleiben mehrere der ursprünglichen Tanks im neuen Keller stehen. So sollte es zu bewerkstelligen sein.

 

Wieso müssen die Tanks ersetzt werden?
Unsere Kellerei wurde Ende der 1970er- Jahre gebaut, sämtliche Installationen stammen aus dieser Zeit. Die Innenbeschichtung der Stahltanks hat man zuletzt 2009 erneuert und diese teure und staubige Prozedur wäre wieder fällig. Vor 20 Jahren wurden einige der Gärtanks mit Wärmetauschplatten und Temperaturfühlern nachgerüstet, aber bei weitem nicht alle. Tendenziell besitzt der alte Keller für unsere heutigen Bedürfnisse zu viele grosse und zu wenige kleine Tanks. Deshalb haben wir beschlossen, den ganzen Keller neu auszurüsten und technisch auf einen zeitgemässen Stand zu bringen.

 

Die Kellerarchitektur bleibt aber bestehen?
Im Grossen und Ganzen ja. Von aussen wird man keine Veränderung sehen. Einen grossen Missstand können wir mit diesem Umbau allerdings beheben. Bis anhin standen die Pressen in der obersten Etage und die Gärtanks ganz unten. Die vergorene Maische musste vertikal nach oben gepumpt werden, ein Alptraum für jeden Önologen.

 

Passen Sie auch die Energieversorgung der heutigen Zeit an?
Auf den Dächern unserer Gebäude ist eine Solaranlage mit einer Leistung von rund 81.5 kWp installiert. In Kooperation mit dem lokalen Elektrizitätswerk wurde sie in zwei Etappen 2012 und 2015 erstellt. Jetzt ersetzen wir die alte Ölheizung durch eine Wärmepumpe. Das neue Energiekonzept verbindet die Gebäudeheizung mit dem Kühl-/Wärmesystem des Gärkellers.

 

Es erstaunt nicht, dass Sie immer mehr kleine Tanks benötigen. In Ihrem Shop stehen inzwischen sieben Weine, die aus Heida gekeltert sind, von der Assemblage bis zum Schaumwein. Geht diese Entwicklung weiter?
Der Heida ist unsere Visitenkarte und wir wollen die verschiedensten Kundensegmente bedienen. Ich könnte mir eher vorstellen, bei den übrigen Weinen etwas zusammenzulegen oder wegzulassen.

 

Sind neue Sorten für Sie ein Thema? Auch im Hinblick auf die Klimaerwärmung.
Unsere untersten Pinot-Lagen sind eigentlich nicht mehr für diese Sorte geeignet, es ist schlicht zu warm. Hier sind Neupflanzungen ein Thema. Mit unserer Genossenschaftsstruktur stossen wir allerdings schnell an Grenzen, da es keine zentrale Planung gibt. Und wenn ein Mitglied etwas Neues anpflanzt, bringt mir das als Kellermeister nicht viel.

 

Piwi-Sorten wären doch für Hobbywinzer und -winzerinnen sehr interessant.
Hier spielt unsere Basisdemokratie im positiven Sinn. Es sind tatsächlich mehrere Mitglieder mit der Frage an uns gelangt, ob sie uns in Zukunft Piwi-Trauben liefern könnten. Wir sind offen für dieses Thema, bereits heute liefert uns jemand Divico. Aus kellerbuchhalterischen Gründen kommen allerdings nur AOC-kompatible Reben in Frage. Der Einfachheit halber empfehlen wir zwei Sorten zur Anpflanzung, es sind Bianca (weiss) und Divico (rot).

 

Ein weiteres aktuelles Thema ist die Bewässerung. Wir befinden uns hier nur wenige Kilometer vom trockensten Punkt der Schweiz entfernt (Achersand bei Stalden).
Wasser ist ein kostbares Gut, das weiss man hier im Wallis seit Jahrhunderten. Es ist eine gewaltige Anstrengung nötig, das Verteilnetz zu erneuern und überall Tröpfchenbewässerung zu installieren. Mir schwebt vor, das Wasser nach Bedarf auf die Parzellen zu verteilen. Welche Reben unter Wasserstress leiden, könnte man zeitnah mittels Drohnenaufnahmen erkennen.

 

Wie steht es um die Finanzierung?
Im Kanton Wallis ist zurzeit die Vernehmlassung des Rahmenkredits für das Weinbaugebiet des 21. Jahrhunderts im Gang. Es geht um Investitionen von bis zu 170 Mio. Franken. Wir stehen bereits im Kontakt mit den Kantonsvertretern.

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