Verlorener Auftrag: Was tun bei einer Absage?

Es ist enttäuschend, wenn man auf eine Kundenofferte eine Absage erhält. Hat die Kundin sich für einen anderen Anbieter entschieden? Und warum? Lag es am Preis? Und wer hat den Auftrag erhalten? Warum hatten wir keine Chance zur Nachbesserung? Gründe für den Auftragsverlust sollte man erfragen, das zeigt Interesse am Kunden und ist eine Chance, sich zukünftig zu verbessern. Ein verlorener Auftrag ist keine verlorene Kundin.

Artikel von:
Rolf Leicher
Dipl. Betriebsökonom, Heidelberg (D)
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 01 / 2024 , S. 22

Bei der Absage kommt es darauf an, wer sie erteilt: Stamm- oder Neukunde. Gewerbe- oder Privatkundin. Gewerbekunden mit grösserem Einfluss überlässt man nicht gern dem Wettbewerb. Manche Absagen enttäuschen den Anbieter besonders. Das Angebot, die Präsentation und die Vor-Ort-Termine haben Zeit gekostet. Der Auftrag war zum Greifen nah und wäre profitabel gewesen. Trotz aller Bemühungen sagt die Kundin mit dem lapidaren Satz «Es hat sich erledigt» per Mail ab. Jetzt sollte man wissen: Woran hat es gelegen? Wer hat den Auftrag erhalten? Was sollten wir verbessern? Ein höherer Preis ist nicht immer die Ursache, weshalb man einen Auftrag verliert. Gibt man im Preis ohne Zögern gleich nach, zweifelt der Kunde an der Seriosität der Preise.

Nachfassen

Als Anbietende stellt man sich die Frage, ob man der Kundschaft hinterherlaufen soll. Haben wir das nötig? Eine schriftliche Auftragsabsage eines Kunden rechtfertigt trotzdem einen telefonischen Kontakt. Dadurch erhalten Anbietende Hinweise, was künftig besser zu machen ist. Der Kundenkritik muss man sich stellen, ohne Widerstand und Verdruss. Ein Gespräch mit der Person, die entscheidet, ist wie Manöverkritik. Man erfährt, nach welchen Motiven die Entscheidung der Kundin erfolgt ist. Geeignete Fragen für die Analyse sind wichtig, wie z.B.: «Unter welcher Voraussetzung sind Sie bereit, unsere Angebote zu prüfen?» Zusätzlich kann man auch Wertschätzung vermitteln: «Sie sind für uns ein wichtiger und angenehmer Kunde.»

Aus Kundensicht gibt es viele Gründe, dem Wettbewerb den Auftrag zu erteilen: bessere Preise und Termine, Übereinstimmung der Kundenvorgaben, überzeugendes Auftreten der Mitarbeitenden, Erfüllung der Serviceanforderungen, Angebotsvielfalt, Firmengrösse und Standort. Kunden erteilen Aufträge, um neue Anbieter zu testen. Ein beliebter Grundsatz bei Kunden: Auch bei starker Lieferantenbindung neue Anbietende zu prüfen. Der Einkauf sucht ein zweites Standbein und will die Abhängigkeit zu einem/einer einzigen Anbietenden reduzieren.

Am Telefon schlagfertig reagieren

Beim telefonischen Nachfassen kommt es zu typischen Aussagen von Kundinnen und Kunden, die man zunächst einmal hinterfragen sollte, bevor man ein neues Angebot macht (Tab. 1).

 

 

 

Kundengrösse

Die betriebswirtschaftliche Bewertung der Kunden nach Umsatz oder Deckungsbeitrag ist üblich. Denn bei «Kleinkunden» zeigt der Vertrieb weniger Engagement, die Bemühungen lassen nach, unbewusst treibt man die Kundschaft zum Wettbewerb. Andererseits: Die Kundschaft nützt ein Angebot nur zum Vergleich mit dem Wettbewerb oder sie drückt den Preis derart, dass es für Anbietende uninteressant wird. Lohnen sich dann Bemühungen?

Man kann nicht alle Kundenforderungen erfüllen, muss unter bestimmten Voraussetzungen einen Kunden für die nächste Zeit loslassen, weitere Bemühungen einstellen:

  • Aufwand der Angebotsabgabe steht nicht im Verhältnis zum Auftragswert.
  • Kundin/Kunde nutzt das Angebot nur zum Vergleich mit dem Wettbewerb.
  • Die Entscheidung wird immer wieder verschoben.
  • Kundschaft stellt immer neue Forderungen hinsichtlich der Konditionen.
  • Auf eigene Kontaktversuche wird nicht reagiert.

 

Hybride Kundschaft

Über keinen Kundentyp wird derzeit so viel gesprochen wie über die hybride Kundschaft (H-Kundschaft). Sie zeichnet sich durch ihr wechselhaftes Einkaufsverhalten aus und wird auch On-Off-Kundschaft genannt. Da sie meist ausserhalb der Kundenklassifizierung geführt wird, weiss man als Anbietende nicht, wie man gezielt reagieren soll. Hybride Kundschaft ist nicht einseitig qualitäts- oder preisbewusst. Heute wählen sie das preisgünstigste Angebot, morgen steht «Fair Trade» oder die Regionalität der Anbietenden im Mittelpunkt der Einkaufentscheidung. Hybride Kundschaft lässt sich ungern durch Newsletter und Nachfasskontakte an die Hand nehmen. Für sie werden Akquise-Aktivitäten des Lieferanten als Bevormundung empfunden und sind unerwünscht. Produzierende sollten das nicht als Ablehnung ihres Leistungspakets verstehen, sondern einfach akzeptieren.

Kundenklassifizierung A bis D

Die Kundenklasse allein zeigt noch nicht das Betreuungsbedürfnis einer Kundschaft. Aktuell wäre die Klassifizierung nach den Zukunftsaussichten: Mit welchen Umsätzen ist künftig zu rechnen? Wie entwickelt sich das Unternehmen der Kundschaft? Lohnt es sich, in die Kundenbeziehung weiter zu investieren? Mit welchen zusätzlichen Leistungen könnte man als Anbietende neue Umsätze generieren? In regelmässigem Turnus stellt man sich diese Fragen, auf die es selten eine zuverlässige Antwort gibt. Wegen des Arbeitsaufwands gibt es für Kundschaft mit dauerhaft «uninteressanten Aufträgen» keine Klassifizierung. Das könnten schon 20 % der Kundschaft sein.

Über den Typ Starkundschaft kann die Freude des Anbieters begrenzt sein, weil durch ihr Kaufvolumen eine unerwünschte Abhängigkeit entsteht. Ideal ist für Anbietende die Ertragskundschaft mit einem hohen Umsatzanteil. Zur Betreuung und Pflege der Adressen werden im Unternehmen immer wieder diese Fragen diskutiert: Nach welchen Kriterien soll man bewerten? Wie intensiv soll die Betreuung einer Kundschaft sein? Wie möchte die Kundschaft betreut werden? Kann die Betreuung der Kundschaft eine Multiplikationswirkung haben?

Für die Akquise-Bemühungen müssen Kriterien und Punktevergabe ständig aktualisiert werden. Für die individuelle Einschätzung ist auch Fingerspitzengefühl nötig und der Blick hinter die Kulissen der Kundschaft (Tab. 2).

 

So wird’s gemacht:

  • Oberste Priorität haben profitable Kundinnen und Kunden.
  • Den Kundentypen definieren und dokumentieren.
  • Kundenbetreuung vom Kundentyp abhängig machen.
  • Bei Absage eines Auftrags telefonieren.
  • Grund der Absage hinterfragen.
  • Sich der Kundenkritik stellen.
  • Kundschaft bei sinkenden Umsätzen nicht sofort herabstufen.
  • Überzogene Kundenforderungen selbstbewusst ablehnen.
  • Kundenbeziehungen kann man «auf Eis legen».
  • Kundenklassifizierung aktualisieren.

Kein Grund zur Sorge, denn: Es gibt mehr zufriedene Kundinnen und Kunden als unzufriedene. Es gibt mehr Aufträge als Absagen. Es gibt mehr Positives als Negatives. Es gibt mehr Termine, die eingehalten werden, als Verzögerungen. Es gibt mehr einwandfreie Lieferungen als Reklamationen. All das sollte man sich vor Augen führen, bevor man aufgrund einer Absage frustriert wird.

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