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Was fühlen Bienen? Und wie halten wir sie richtig?

Was können wir von den behandlungsfreien Imkerinnen und Imkern in der ganzen Welt lernen und haben Bienen ein Bewusstsein? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Rehetobler Tagung «Biodiversität, Biene und Agri-Kultur» und sind anlässlich des Weltbienentags vom 20. Mai aktueller denn je.

Artikel von:
Bigna Zellweger
O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 07 / 2025 , S. 26

Im Rehetobel trafen sich rund 90 Bienenfreundinnen und -freunde, um sich über neue Entwicklungen in der Imkerei auszutauschen. Die Tagung legte den Fokus auf behandlungsfreie Bienenhaltung und die Frage, ob Bienen über ein Bewusstsein verfügen – Themen, die sowohl praktische wie ethische Relevanz haben.

«Behandlungsfreie Bienenhaltung: Bee positive and beyond»

Imker Thomas Gfeller berichtete von seiner 25 000 Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegten Reise durch Europa, auf der er behandlungsfrei arbeitende Imkerinnen und Imker besuchte. Besonders eindrücklich: In England halten rund 20 % der Imkerinnen und Imker ihre Völker ohne chemische Behandlung. Kuba, wo aufgrund wirtschaftlicher Zwänge nie mit Medikamenten gegen die Varroamilbe gearbeitet wurde, verfügt heute über eine stabile, resistente Bienenpopulation mit über 220 000 Völkern.

In der Schweiz zeigt sich ein anderes Bild: Laut Gfeller sind nur etwa 5 % der Bienenvölker ohne Behandlung überlebensfähig. Es gibt aber Pioniere wie Fridolin Hess: Seit 2010 verzichtet er erfolgreich auf Mitizide. Entscheidend sei dabei eine angepasste Bienendichte. Eine Untersuchung in Riggisberg (BE) ergab über 40 Völker pro Quadratkilometer – eine Belastung nicht nur für Honigbienen, sondern auch für Wildbienen und andere Bestäuber. Gfeller fordert ein besseres Ressourcenmanagement und eine stärkere Berücksichtigung lokaler ökologischer Gegebenheiten.

Haben Bienen ein Bewusstsein?

Einem anderen Thema widmete sich Markus Wild, Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Basel. Die zentrale Frage seines Referats lautete: «Können wir den Kreis der bewussten Lebewesen über den Bereich der Wirbeltiere ausdehnen? Oder konkreter gefragt: Haben Bienen ein Bewusstsein?» Wild berichtete, dass lange umstritten war, dass Fische Schmerzen empfinden können. Die grosse Mehrheit der Forschenden zweifelt diese Tatsache heute nicht mehr an. Wie sieht es aber mit den Wirbellosen aus?

Das Tierschutzgesetz in der Schweiz gilt nur für Wirbeltiere. Ob dem Tier ein Bewusstsein zugesprochen wird, ist entscheidend für dessen Schutzstatus. Bewusstsein beinhaltet sowohl positive wie auch negative Empfindungen, denn Empfindungen sind Teile des Bewusstseins. Demzufolge ist die Empfindungsfähigkeit für die Ethik sowie die Gesetzgebung wichtig: «Sie ist die Grundlage für das Wohlergehen und Unwohlsein eines Tieres», sagte Wild. Um eine wirbellose Art ins Gesetz zu integrieren, müssen Studien zeigen, dass diese Art über ein Bewusstsein verfügt. Dies konnte vor einigen Jahren bei Hummern gezeigt werden. In einem längeren politischen Prozess wurde die entsprechende Verordnung angepasst. Hummer dürfen nicht mehr lebendig ins kochende Wasser gelegt und auch nicht lebendig auf Eis transportiert werden.

Wie sieht das nun bei Bienen aus? Diverse Versuche bei Hummeln zeigen, dass diese einen pessimistischen Gemütszustand haben können und daher also auch über Empfindungen verfügen. Der Wissenschaftler meinte, dass diese Resultate darlegen, dass die Frage, ob Bienen ein Bewusstsein haben, mit «Ja» beantwortet, werden könne. Auch plädierte er dafür, dass zu viel Skepsis die Empfindsamkeit bei Tieren betreffend nicht ratsam sei – hätten doch die letzten Jahrzehnte immer wieder gezeigt, dass auch Arten empfindsam sind, von denen man dies lange Zeit nicht glaubte.

Gesellschaftliche Verantwortung und politische Forderungen

In einer Podiumsdiskussion mit Zoologin Petra Wiesenhütter (Naturmuseum St. Gallen) wurde deutlich, dass Biodiversität nicht allein durch Gesetze gesichert werden kann. Bildungsarbeit, etwa in Schulen, sei ebenso zentral wie ein verändertes Verständnis von Natur im Alltag. Wild sprach sich für einen gesetzlichen Sonderstatus wildlebender Honigbienen aus – ähnlich wie er bei Hummern bereits besteht.

Die Tagung machte deutlich: Eine zukunftsfähige Bienenhaltung braucht Mut zu neuen Wegen, Offenheit für internationale Erfahrungen und die Bereitschaft, auch ethische Fragen ernst zu nehmen. Die Verbindung von Wissenschaft, Praxis und Philosophie eröffnete inspirierende Perspektiven für einen achtsameren Umgang mit Bienen und ihrer Umwelt.

Keine bestätigte Bienenvergiftung im Jahr 2024

Seit seiner Gründung konnte der Bienengesundheitsdienst (BGD) jährlich durchschnittlich fünf akute Bienenvergiftungen durch Pflanzenschutzmittel nachweisen. Damit Bestäuber auch in Zukunft möglichst keinen Schaden nehmen, sind bei der Anwendung von Pestiziden die geltenden Bienenschutzauflagen unbedingt einzuhalten.

2024 hat der BGD sieben Vergiftungsverdachte abgeklärt. Das sind etwa halb so viele wie in den Jahren zuvor. Im Labor wurden in drei Bienenproben Spuren von Wirkstoffen gefunden. Die nachgewiesene Menge war für Bienen jedoch nicht toxisch. Obwohl es sich in einem weiteren Fall wahrscheinlich um eine Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel gehandelt hat, konnte diese nicht nachgewiesen werden.

«Wird ein plötzlich auftretendes Bienensterben festgestellt, müssen Imkerinnen und Imker von den betroffenen Völkern rasch eine qualitativ gute Bienenprobe entnehmen», erklärt Marianne Tschuy vom BGD. Sie präzisiert: «Ist dies aufgrund der Witterungsverhältnisse erst Tage später möglich, kann eine akute Bienenvergiftung meist nur vermutet, nicht aber bestätigt werden.»


© Thomas Gfeller

 

Obst- und Rapskulturen stellen für Bienenvölker im Frühling eine wichtige Nahrungsquelle dar und fördern ihre Entwicklung. Als Gegenleistung bestäuben die Insekten die Pflanzen und tragen wesentlich zu qualitativ hochstehenden landwirtschaftlichen Produkten bei. Tschuy ergänzt: «Der Schutz der Bestäuber ist wichtig. Werden Pflanzenschutzmittel ausschliesslich gemäss den Anwendungsvorschriften eingesetzt, können Bienenvergiftungen vermieden werden.»

Bienen kommen mit Giftstoffen auf unterschiedliche Weise in Kontakt. Werden Pflanzenschutzmittel während dem Bienenflug (zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang) in die Blüte gespritzt, ist das Vergiftungsrisiko am grössten. Auch blühende 
Unkräuter oder Unterwuchs sowie benachbarte Blühstreifen können infolge Abdrift für die Bestäuber gefährlich sein.

– Apiservice

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