Weinmarkt Südkorea: Chancen für Schweizer Weine?
Swiss Wine Promotion (SWP) fokussiert in ihrem Dreijahresplan unter anderem den Export von Schweizer Wein. Während China beackert wird, ist Südkorea vergessen gegangen. Dabei böte dieser dynamisch wachsende Markt durchaus Chancen für Schweizer Weine, wie Markus Hungerbühler berichtet.
Der Weinmarkt in der Republik von Korea (Südkorea) entwickelt sich dynamisch, wozu in den letzten Jahren verschiedene Umstände beigetragen haben. Wein wird als attraktiv und interessant wahrgenommen, auch wenn die Koreanerinnen und Koreaner noch wenig über Wein wissen. Die allgemeinen Perspektiven sind vielversprechend, die konkrete Nutzung des Potenzials aber aufwendig, wie eine Recherche zeigt.
Immer nur China
Während China auch von der SWP als grosser Weinmarkt betrachtet wird, gehen andere asiatische Weinmärkte vergessen. Dabei wäre auch Südkorea mit seinen 51.8 Mio. gut ausgebildeten und produktiven Einwohnern interessant. Dieses Land stellt die zehntgrösste Volkswirtschaft der Welt (Economic Report 2022) und ist relativ wohlhabend. Zudem besteht im Land eine ausgeprägte Trinkkultur und die veränderte sich während der Pandemie deutlich. Wurden früher z.B. am Feierband mit Arbeitskollegen neben Bier vor allem Spirituosen wie Soju (ein Destillat auf Reisbasis mit rund 20 %-Vol.) und traditioneller Reiswein konsumiert, besteht ein starker Trend zum Genuss von alkoholischen Getränken mit weniger Alkohol in den eigenen vier Wänden. Dies nicht zuletzt auch aus gesundheitlichen Gründen. Dieser Trend wurde unterstützt durch die leichte Liberalisierung des Onlinehandels von Alkohol. Zwar ist eine direkte Lieferung nach Hause noch nicht zulässig, dafür kann Wein seit 2020 online bestellt und bei einem Detailhändler oder Restaurant abgeholt werden. Ein weiterer Faktor ist die grosse Verfügbarkeit von Informationen über Wein im Internet. Die Bevölkerung ist sehr IT-affin und nutzt das Smartphone für fast alles, so auch für den Weineinkauf. Diese Entwicklungen führten gemäss einer Trendanalyse der Regierung von Kanada gestützt auf Informationen von Euromonitor International 2022 dazu, dass der Wert des Weinmarkts in Südkorea zwischen 2016 bis 2020 um 4.8 % wuchs, obwohl der weltweite Weinkonsum während dieser Periode sank. Wie Jihyung Andrew Kim, Professor an der Hanyang Women’s University in Seoul, belegt, umfasst das Wachstum sowohl Volumen wie auch den betreffenden Wert (Abb. 1).
Abb. 1: Der koreanische Weinmarkt: Die Covid-Pandemie liess ihn in die Höhe schnellen. Die blaue Kurve steht für den Handelswert in US-Dollar und kletterte auf fast 25 Mio. Die gelbe Kurve zeigt das Handelsvolumen in kg an, das 140 000 kg erreichte. (© Jihyung Kim)
Grosses Potenzial
Gemäss der Trendanalyse wird für die Zeit von 2021 bis 2025 ein starker Wertzuwachs von rund 8.1 % (CAGR – jährliche Wachstumsrate) erwartet, ein grösseres Wachstum, als in jedem anderen Weinmarkt der Welt.
Während 2020 der Wert des Weinkonsums in Südkorea bei 2.7 Mia. US-Dollar gelegen hat, soll er gemäss Prognose bis 2025 auf 4 Mia. US-Dollar steigen. Diese Entwicklung veranlasste das Analyseunternehmen «Wine Intelligence» in seinem Global Compass 2020 den südkoreanischen Weinmarkt als den zweitattraktivsten Weinmarkt (hinter den USA) zu bezeichnen. Zum Vergleich: Die Schweiz liegt auf Rang 6. Diese Beurteilung wurde 2021 wiederholt und veranlasste die Branchenorganisation «Wine Australia», die einflussreiche Weinjournalistin Suzie Chung als Country Managerin für australischen Wein zu ernennen.
Geringer Pro-Kopf-Verbrauch
Dieses eindrückliche Wachstum darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Pro-Kopf-Verbrauch von Wein noch bei rund einem Liter pro Jahr liegt (Schweiz: rund 35 L). Dennoch stellt «Wine Intelligence» im Juni 2022 fest, dass das Land so viele Weintrinkerinnen und Weintrinker wie noch nie aufweist: Gemäss Untersuchung sollen 12.6 Mio. Personen regelmässig Wein trinken (2017 waren es noch 10.2 Mio. Menschen). Die Kategorie werde breiter und tiefer und habe ein grosses Potenzial, nicht zuletzt wegen des noch geringen Pro-Kopf-Konsums. Gelänge es, auch nur einen kleinen Prozentsatz der Nicht-Weintrinker zum Weingenuss zu führen oder die bestehende weintrinkende Bevölkerung ein wenig zu vergrössern, würde dies dem Weinhandel noch viele Jahre gute Zahlen garantieren. Gemäss dem Analyseunternehmen IWSR wächst seit 2020 auch der Anteil an Premium-Weinen, also Weinen mit einem Preis von 40 000 koreanischen Won (das entspricht rund 30 Franken) oder mehr pro Flasche. Dieser Anteil wächst weit mehr als jener von günstigen Weinen.
Spitzenreiter Chile
Da die klimatischen Bedingungen und die koreanische Topografie keinen Qualitätsweinbau internationalen Standards erlauben, besteht gemäss IWSR rund 93 % des Volumens des verkauften Weins aus importiertem Wein. Angeführt werde der Import mit Weinen aus Chile mit rund 28 % des Volumens, gefolgt von Italien, Spanien, Frankreich, USA und Australien. Lange haben die Weine aus Frankreich im Wert geführt, sind aber im Jahr 2019 von den Weinen aus Chile gesamthaft überholt worden. Dies beruht v.a. auf dem Wegfall von Zöllen auf chilenischen Weinen dank des Freihandelsabkommens, das seit 2004 in Kraft ist. Entsprechende Abkommen mit der EU, USA und Australien förderten ebenfalls den Absatz der jeweiligen Weine. Interessant ist, dass aber auch Weine aus kleinen bzw. relativ unbekannten Weinbauländern mit ihren autochthonen Rebsorten in Südkorea erhältlich sind (Interview mit Chan Jun Park).
Geschmack und Vertrauenswürdigkeit
Gemäss einem Bericht von April 2022, der von «Starburst Insights» für die «Australian Grape & Wine Incorporated» erstellt wurde, trinken die Koreanerinnen und Koreaner vor allem Rotwein, gefolgt von Weisswein, Schaumwein und Roséwein. Die Wachstumstreiber sind dabei vor allem Weisswein und Schaumwein, welche sich gut mit der meerlastigen Küche vermählen lassen (Abb. 2). Dieselbe Studie erwähnt den Geschmack des Weins, die Vertrauenswürdigkeit der Weinmarke und die Traubensorte als die drei wichtigsten Entscheidungskriterien für die Wahl eines Weines, während das Preis-Leistungsverhältnis, das Herkunftsland und das Aussehen des Etiketts bzw. der Flasche nachgelagerte Kriterien sind. Weiche, süsse und reichhaltige Weine werden bevorzugt, da sie ebenfalls zu den oft würzigen, scharfen (Chili) und aromatischen Speisen der koreanischen Küche passen. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben allgemein grosses Interesse an Wein aus aller Welt, aber wenig Vertrautheit und Wissen darüber. Informationen und Ausbildung über Wein seien somit sehr wichtig, um den Menschen Wein als Getränk näherzubringen.
Abb. 2: Fisch- und Meeresfrüchtemarkt in Seoul. (© matthewhy-pexels)
Premium und trendig
Koreanerinnen und Koreaner sehen Wein als Mittel zum Genuss, aber auch um aufzuzeigen, wie cool und trendig sie sind. Damit belegt Wein eine Premiumposition, wie der Bericht von «Starbust Insights» festhält. Andererseits wird Wein auch als relativ teuer betrachtet. Zu diesem Image tragen auch die verschiedenen Steuern und Margen der Repräsentanten, Zwischen- und Detailhändler bei. Gemäss «Wine Intelligence» sei ein gutes Preis-Leistungsverhältnis wichtig, dennoch würden die Ausgaben für Wein bei besonderen Anlässen, sei es zu Hause oder in der Gastronomie, steigen. Das lasse auf einen nicht restriktiv-preisempfindlichen Markt schliessen. Ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld und weltweite Unsicherheit könnten die rosigen Aussichten aber eintrüben, was «Wine Intelligence» für die nächsten fünf Jahre annimmt.
Die Beziehungen zur Schweiz
Die Schweiz und Südkorea unterhalten seit 1963 diplomatische Beziehungen. Aber bereits seit 1953 ist die Schweiz militärisch präsent im Land: Als Mitglied der Neutralen Überwachungskommission (Neutral Nations Supervisory Commission) überwacht diese Militärpräsenz den Waffenstillstand an der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea. Aufgrund des Freihandelsabkommens von 2006 zwischen der Republik von Korea und den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) erhalten gewisse unverarbeitete Landwirtschaftsprodukte der Schweiz, darunter auch Wein, Zollvergünstigungen. Gemäss dem Wirtschaftsbericht 2022 der Schweizer Botschaft in der Republik von Korea besteht in Südkorea ein lukrativer Konsummarkt. Die Koreanerinnen und Koreaner seien bereit, für Super-Premium-, Qualitäts- und Prestigeprodukte Geld auszugeben, was gut zu «Swiss made»-Produkten passe. Viele Schweizer Unternehmen seien deshalb erfolgreich auf dem südkoreanischen Markt tätig.
Trotz diesen allgemein günstigen Rahmenbedingungen konnte Schweizer Wein hierzulande kaum Fuss fassen. Gemäss Roland Hinni (Abb. 3), Inhaber des Schweizer Restaurants «Gastro Tong» (samt Bistro und Bäckerei ) in Seoul war in den letzten zehn Jahren keiner der Importeure von Schweizer Wein erfolgreich, und der letzte Importeur beendete kürzlich seine Aktivität wegen stark gestiegener Kosten. Er selbst plane nun, geringe Mengen an Schweizer Wein direkt für sein Restaurant einzuführen. Hinni erinnert daran, dass die Schweiz für Schokolade, Uhren, Käse und ihre Neutralität bekannt sei, die Leute aber erstaunt seien, dass in der Schweiz auch Wein produziert werde. Ein Problem seien die hohen Preise der Schweizer Weine. Er bedauert, dass in Südkorea kein Marketing für die grossartigen Weine betrieben werde.
Abb. 3: Roland Hinni vor seinem Bistro in Seoul. (© zVg)
Südkorea als Weinmarkt ist interessant und die Perspektiven für den Weinverkauf sind vielversprechend. Auch Schweizer Wein könnte hier seinen Platz finden, was aber einen grösseren und kontinuierlichen Aufwand voraussetzt. Dass die SWP darauf verzichtet, hier einen ersten Schritt zu machen, ist daher nicht nachvollziehbar, zumal die Verbindung zum Tourismus und zu anderen Schweizer Produkten naheliegend wäre.