Weinsafari Deutschschweiz – Projektwoche 2021 der Winzerinnen und Weintechnologen

Dreissig lernende Weintechnologinnen und Winzer des dritteln Lehrjahres vom Strickhof bereisten anlässlich ihrer Abschlussexkursion für einmal die (Deutsch-)Schweiz mit ihren Weinregionen, um vor Ort Inspirationen und Eindrücke zu sammeln. Für viele Beteiligte war die Vielfalt des eigenen Landes erstaunlich und spannend.


Beatrice Frei

Statt das deutsche Franken lernen wir coronabedingt Perlen der deutschen Weinschweiz kennen. Wir starteten auf dem Weingut von Urs Pircher in Eglisau (ZH),  dessen steilen Terrassen am rechten Rheinufer gänzlich in Handarbeit und unter Verzicht von synthetischen Düngern und Herbiziden bearbeitet werden. Bei der anschliessenden Degustation hat uns der präzise Rhein-Riesling speziell begeistert: Er zeichnete sich aus durch reife Früchte, gepaart mit einer knackigen Säure und einer schönen Mineralität.

Weiter ging es zum Weingut von Nadine Saxer in Neftenbach (ZH), das sich architektonisch perfekt in die Natur und den Rebberg einfügt. Auch hier verlangen die diesjährigen Wetterkapriolen dem Team alles ab. Im Glas zeigte sich die klare Handschrift der Önologin: sortentypische, fruchtbetonte und unkomplizierte Weine.

Begeisterung und Passion versprühten Alain und sein Vater Hermann Schwarzenbach am dritten Etappenort in Meilen (ZH) im Überfluss: Speziell, wenn sie die Geschichte der hier wiederentdeckten Hefe von 1895 oder Hintergründe über die Traubensorte Räuschling zum Besten geben.

Zweiter Tag: Kanton Graubünden

Wenn Annatina Pelizzatti und ihre Tochter Laura aus Jenins (GR) von ihrer Arbeit in den Reben erzählen, glänzen ihre Augen. Unsere Augen glänzen wegen ihrer Geschichte und ihren Weinen. Nur unter Einsatz unseres ganzen Verhandlungsgeschicks können wir von den eigentlich ausverkauften Tropfen noch Einzelflaschen erwerben.

Wenig später werden wir im Weingut Davaz in Fläsch von Sohn Luca, dem Betriebsleiter, empfangen. Im grosszügigen, mit modernster Technologie ausgestatteten Keller wird nichts dem Zufall überlassen. Perfektion widerspiegelt sich dann auch in den äusserst präzis gekelterten Weinen.

Zum Abschluss des Graubünden-Abstechers wartet in Reichenau (GR) ein Schlossherr in der Person von Johann-Baptista von Tscharner auf uns. Er führt das Weingut zusammen mit seinem Vater, Gian-Battista. Eine nur minimalistische Intervention, die Lagerung auf der Vollhefe und Zeit – viel Zeit – bringen erstaunliche Weine wie zum Beispiel den schlanken, mineralischen und eleganten Chardonnay hervor.

Dritter Tag: Kanton Luzern

Erst 2002 wurden die Flächen rund um den Klosterhof in Aesch (LU) nach einer 100-jährigen Weinbau-Pause und diversen Vorstössen der Familie Huwiler ins Rebbaukataster aufgenommen. Schwiegersohn Noel wird den Betrieb in Kürze übernehmen. Seine Vision ist klar: Weinbau und Kelterung sollen so nachhaltig wie möglich sein.

Die Weinmanufaktur Brunner in Hitzkirch (LU) ist ein noch junger Betrieb, den Matthias und seine Frau Christina 2007 gründeten. Wie sie das Weingut in der Zwischenzeit entwickelt haben, ist eindrücklich und zeugt sowohl von önologischem Geschick wie auch von unternehmerischer Weitsicht. Dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, zeigen Ausgleichsflächen mit Obstbäumen, Blumenwiesen und einem Bienenhaus.

Nora Breitschmid, die Winzerin des Bioweinguts Sitenrain in Meggen (LU), die sich ausschliesslich auf Piwi-Sorten fokussiert, startet ihren durchschnittlichen Arbeitstag im Rebberg, bevor sie sich später als perfekte Gastgeberin um ihre Besucher kümmert: Open-Air-Konzerte, Weinterrasse und Hochzeiten stehen häufig auf dem Programm. Wir staunen, wie die energiegeladene Frau alles unter einen Hut bringt.

Vierter Tag: Zürcher Weinland und Thurgau

Nadine und Cédric Besson-Strasser arbeiten in ihrem Weingut in Uhwiesen (ZH) seit 2004 biodynamisch. Widerstandsfähigere Reben und lebendigere Weine sind das Resultat ihrer leidenschaftlichen Arbeit im Einklang mit der Natur. Neben dem fruchtigen und eleganten Pinot noir vom Rheinfall kommen wir in den Genuss des Malbecs, einer Traubensorte, die sich generell in wärmerem Klima wohler fühlt. Umso erstaunlicher ist das Ergebnis: Der Wein zeigt eine intensive Aromatik von reifen Kirschen und weissem Pfeffer.

Erneut sind wir zu Gast auf einem Schloss. Johannes Meier, Gutsherr des Schlossguts Bachtobel (TG), und seine Frau Franziska zeigen uns das historische Anwesen. Seit 2008 bewirtschaftet das Team die 6 ha grosse Rebfläche biologisch. Seit diesem Jahr ist der Betrieb Bio-Knospe zertifiziert. Im alten Torkel steht eine Baumpresse aus dem Jahr 1584, auf welcher die Maische für den Pinot No. 3 schonend abgepresst wird. Sämtliche degustierten Weine begeistern uns komplett.

Auf dem Bioweingut Lenz in Uesslingen (TG) findet unsere Ostschweizer Tour ihren Abschluss. Der Betrieb konzentriert sich auf widerstandsfähige Sorten mit dem Ziel, bis in wenigen Jahren die ganzen 21 ha Rebfläche mit ebendiesen bestockt zu haben. Während der ausgedehnten Rebbegehung mit Nino Canal, dem stellvertretenden Betriebsleiter, zeigt sich eindrücklich, dass die Trauben trotz der schwierigen Witterungsverhältnisse erstaunlich gesund sind.

Fünfter Tag: Drei-Seen-Region

Wir steigen hinter Fabian Teutsch, Winzer des Weinguts Schlössli in Schafis (BE), die steilen Rebparzellen bis zum Fahrzeugwendeplatz hinauf. Bei strahlender Sonne und herrlicher Aussicht über den Bielersee dürfen wir den Chasselas aus der Jeroboam-Flasche degustieren. Ein spritziger, mineralischer Wein mit Aromen von Zitrusfrüchten und frischer Säure. Bei den Rotweinen, die wir wenig später im Keller verkosten, gefällt uns der «Le Grand Pinot» speziell gut: ein komplexer Wein, welcher komplett in neuem Holz reift.

Lorenz Hämmerli bewirtschaftet auf seinem Weingut in Ins (BE) rund 13 ha Rebfläche und verzichtet bewusst auf Herbizide und Insektizide. Seinen zwanzigsten Jahrgang konnte er in seinem neuen Wunschkeller vinifizieren. Auf der schönen Terrasse dürfen wir zwei seiner Chasselas degustieren und vergleichen: einerseits die frische, im Stahltank ausgebaute Variante ohne BSA, andererseits den während zwölf Monaten im zweitbelegten Barrique ausgebauten Wein mit viel Schmelz und Aromen von Banane und Brioche.
Wir sind dankbar, dass wir die Projektwoche trotz der aktuellen Corona-Situation, wenn auch in etwas anderer Form als geplant, durchführen durften.

Ein spezieller Dank gilt unseren Sponsoren für deren finanzielle Unterstützung:
Branchenverband Deutschschweizer Wein (Wädenswil), Cottinelli AG (Malans), GVZ-Rossat AG (Otelfingen), Kloster Einsiedeln, Syngenta Agro AG (Stein), Kasper Wenger (Küsnacht), Malermeister Zehnder GmbH (Einsiedeln).

 

Einstiegsbild: Für einmal in der Schweiz geblieben: Die Klassen des Strickhofs. (© B. Gmuer)

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