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Weinszene Liechtenstein – eine Welt, so nah wie fern

Obschon das Fürstentum Liechtenstein und die Schweiz auf vielen Ebenen enge Verknüpfungen aufweisen, kennt man die Winzerbetriebe und Weine des «Ländles» ennet dem Rhein nicht sehr gut. Dabei ist der Weinbauverband Fürstentum Liechtenstein das 19. Mitglied beim Branchenverband Deutschschweizer Wein (BDW). Der Versuch eines Überblicks.

Artikel von:
Markus Matzner
Chefredaktor O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 14 / 2024 , S. 10

Gleichsam zum «Warmwerden» ein paar Fakten: Das Fürstentum Liechtenstein ist das sechstkleinste Land der Erde mit 160 km2, es hat rund 40 000 Einwohnerinnen und Einwohner und einen Grenzgängeranteil von 25 000 Personen. Der Chef im Land ist seit 1719 der Fürst. Derzeit im Amt ist Fürst Hans-Adam II. Liechtenstein hat eine der höchsten Industriequoten der Welt mit einer Bruttowertschöpfung von 41 % aus der Industrie. Folglich ist auch das Pro-Kopf-Einkommen höher als in der Schweiz, mit dem das Fürstentum seit 1923 einen Zollvertrag und weitere enge Verstrickungen besitzt. Und ja: In Liechtenstein gibt es auch Wein. Rund 100 Winzerinnen und Winzer sorgen sich um gut 23 ha Rebland: 13 davon liegen im sogenannten Oberland, 10 im Unterland. Es gibt vier Vereine, eine Genossenschaft und drei professionell geführte Betriebe. Die Jahresproduktion beträgt rund 115 Tonnen.

Die Lagen sind wie auch in der Bündner Herrschaft und im St. Galler Rheintal vom Föhn geprägt. Als eigenes Land ist der Weinbauverband FL ein Vollmitglied beim Branchenverband Deutschschweizer Wein (BDW) und profitiert letztlich auch von schweizerischen Leistungen. So könnten die Liechtensteiner auch bei der Swiss Wine Promotion Geld für das Weinmarketing bekommen, was sie aber so gut wie nie tun. Viel eher exportieren sie ihre Trauben in die Nachbarkantone oder führen Lohnarbeiten auch für Schweizer Kunden durch, was zolltechnisch keine Probleme darstellt. Die kleinräumige Struktur des Landes führt fast zwangsläufig dazu, dass sich alle Akteure sehr gut kennen. Nach der Auflösung des Weinguts Castellum teilen die drei verbliebenen professionellen Betriebe den Kuchen untereinander auf. Wie der Gutsbesitzer und BDW-Delegierte Uwe Hoop gegenüber der O+W erläutert, «steht jeder Betrieb für sich und beackert einen eigenen Markt. Jeder von uns ist quasi konkurrenzlos.» Führen wir uns die drei Profibetriebe vor Augen.

Hofkellerei des Fürsten von Liechtenstein

Aufgrund des klingenden Namens ist die Hofkellerei des Fürsten von Liechtenstein wohl das Aushängeschild des «Ländle» (Abb. 1).

 


Abb. 1: Der Barriquekeller der fürstlichen Hofkellerei. (© O+W)

 

Auch wenn es im Vergleich zum fürstlichen Weingut in Wilfersdorf (A) eher klein ist, kommen von hier vielbeachtete Weine. Von Seiten der fürstlichen Familie arbeitete bis vor Kurzem Prinzessin Marie von Liechtenstein beim Vertrieb mit. Insbesondere bei repräsentativen Veranstaltungen in Asien, den USA und auch in Europa sorgte ihre persönliche Beteiligung sicherlich für zusätzliche Aufmerksamkeit. Managing Direktor Stefan Tscheppe unterstreicht nicht ohne Stolz, dass das fürstliche Wappen auf den Weinetiketten so manche Türe der gehobenen Gastronomie öffnete. Auch die Qualität der Weine, die in der Schweizer Weinpresse ebenso wie in amerikanischen Weinführern gelobt wird (hoch im Kurs steht der Pinot noir Ried Herawingert), steigerte die internationale Nachfrage. «Unsere Weine sind gemäss den erzielten Punkten bei Weinwettbewerben den Weinen aus Graubünden sicher ebenbürtig», unterstreicht Tscheppe. Das Team hinter ihm kümmert sich um die 4-ha-Einzellage Herawingert in Vaduz, die wie der legendäre Clos de Vougeot im Burgund von mannshohen Mauern eingefangen wird. Auf schiefer- und kalkreichen Böden entstehen Weine aus den burgundischen Sorten Pinot noir und Chardonnay. Des Weiteren werden auch zwischen 10 und 13 Tonnen Trauben im Lohn verarbeitet. Für die kellertechnischen Geschicke sind Betriebsleiter Sebastian Gunsch und die junge österreichische Önologin Natalie Ströhle verantwortlich (Abb. 2).

 

 


Abb. 2: Die junge österreichische Önologin Natalie Ströhle. (© O+W)

 

Sie arbeitet beim Chardonnay gern mit Ganztraubenpressung. Auch beim Pinot noir fügt sie rund 15 % am Stiel belassene Trauben zur Gärung bei. «Ich mag es, wenn die Weine <grip> haben», sagt sie und meint wohl das Tanningerüst, das spürbar sein soll. Es verleiht den Weinen ein langes Reifepotenzial. Mit einem Neuholzanteil von 25 % geht das Weingut sparsam mit den Holztönen um. Das fürstliche Weingut arbeitet biologisch, kein Wunder hinterliess das feuchte und schwierige Jahr im wahrsten Wortsinn Spuren: So musste auch im Herawingert insgesamt 17-mal gefahren werden, um den Mehltau in Schach zu halten. Da das letzte Jahr durch ein Hagelereignis geprägt wurde, wünscht sich Ströhle nun einen versöhnlichen Jahresabschluss (www.hofkellerei.li).

Weingut Hoop

In Eschen, also im Norden Liechtensteins, haben Uwe und Karin Hoop ihr «Reich» aufgebaut. Sie sind Quereinsteiger und begannen ihre Karriere 1988 mit der Pacht eines kleinen Weinbergs in Eschen. Sein Name lautete «Zur Goldenen Boos» und war mit 450 Blauburgundern bestockt. Ausserdem investierten sie in den Handel von schottischen Whiskys (was sie immer noch tun). Heute haben sie 3 ha gepachtet, bewirtschaften diese biologisch und verarbeiten das Traubengut von 70 Kunden in der Grösse von 4.5 ha im Lohn. Der Keller befindet sich in einem 2016 eingeweihten Neubau in Eschen, der genug Raum bietet, um nach Belieben zu wachsen. So sollen auch im Sektbereich Dienstleistungen angeboten werden. Im oberen Stock haben Hoops einen schmucken Degu-Raum eingerichtet, den sie auch für «Wine & Dine»-Anlässe benützen. Seit 2021 ist Uwe Hoop Präsident des Weinbauverbands FL und somit Delegierter im BDW (Abb. 3).

 


Abb. 3: Uwe Hoop in seinem schmucken Barriquekeller. (© O+W)

 

Als einer der drei Selbstkelterer im Ländle schätzt er die besondere Ausgangslage. «Die Kunden suchen bei uns die heile Welt. Sie sehen uns nie arbeiten», sagt er mit einem Schmunzeln, «aus diesem Grund steht die Vermarktung des Genusses bei uns im Vordergrund. Wir haben viele Expats, die bei uns vorbeischauen und auch die Whiskyauswahl schätzen.» Dagegen seien die Einheimischen etwas zurückhaltender, auch traditionsbewusster. «Das Weinbusiness ist träg und hat lange Reaktionszeiten», weiss Hoop, «man braucht viel Atem und zwanzig Jahre sind nicht lang.» Dennoch konnte das Ehepaar dank kontinuierlicher Entwicklung ihr Weinsortiment erweitern. Bei den weissen Sorten sind Chardonnay, aber auch Müller-Thurgau, Pinot blanc und Riesling im Angebot. Bei den Roten keltern sie neben Pinot auch Merlot, Zweigelt und Garanoir.

«Durch Zufall erhielten wir die Gelegenheit, unsere Weine von Parkers Büro bewerten zu lassen. Unser im Barrique ausgebauter Pfarrhof-Chardonnay erhielt auf Anhieb 93 Punkte, was bedeutet, dass man sich keine Gedanken mehr über den Verkauf machen muss.» Hoop, der zusammen mit seiner Ehefrau Karin, einem Angestellten und den sporadisch helfenden Eltern die Fülle an anfallenden Arbeiten erledigt, kennt nach eigenen Aussagen kein freies Wochenende mehr. Aber eines lässt er sich nicht nehmen: «Immer donnerstags fahre ich am Abend nach Gamprin in den Musikverein und spiele Trompete, das brauche ich zum Ausgleich» (www.weinbau-hoop.li).

Harry Zech weinbau

Bevor Harry Zech zum Winzer umsattelte, studierte er an der Hochschule St. Gallen (HSG) Betriebswirtschaft (Abb. 4).

 


Abb. 4: Harry Zech bewirtschaftet seine Lagen biodynamisch. (© zVg)

 

Sicher helfen ihm die ökonomischen Zusammenhänge nach wie vor, doch seit 1998 ist er Önologe HTL (er studierte in Wädenswil) und startete sein Unternehmen mit 1.2 ha. Heute umfasst das Weingut 2.8 ha und Zech bewirtschaftet sechs Weinlagen. Seit 2014 geht Zech einen biodynamischen Weg. Als zertifizierter Demeter-Betrieb wird hier in Schaanwald auf Pestizide verzichtet und Steiners Lehre konsequent umgesetzt. Selbstredend arbeitet der Hausherr mit den vorgeschriebenen Spritz- und Kompostpräparaten (siehe O+W 13/2024) und strebt die Belebung des Bodens an. Obschon nicht ungewöhnlich, arbeitet er vor allem mit europäischen Sorten wie Pinot noir, Riesling-Silvaner, Sauvignon blanc, Chardonnay, Gamaret und Merlot. Piwi-Sorten sind zwar einige angepflanzt (Johanniter, Muscaris, Chambourcin, Sauvignac), spielen aber eine untergeordnete Rolle. Im Keller lässt Zech seinen Weinen viel Freiraum, die Moste werden spontan vergoren. Sein Ziel sind frische, terroirgeprägte und bekömmliche Weine. Auch auf seinem Weingut steht ein grosszügiger Veranstaltungsraum zur Verfügung, der für ca. 40 Personen Platz bietet (www.hz-weinbau.li).

Zukunft

Dank der Mitgliedschaft beim BDW stehen die Liechtensteiner Betriebe nicht mehr so isoliert da und bekommen politische Entwicklungen viel schneller mit. Dafür gilt aber auch das schweizerische Weingesetz und mithin ist die Schweizer Weinhandelskontrolle (SWK) auch im Ländle Kontrollinstanz. Ähnlich wie in der Deutschschweiz sorgen der Besiedelungsdruck, die Klimaerwärmung und die gesellschaftlichen Entwicklungen auch im Fürstentum für neue Herausforderungen. Nach dem Wegfall des Weinguts Castellum gäbe es gemäss Hoop für einen vierten Betrieb Platz, doch beim Nachwuchs hapert es dies- wie jenseits des Rheins. «Ein Schnupperstift wird bei uns bald wie ein König hofiert», schmunzelt Hoop.

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