© Agroscope

«Witta», «Wisper» und «Wally»: drei neue Mehrfachnutzungsapfelsorten aus Wädenswil

Der Apfel wird weltweit intensiv beforscht. Ziel der Apfelzüchtung ist es, krankheitsrobuste Sorten für den Nieder- und Hochstammanbau zu entwickeln. Nun hat Agroscope drei neue vielversprechende Sorten vorgestellt. Wie «Witta», «Wisper» und «Wally» entstanden sind und was ihre Sortensteckbriefe auszeichnet, beschreibt Simone Bühlmann-Schütz.

Artikel von:
Simone Bühlmann-Schütz
Agroscope, Wädenswil
Luzia Lussi
Agroscope
Perrine Gravalon
Agroscope
Thomas Blum
Agroscope
Jonas Inderbitzin
Agroscope
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 03 / 2025 , S. 16

Der Hauptfokus der Züchtung liegt weltweit eindeutig bei der Entwicklung neuer Tafelapfelsorten. Doch nicht jeder in der Schweiz geerntete Apfel endet als Tafelapfel zum Frischverzehr bei den Konsumierenden. Ein Teil der jährlichen Apfelernte (ca. ein Drittel) wird zu Süssmost weiterverarbeitet. Ein beträchtlicher Anteil dieser Tonnagen wird auf Hochstammbäumen in extensiv bewirtschafteten Streuobstwiesen produziert. Robuste, produktive Sorten, die den Anforderungen der maschinellen Verarbeitung gerecht werden, sind auch in diesem Segment gefragter denn je. Die drei neuen robusten Sorten aus Wädenswil – «Witta», «Wisper» und «Wally» – eignen sich zum Anbau als Nieder- und Hochstammbaum und lassen sich auf verschiedenste Art und Weise verarbeiten und geniessen.

Die Geschichte der drei Sorten

Im Rahmen der Apfelzüchtung bei Agroscope entsteht laufend eine Vielfalt an Nachkommen aus spezifischen Kreuzungen. Viele Sortenkandidaten werden über mehrere Jahre auf Herz und Niere geprüft. Nach dem strengen Selektionsprozess mit gezielten Prüfungen zu Anbau, Robustheit, Fruchtqualität und Lagerbarkeit schaffen es nur wenige Neuheiten schlussendlich bis in den Tafelapfelanbau. Dennoch gibt es nebst den neuen Tafelapfelsorten auch immer wieder interessante Zuchtklone, welche sich potenziell für andere Verwendungszwecke eignen, wie z. B. für die Verarbeitung zu Süssmost, Edelbränden, Cider, Dörrobst oder Apfelmus. Der Anbau von Verarbeitungsobst auf Hochstammbäumen in Streuobstwiesen gehört zudem in vielen Regionen der Schweiz zur traditionellen Kulturlandschaft. Nebst der direkten Nutzung leisten die Streuobstwiesen einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Vernetzung sowie Biodiversität und sind Lebensraum für viele (unter anderem auch bedrohte) Tierarten. Seit 2008 konnten im Rahmen von verschiedenen nationalen Projekten (ZUEFOS, ZUEFOS II, GgFB, SOFEM, HERAKLES, HERAKLES Plus) einige interessante krankheitsrobuste Zuchtklone in extensiv bewirtschafteten Obstanlagen, sowohl als Niederstamm als auch auf Hochstamm, gepflanzt und über mehrere Jahre an verschiedenen Standorten beurteilt werden. Nun wurden die drei Sorten «Witta», «Wisper» und «Wally» nach einer jahrelangen Prüfung im Feld im engen Austausch mit den kantonalen Fachstellen (TG, SG, ZH), Kolleginnen und Kollegen vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Baumschulen (Lehner und Scherrer), Produzentinnen und Produzenten sowie Verarbeitungsunternehmen ausgewählt und in Zusammenarbeit mit der VariCom GmbH für den Anbau in der Schweiz herausgegeben.

Verarbeitung der Früchte

Die Verarbeitung zu sortenreinem Süssmost, Cider, Edelbrand, Apfelmus und Dörrobst erfolgte aus der Ernte 2023 und 2024. Vor der Ernte 2023 wurden die drei Sorten zusammen mit anderen interessanten Kandidaten für die Mostobstproduktion ausschliesslich zu Süssmost verarbeitet. Dazu wurden die Früchte jährlich an den verschiedenen Standorten zum optimalen Reifezeitpunkt für die Verarbeitung geerntet. Danach erfolgte nach einer kurzen Lagerung im Kühlraum die Weiterverarbeitung von mindestens 25 kg Früchten pro Verfahren im Technikraum der Forschungsgruppe «Nacherntequalität pflanz­licher Produkte» am Standort Wädenswil. Für die Verarbeitung zu Süssmost und Cider wurden die Äpfel (inklusive der Kontrollsorte «Boskoop») mit einer Packpresse gepresst und unter Zugabe von Pektinasen über Nacht bei 8° C sedimentiert. Für den Süssmost erfolgte am nächsten Tag der Trubabstich, die Abfüllung sowie die Pasteurisierung. Beim Cider erfolgte nach dem Trubabstich die Beimpfung mit der Reinzuchthefe 1895 C (Lallemand). Am Ende (Restzuckergehalt < 2 g/L) der kontrollierten Gärung (bei 18° C) wurden die Cider von der Hefe abgestochen, spundvoll gemacht und bei 8° C gekühlt. Nach sieben Tagen konnte die Feinhefe abgezogen werden und die Cider wurden mit 6 g/L CO2 karbonisiert, abgefüllt und pasteurisiert. Die Verarbeitung der Destillate erfolgte analog jener aus dem Projekt NUVOG (Blum et al., 2022) mit der Sorte «Gravensteiner» als Referenz. Bei einer ausreichenden Fruchtmenge konnten in einigen Jahren zusätzlich grössere Mengen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil auf einer Presse mit Drainageelementen (mind. 250 kg), beim Strickhof in Lindau mit einer Bandpresse (mind. 300 kg) oder am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen (LZSG) auf einer Bandpresse (mind. 100 kg) zu Süssmost verarbeitet werden. Das sortenreine Apfelmus, inklusive der Kontrollsorte «Boskoop», wurde in der Agroscope-internen Laborküche in Kleinmengen (2 bis 5 kg Früchte) nach Rezept aus der Industrie hergestellt. Die getrockneten Apfelringe, inklusive der Kontrollsorte «Idared», wurden durch den Betrieb Eichenberger Obst in Uhwiesen (ZH) verarbeitet und getrocknet. Anschliessend wurden alle Produkte im geschulten Sensorikpanel von Agroscope verkostet und die Getränke im Labor analysiert (Tab. 1). Der mehrjährige Datensatz aus dem Labor und Sensorikpanel kann bei Interesse bei den Autoren nachgefragt werden. Folgend werden die drei Sorten, deren Sortensteckbriefe sowie ihre Vor- und Nachteile (Tab. 2) aufgelistet.

 

 

Witta (ACW 11303)

Der gesunde Baum von «Witta» verfügt über die Rvi6-Schorfresistenz (Vf) und erweist sich zusätzlich als robust gegen Feuerbrand und Mehltau. Der Baum weist einen mittelstarken Wuchs auf und liefert regelmässig mittlere bis hohe Erträge und zeigt eine schöne sowie stabile Krone als Hochstamm. Die Früchte reifen ca. eine Woche nach «Braeburn», je nach Standort. Die sehr festen, nahezu komplett rot gefärbten Äpfel lassen sich gut lagern und zeigen eine gute Pressbarkeit, eine hohe Saftausbeute und einen trockenen Trester in der Verarbeitung. Der dunkelgelbe Saft zeichnete sich durch eine frischfruchtige Aromatik und eine relativ hohe Aromaintensität aus. Aufgrund des geringen Säuregehalts wird er sensorisch als ausgeprägt süss wahrgenommen. Die süssen, sehr festen Äpfel lassen sich gut zu Dörrobst verarbeiten und schmecken auch als Tafelapfel oder Apfelmus, wobei das sortenreine Apfelmus etwas grobkörnig ausfällt. Im Cider zeigte sich die dezente Säure und geringe Adstringenz aus dem Saft, während die Fruchtaromatik exotische Noten aufweist, die von buttrigen und nussigen Nuancen ergänzt wird. Der Brand zeichnete sich durch eine langanhaltende Aromatik aus, in der wiederum die exotischen Fruchtaromen erkennbar sind.

Wisper (ACW 15097)

Der gesunde Baum von «Wisper» verfügt über die Rvi6-Schorfresistenz (Vf), die Pl1-Mehltauresistenz und erweist sich zusätzlich als robust gegen Feuerbrand. Der Baum ist mittel bis stark wüchsig (triploid) und liefert regelmässig mittlere bis hohe Erträge. Als Hochstamm bildet er eine grosse Baumkrone aus mit teilweise dünnen und hängenden Ästen. Die Früchte reifen teilweise inhomogen, gestaffelt von Ende September bis Anfang Oktober (+/− mit «Golden Delicious»). Die grossen wohlschmeckenden Früchte lassen sich gut als Tafelobst, Dörrobst oder als Apfelmus geniessen. Der Süssmost von «Wisper» ist hellgelb, fruchtig, mit einem ausgeglichenem Zucker-/Säure-Verhältnis und einer leichten Herbe. Der Cider weist eine mittlere Aromaintensität auf und zeichnet sich durch eine vielschichtige, langanhaltende Aromatik bei mittlerer Säure aus, während der Brand ein fruchtbetontes Aroma mit ausgeprägten Beerennoten zeigt.

Wally (ACW 16426)

Der gesunde Baum von «Wally» besitzt eine Schorf- (Rvi2) und Mehltauresistenz (PI2) sowie eine hohe Robustheit gegen Feuerbrand (FB_F7). Der Baum ist mittelstark wüchsig, zeigt eine gute Garnierung, eine stabile, kompakte Krone als Hochstamm und einen frühen Ertragseintritt mit regelmässigen, mittleren bis hohen Erträgen. Die Früchte reifen Mitte Oktober (+/− mit «Braeburn»). Aufgrund der weichen Früchte wird eine sofortige Weiterverarbeitung nach maschineller Ernte empfohlen. Der strukturbetonte Saft ist hellgelb, mit frischfruchtiger, dezent pflanzlicher Aromatik. Wegen seines hohen Säuregehalts ist er ein guter Mischpartner in der Verarbeitung, jedoch nicht für den Frischkonsum als Tafelapfel oder sortenreines Apfelmus geeignet. Die getrockneten Apfelringe werden von säureliebenden Personen sehr gemocht. Die frischfruchtige Primäraromatik ist im Cider deutlich ausgeprägt, begleitet von einem hohen Säuregehalt, während im Brand eine zusätzlich pflanzliche Note erkennbar wird.

 

Fazit

Die drei neuen Sorten «Witta», «Wisper» und «Wally» bieten mit ihren positiven Eigenschaften für die Produktion und Verarbeitung eine willkommene Alternative zum bestehenden Sortenkatalog und stossen auch international auf Interesse.

Dank

Die Forschungsgruppe «Obstzüchtung» bedankt sich bei allen ehemaligen Mitarbeitenden, beim Obstbau-Team Agroscope in Wädenswil, bei der Familie Schilliger (Niederglatt) und Staub (Wädenswil), bei den Kantonalen Fachstellen ZH, TG, SG, bei den Kollegen vom FiBL, dem Betrieb Eichenberger Obst sowie den Baumschulen Lehner und Scherrer für die tolle Zusammenarbeit. Ein zusätzlicher Dank geht an das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) für die finanzielle Unterstützung der Drittmittelprojekte rund um die Entwicklung und Nutzung der Mehrfachnutzungssorten, an die VariCom GmbH und ihre Gesellschafter sowie an die Projektpartner des Projekts «HERAKLES Plus».

Literatur

Blum T., Andreoli R., Inderbitzin J. Schierscher J., 2022: Destillate aus alten Apfelsorten – eine Bereicherung. Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau 15/22, S. 12–14.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert