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«Alkoholfreie Weine von Winzerbetrieben aus der Region würden sich wie ‹warme Weggli› verkaufen»

Interview mit Lua Rodrigues, stellvertretende Leiterin des Getränkemärts Urs Rauch AG in Meilen zum Thema alkoholfreie Weine.

Artikel von:
Andrea Caretta
Obst+Wein
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 17 / 2023 , S. 14

O+W: Wie hat sich die Nachfrage nach alkoholfreien Weinen in den letzten Jahren entwickelt?
Lua Rodrigues: Kurz gefasst: Stark zunehmend, die Absatzzahlen im Verkauf und die Nachfragen der Kundschaft sind explosiv gestiegen. Der aktuelle Trend ist der alkoholfreie Glühwein. Unsere Kundschaft fragt seit dem ersten kälteren Tag regelmässig danach. Dies war letztes Jahr noch nicht der Fall. Da war der Punsch die alkoholfreie «Glühwein-Variante». Dementsprechend haben wir uns auf die Suche gemacht und wurden auch fündig. Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt.

 

Welche Trends im Bereich alkoholfreier Getränke beobachten Sie aktuell auf dem Markt?
Unsere Kundinnen und Kunden suchen nach exklusiven Produkten, die nicht 08/15 sind. Etwas, das man noch nicht lange kennt und das auch noch nicht lange auf dem Markt ist. Man möchte den Gästen zu Hause ein spezielles Produkt auftischen; so etwas ist derzeit gefragt. Das darf dann auch einiges kosten. Unsere Kundschaft ist relativ mutig und wagt sich auch mal an ein Produkt für Fr. 30.–, obwohl sie es noch nicht kennt.

 

Welche Art der alkoholfreien Getränke verkaufen sich besonders gut?
Wir haben etwa 30 verschiedene Produkte (Wein und Spirituosen) im Sortiment. Der Schaumwein verkauft sich sehr gut, dabei ist der Rosé-Schaumwein unser Topseller. Er ist fruchtig, was ihm mehr Körper als dem weissen Schaumwein verleiht. Auch der alkoholfreie Weisswein oder Rosé verkaufen sich nicht schlecht. Oder Mixgetränke ohne Alkohol, wie «Spritz Alternative». Getränke im Segment «low and no» (mit wenig Alkohol, z.B. Weine mit sechs Prozent Alkoholgehalt) verkaufen sich nicht sehr gut. Unsere Ladenbesucher bevorzugen Getränke mit dem gewohnten Mass an Alkohol oder ohne, wie wir festgestellt haben. Am wenigsten gut verkauft sich der alkoholfreie Rotwein. Da fehlt es immer noch an Struktur.

 

Wie gehen Sie mit den Herausforderungen des Geschmacksprofils bei alkoholfreien Weinen um?
Beim alkoholfreien Rotwein wird noch einiges passieren müssen. Momentan ist es noch schwierig, ein überzeugendes Produkt zu finden. Wir haben schon viele Weine degustiert, doch nur bei einem waren wir einigermassen überzeugt. Wir stellten fest, dass die Meinungen über diesen Wein bei unseren Kunden geteilt sind. Die eine Hälfte schüttelt resigniert den Kopf und die andere sagt: «Der passt mir» und kommt wegen genau diesem Produkt wieder in den Laden. Es ist spannend. Ehrlichkeit gegenüber der Kundschaft spielt diesbezüglich eine zentrale Rolle.

 

Sehen Sie Potenzial für weitere Innovationen im Bereich alkoholfreier Weine?
Auch bei der Regionalität muss es vorwärts gehen. Die Kundschaft sucht vermehrt nach regionalen Weinen, denn Regionalität ist in dieser Gegend enorm gefragt. Ich bin mir sicher, alkoholfreie Weine von Winzerbetrieben aus der Region würden sich wie «warme Weggli» verkaufen.

 

Spielt das Alter der Kundschaft bei alkoholfreien Getränken eine Rolle?
Es sind vermehrt junge Leute, die nach alkoholfreien Produkten fragen. Freilich haben wir auch ältere Kundschaft, die alkoholfreie Getränke sucht, aber die Jungen überwiegen. Sie sind konsequenter und gesundheitsbewusster als früher.

 

Zur Person

Lua Rodrigues liebt den als Familienbetrieb geführten Laden, den Getränkemärt Urs Rauch, über alles – sie hat sich «blind» um eine Anstellung beworben. Jetzt ist sie unter anderem für den Wein- und Spirituoseneinkauf zuständig; Weinverkauf ist ihre Leidenschaft. Nach der Lehre als Restaurationsfachfrau EFZ bildete sich die zweifache Mutter bei «Wine & Spirit Education Trust» (WSET 1 bis 3 in London) weiter und ist aktuell im dritten Semester der Weinakademiker-Ausbildung.

Lua Rodrigues. (© O+W)

 

 

Welche Marketingstrategien setzen Sie ein, um alkoholfreie Weine zu bewerben?
Wir platzieren sie sehr gezielt und haben ein gut sichtbares Regal mit all unseren alkoholfreien Produkten ausgestellt. Dieses Regal liegt weit oben und man sieht es von überall her. Wenn Kundschaft in den Laden tritt und fragt: «Wo habt ihr …», können wir einfach in Richtung dieses Gestells zeigen. Die Interessierten wissen Bescheid und sehen gleich die gesamte Palette. Das funktioniert gut. Ausserdem nutzen wir die sozialen Medien. Wir erinnern unsere Konsumenten mit Fotos und Texten daran, was wir alles im Sortiment haben. Wenn wir samstags keine Degustation geplant haben, sind wir für Kundenwünsche offen. Der erste Kunde oder die erste Kundin darf sich wünschen, was wir degustieren.

 

Bieten Sie Verkostungen oder Schulungen zu alkoholfreien Weinen an, um das Bewusstsein und das Verständnis bei der Kundschaft zu fördern?
Schulungen bieten wir keine an. Aber wir organisieren regelmässig Themen-Degustationen wie beispielsweise «Cocktails ohne Alkohol». Dabei zeigen wir oder eine Fachperson den Interessierten, wie man mixen kann. Zudem stellen wir im Dezember ein beheiztes Zelt auf und bieten jeden Freitag und Samstag Degustationen an. Dabei soll es unkompliziert zu- und hergehen. Das Produkt steht im Mittelpunkt. Angebote dieser Art sind uns wichtig und kommen bei der Kundschaft gut an.

 

Haben Sie spezielle Empfehlungen für alkoholfreie Weine, die gut mit bestimmten Speisen harmonieren?
Das mit dem Food-Pairing ist eine schwierige Frage. Dem alkoholfreien Wein fehlt einfach die Power. Bei Apéros mit kleinen Knabbereien sehe ich kein Problem. Aber als Begleitung eines Essens ist es nicht ganz so einfach. Ist das Essen zu schwer, geht der Wein unter und verliert sich. Sushi, Fisch oder Poulet gehen, aber sobald es in Richtung Rindfleisch, Saucen mit Knoblauch oder Zwiebeln geht, sehe ich ein Problem. Wenn das Essen und der Wein gleichzeitig ihre besten Seiten zeigen sollten, ist es nicht einfach.

 

Wie sehen Sie die Zukunft des Markts für alkoholfreie Weine?
Ich bin mir sicher, dass in allen Bereichen weitere Produkte hinzukommen werden. Ich hoffe auf regionale Weine, denn diese sind gefragt. Der Bedarf wird bleiben und sich sogar noch steigern, davon bin ich überzeugt.

 

Wie reagiert Ihre Kundschaft auf alkoholfreie Weine, insbesondere während des «Dry Januarys»?
Die Kundinnen und Kunden sind offen. Den Dry January gibt es in der Schweiz noch nicht lang. Doch gibt es bereits Kunden, die ins Geschäft kommen und mir mitteilen, dass sie jetzt einen Dry March oder November anhängen. Es ist ein gesunder Trend; die Leute fühlen sich als Teil einer Gemeinschaft und die Anhängerschaft wächst rapid. Im ruhigen Januar wird diesbezüglich viel gekauft. Kundinnen kommen extra in den Laden, weil sie wissen, dass im Januar eine besonders breite Palette von alkoholfreien Getränken angeboten wird. Sie freuen sich und wir uns auch.

 

Haben Sie spezielle Aktionen oder Angebote für alkoholfreie Weine während des Dry Januarys?
Ja, einerseits wird der Wein des Monats alkoholfrei sein und anderseits werden der Weisse, Rosé und Schaumwein im Angebot sein. Wir gehen mit dem Trend Dry January mit, stellen beim Eingang aus und geben zehn Prozent Rabatt auf Produkte dieser Art. Insbesondere führen wir diesbezügliche Degustationen durch, denn solche Events bewähren sich.

 

Vermuten Sie, dass der Trend zu alkoholfreien Getränken während des Dry Januarys langfristig anhalten wird?
Ja, ich vermute, dass dies so bleiben wird. Die Idee ist ja gut. Im Dezember legt man durch das viele Essen und den Alkohol an Gewicht zu; wer ist im Januar schon in Topform? Diese Art von Entgiften und Abnehmen in einem von zwölf Monaten macht Sinn und hat mit Achtsamkeit zu tun. Der Trend wird bleiben oder sogar auf weitere Monate im Jahr ausgebaut.

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