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Esca – starker Anstieg an Erkrankungen

Esca oder die «Grapevine Trunk Desease» ist seit der Antike bekannt. Sie ist eine von holzzersetzenden Pilzen herrührende, irreversible Rebkrankheit, die häufig das Absterben der Pflanze zur Folge hat. Seit es auch hierzulande häufiger zu Trockenstress kommt, hat auch der Esca-Befall zugenommen. Gibt es Therapien?

Artikel von:
Markus Matzner
O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 06 / 2024 , S. 18

Nur selten überlegen sich Winzerinnen und Winzer, welch Dramen sich abspielen, während sie durch die Reben streifen und ihre Pflanzen beim Gedeihen beobachten. Denn das, was das Auge bemerkt, ist nur ein kleiner Bruchteil von dem, was wirklich geschieht. Und wenn das Auge doch etwas sieht, ist es häufig schon zu spät. Gerade bei vielen Pilzkrankheiten kämpfen die Pflanzen wochen-, teilweise sogar monatelang im Verborgenen gegen die Eindringlinge, die, so paradox es anmutet, den Ast absägen, auf dem sie sitzen. Denn nichts anderes tun die holzverarbeitenden Pilze, die auch das Phänomen Esca verantworten. Während sie für unzählige Prozesse in der Natur unerlässlich sind (Abbau von Totholz), zerstören sie in diesem Fall ihren Wirt. Sie zersetzen das Lignin, sodass die Wasserleitbahnen unpassierbar werden. Gemäss Yannick Wagner vom Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg (AG) gibt es immerhin 150 verschiedene Arten, die der Gruppe der saprophytischen Pilze angehören. Sie produzieren Sporen, die zwischen März und November aktiv sind und auf den Reben keimen. Als Eindringling wandern die Pilze durch natürliche oder künstlich geöffnete Spalten ins Innere des Rebholzes und breiten sich da aus, bis die Nähstoffversorgung zum Erliegen kommt. Die Rebe verdurstet buchstäblich und die Trauben vertrocknen und gleichen schon im frühen Stadium Rosinen (Abb. 1a und b). Damit das prüfende Auge des Menschen vollends zum verlachten Statisten mutiert, bietet die Natur ein erstaunlich farbintensives Spektakel, das nichts anderes als den irreversiblen Todeskampf der Pflanze untermalt. Man spricht bei Esca vom typischen Tigermuster (Abb. 2), da sich die Nekrosen (das absterbende Gewebe) schnell vergrössern und tigerartige Streifen bilden. Lediglich die Blattadern bleiben grün, rund herum verdorrt es. Das Bild ähnelt einem Fluss, der durch die Wüste fliesst und hier und da eine Oase bildet. Letztlich werden die braunen Anteile immer grösser und das Blatt zerbröselt zwischen den Fingern. Damit man diesen Zustand in Herbst und Winter nicht aus den Augen verliert, ist dringend eine Markierung der betroffenen Stämme angezeigt.

Abb. 1a: Von Esca gezeichneter Rebstock; 1b: Typische Auswirkungen des fortgeschrittenen Dürrestadiums bei den Traubenständen. (© Agroscope)

 

Abb. 2: Typisches Tigermuster auf den Blättern zeigt an, dass es sich um Esca handelt. (© O+W)

 

Diagnose

Die Wissenschaft unterscheidet zwischen der akuten Form (Apoplexie) und dem chronischen Verlauf. Im ersteren Fall kann es durchaus vorkommen, dass die Rebe mitten im Sommer plötzlich und irreversibel den Geist aufgibt. Die Traubenstände bilden zuerst schwarze Flecken («Black Measles»), ehe sie verdorren (Abb. 3). Die Blätter werden mürbe und aus den Schnittflächen des Holzes tritt eine teerartige Substanz aus, was eine pflanzeneigene Abwehrreaktion darstellt. Aber auch sie kann nicht verhindern, dass das Holz im Innern regelrecht zersetzt wird und eine «zunderartige» Konsistenz erhält. Genau in diesem Phänomen steckt auch die lateinische Bezeichnung der Krankheit, denn Esca bedeutet «Zunder» und war schon den Römern bekannt.

Abb. 3: Vor dem Vertrocknen bilden sich auf den Trauben schwarze Flecken. (© Agroscope)

 

Bei der chronischen Form kann es sein, dass die Rebe mehrere Jahre überdauert, ohne vollständig einzugehen. Manchmal kann es sogar zu einer spontanen Genesung kommen. Ähnliches wird auch von anderen Krankheiten wie der Schwarzholzkrankheit berichtet, sodass man unter Umständen eine Saison lang gar keine Beeinträchtigungen bemerkt.

Ende der Symbiose

Somit stellt sich die Gretchenfrage: Wenn man weiss, dass rund 70 % aller Reben diese holzzersetzenden Pilze in sich tragen, warum bricht Esca nicht viel häufiger aus? Antworten dazu gab Peter Nick, Professor am Karlsruher Institut für Technologie, anlässlich der FiBL-Bioweintagung vom 13. März. In eindrücklichen Worten schilderte er, wie man sich das Szenario (vereinfacht) vorzustellen hat: Die Rebe lebt mit den Pilzen in einer symbiotischen «Beziehung». Die Pilze bilden Hydroxyphenyl-Essigsäure (Mandelsäure), welche die Pflanze zur Bildung von Wachstumshormonen benötigt und gleichsam antibakteriell wirkt. Im Gegenzug finden sie einen Wirt, der sie mit allem versorgt, was sie benötigen. Die Pilze leben, wie es Nick formulierte, «zölibatär», verzichten also auf sexuelle Aktivitäten und bilden daher auch keine Fruchtkörper, um sich zu vermehren. Alles ist gut und stabil, bis der Wirt aufgrund äusserer Stressfaktoren (z.B. Wasserknappheit oder Hitze) ernstlich bedroht wird. Dann schalten die Pilze in den Überlebensmodus und machen sich parat, «um das sinkende Schiff zu verlassen», wie es Nick anschaulich erklärte. Die Folge davon: Sie bilden vermehrt Ferulasäure, die im gesunden Zustand zur Verholzung der Triebe benötigt wird. Unter Stress kann die Rebe diese Säure nicht mehr genügend einbauen, sodass sich ein Pilztoxin bildet (Fusicoccin). Dies führt zur irreversiblen Öffnung der Stomatas (Spaltöffnungen), was die Verdunstung massiv erhöht, bis die Pflanze verdorrt. Gleichzeitig aktivieren die Pilze die Sporenbildung, um ihr Überleben zu sichern. Letztere werden mit dem Wind zu anderen Reben getragen, wo sie dank Wundöffnungen (Rebschnitt) eintreten können.

Gehäuftes Auftreten sortenbedingt?

Da das Problem immer stärker um sich greift, sehen sich auch die kantonalen Beratungsstellen herausgefordert, zumal bei Weitem nicht nur ältere Stöcke betroffen sind, sondern durchaus auch junge. Das Gefühl vieler Winzer trügt nicht, wonach gewisse Sorten anfälliger auf Esca sind als andere. Gemäss einer Studie von Arne Böddingmeier (Staatliches Weinbauinstitut Freiburg, 2018) scheinen Burgundersorten weniger anfällig zu sein als z.B. Müller-Thurgau-Reben. Jedoch variieren die Zahlen und Befunde erheblich. Am empfindlichsten schnitt in besagter Studie der Sauvignon blanc ab, was sich auch mit dem Bauchgefühl vieler Winzerinnen in unseren Breiten deckt.

Behandlung

Gibt es bei anderen Pilzkrankheiten chemische oder physikalische «Therapien» (z.B. Kupfer/Schwefel-Brühen bei Mehltau), nützt es bei Esca leider herzlich wenig, wenn man die Eintrittspforten mittels Desinfektionspasten behandelt. Immerhin kann man dafür fast ausschliessen, dass es zu direkten Übertragungen durch Rebscheren oder -sägen kommt (Abb. 4).

Abb. 4: Die Pilzsporen werden nicht durch Schere und Säge übertragen. (© O+W)

 

Da aber die Esca-Pilze letztlich ins Gewebe der Rebe eindringen müssen, um ihr verheerendes Handwerk auszuleben, ist der Mensch eben doch verantwortlich für die meisten Infektion, schlicht, weil er im Winter die Reben schneidet. Gerade beim Schnitt auf altem Holz ist die Rebe nicht mehr fähig, die Wunden selbsttätig zu schliessen. Aus diesem Grund wird der Esca-schonende Rebschnitt propagiert, bei dem ausschliesslich das letztjährige Holz geschnitten wird. Die Schnittwunden des letztjährigen Holzes können von der Pflanze noch verschlossen werden. Ältere Wunden hingegen nicht mehr. Das nennt sich Esca-vorbeugender Rebschnitt (s. Kästchen) oder eben «Sanfter Rebschnitt» (s. Artikel Mit sanftem Schnitt zu gesunden Reben). Sind die Stöcke jedoch infiziert und Esca bricht aus, funktioniert meist nur noch die «radikale» Methode. Anstelle eines Ausreissens der Rebe kann versucht werden, mittels Stammsanierung zu arbeiten (Amputation des Stammkopfs), sofern die verräterischen schwarzen Verfärbungen im Holz nicht tiefer reichen (s. Kästchen in Artikel Mit sanftem Schnitt zu gesunden Reben). Wenn das der Fall ist, muss weiter unten abgetrennt werden. Ausserdem muss die Rebe noch austriebsfähig sein, um einen neuen Trieb zu bilden. Dieses Vorgehen verlangt notwendiges Wissen und viel Handarbeit. Wenigstens erreicht die Rebe im besten Fall schon bald wieder ihren Normalertrag, wogegen die Neupflanzung um einiges langwieriger und daher auch teurer ist.

«Alternative» Methoden zur Esca-Bekämpfung

Es überrascht nicht, dass gegen die Esca-Krankheit alternative Bekämpfungsmethoden gesucht werden. In gewissen Ländern bekämpfte man früher das Problem mit Arsenit, was wahrscheinlich auch zu unerwünschten Vergiftungserscheinungen beim Anwender führte. Noch heute setzt man in Portugal zum Beispiel auf Kupfer-Injektionen, die direkt in den Rebstamm erfolgen. Allerdings kann bislang nicht mit wissenschaftlichen Belegen aufgewartet werden, die die Wirksamkeit beweisen. In einigen Bio-Betrieben treibt man Kupfernägel ins Holz. Dies aufgrund der simplen Tatsache, dass Kupfer grundsätzlich eine Wirkung gegen Pilze zeitigt, doch der Nutzen ist auch da unklar. In Teilen Spaniens und im Südwesten Frankreichs wird chemisch mit Wasserstoffperoxid-Injektionen (H2O2) gearbeitet. Die Anwendung erfolgt bei erkrankten Pflanzen nach dem Rebschnitt in ein Bohrloch (Winkel 35–40 °) zur Versiegelung. Auch da ist der wissenschaftliche Beleg noch nicht erbracht. Auf Wundbehandlungen setzt naturgemäss die chemische Industrie. Dadurch soll eine Barriere gegen die Pilzsporen errichtet werden, um sie am Eindringen zu hindern. Auch wenn in Versuchen die Wirksamkeit gezeigt werden konnte, sind noch keine Mittel zugelassen, somit steht auch die Praxistauglichkeit noch aus. Vor wenigen Jahren setzte man grosse Hoffnungen auf die Behandlung mit Trichoderma-Pilzen. Ähnlich wie bei einer Impfung sollten die «guten» Pilze die «bösen» verdrängen. In den Zehnerjahren wurden Versuche mit dem Produkt Vintec gemacht, das mit dem Trichodermastamm Atroviride SC1 arbeitet. Die ersten Daten zeigen eine beachtliche Reduktion der Stockausfälle um 60 %, dennoch ist das Produkt nach wie vor nicht zugelassen. Einen pragmatischen Zugang zur Bekämpfung des Esca-Problems bietet der Esca-vorbeugende Rebschnitt, auch sanfter Rebschnitt genannt. Kurse hierzu gibt es u.a. bei der Rebschule Meier (admin@rebschule-meier.ch).

Literatur

Böddingmeier A., 2018: Auswirkungen der Esca-Krankheit auf Rebe & Wein, WBI

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