© O+W

Fruchtwelt Bodensee 2024: Zwischen Innovation und Existenzangst

Die Fruchtwelt-Bodensee in Friedrichshafen (D) ist auch für Schweizer Obstproduzierende und Destillateure ein guter Ort, um sich über die Neuheiten und Entwicklungen in ihren Branchen zu informieren. Die europaweiten Bauernproteste waren auch hier ein Leitthema. Immerhin blieb die Stimmung friedlich.

Artikel von:
Markus Matzner
O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 04 / 2024 , S. 6

Die Fruchtwelt Bodensee in Friedrichshafen, die nach nur einem Jahr vom 23. bis 25. Februar stattgefunden hat, zählt zu den grössten Messen im Bereich Obstbau und Destillate-Technik. Gemäss Veranstalter sollen 13 250 Besucherinnen und Besucher – viele davon mit «Kind und Kegel» – die weitläufige Ausstellung frequentiert haben, die in vier Hallen und auf dem Freifeld stattfand, wo grosse Traktoren und Erntemaschinen präsentiert wurden. Als Aussteller – die O+W betrieb einen Stand zusammen mit der Extension Obstbau von Agroscope – erschien der Aufmarsch jedoch geringer als im Vorjahr. Besonders an den Nachmittagen herrschte teilweise gähnende Leere. Ob umsatzmässig von einem Plus gesprochen werden kann, wird sich für die 350 Ausstellerfirmen wohl erst in den kommenden Wochen und Monaten zeigen.

Es gärt bei den Bauern

Dessen ungeachtet stand wie ein grosses Überthema die produktionsspezifische Preisproblematik im Raum. In vielen Gesprächen wurde der Zerfall der Preise, der in keinem Verhältnis zu den steigenden Produktionskosten steht, thematisiert. Viele Bauern und Bäuerinnen machen nicht mehr nur die Faust im Sack, sondern sind bereit, zur Sicherung ihres Überlebens auf die Barrikaden zu gehen. Folgerichtig stiess der eingeladene, deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir auf grosse Aufmerksamkeit. Während zeitgleich in Paris die Landwirte auf den französischen Präsidenten Macron losgingen, erlebte Özdemir einen relativ freundlichen Empfang. Das lag wohl auch daran, dass er in seinem Kurzreferat markige Worte fand. Während in ganz Deutschland seit Wochen Bauernproteste auf die Ampelregierung zielen, konnte sich der grüne Özdemir einen Ruf als Anwalt der Bauern erhalten. Doch auch bei seinem Auftritt wiesen zaghaft im Hintergrund agierende Demonstranten mit Transparenten auf die desolate Landwirtschaftspolitik der EU hin (Einstiegsbild).

Özdemirs Credo war klar: «Ich gehe immer gerne raus aus dem Ministerium und komme schlauer zurück. Bei meinen Gesprächen und dem Messerundgang konnte ich erleben, wie innovativ die Obstbaubranche ist. Ihre Stimme ist wichtig und ich freue mich, wenn Sie Ihre Position einbringen. Nachhaltiger Obstbau soll sich heute und auch in 20 oder 50 Jahren lohnen. Dafür werde ich mich weiter einsetzen.» Durchaus kritisch griff er im Folgenden das GAP-Abkommen (GAP: Gemeinsame Agrarpolitik) der EU an. Mit immerhin 40 % des Gesamtbudgets stellt die GAP den zweitgrössten Haushaltsposten der EU. Özdemir unterstrich seinen Willen, gegen die ausufernde Bürokratie zu kämpfen und gleichzeitig einen «vernünftigen» Absenkpfad in Sachen Pflanzenschutzmitteln zu ermöglichen. Dennoch sah er sich auf Antrag eines Jungbauern aus Schwaben nicht imstande, das Wort «Pestizid» zugunsten des Begriffs «Pflanzenschutzmittel» aus seinem Vokabular zu streichen. Da drückte dann doch die grüne Gesinnung durch. Immerhin attestierte er der Bauernschaft, dass sie in Sachen Diversität schon Grosses geleistet habe und es auch zukünftig nicht ohne sie gehen werde. Ähnlich wie bei uns Kantonsvertreter aufgebrachten Bürgern versprechen, «z’Bern obe» für sie zu kämpfen, verabschiedete sich der gut bewachte Özdemir mit den kämpferischen Worten, er wolle in Brüssel einmal mehr die Mitsprache der Basis einfordern. (Das zwischenzeitlich abgehaltene Treffen der Landwirtschaftsminister erzielte jedoch gemäss Presseberichten kaum einen Fortschritt.)

Wo der Schuh drückt

Es ist vielleicht ein bezeichnendes Phänomen von Messen, dass zwischen den auf Hochglanz polierten Gerätschaften und Maschinen, die sich im besten Licht präsentieren, auch Raum für kritische Diskussionen entsteht. Während sich der eine oder die andere gern eine technologische Verbesserung im Betrieb gönnen und hierfür auch tief ins Portemonnaie greifen möchte, mahnt der Sorgenbarometer zum Masshalten. Eine junge Biobäuerin aus der Umgebung von Ravensburg brachte es im Gespräch mit der O+W auf den Punkt: Die Leute hätten verlernt, dass Lebensmittel im Grunde genommen «Mittel zum Leben» seien. Sie würden nur noch Billigprodukten hinterherrennen und darob vergessen, dass die Herstellung von guten und gesunden Produkten nicht gratis sei. Derzeit, so monierte die kämpferische Dame, würden sie für ein Kilogramm Tafelkirschen noch € 2.80 erhalten. «Ab Hof», so fügte sie an, um beim Schweizer Zuhörer keine falschen Schlüsse zuzulassen. Da seien nicht mal mehr die Lohnkosten gedeckt. Schuld sei auch hier die Ampelregierung, die den Mindestlohn auf € 12.80 erhöht habe. Auf die Frage, ob man bei Bio nicht mehr verlangen könne, verneinte sie vehement. Die Leute würden sofort in die Supermärkte gehen und die Hofläden links liegen lassen. «Gerade weil es keinen Zollschutz, wie ihn die Schweiz kennt, gibt, überschwemmen im Sommer türkische Kirschen den Markt», und empört fügt sie an: «Die können erst noch mit billigen Pflanzenschutzmitteln arbeiten, die in der EU verboten sind, obschon sie hier hergestellt werden.» Die Bäuerin, die keineswegs fundamentalistisch oder anfällig auf Verschwörungstheorien wirkte, schloss mit den Worten, dass sie nicht sicher sei, ob eines ihrer Kinder den Hof noch werde übernehmen können. Derzeit würde sie davon abraten, einen landwirtschaftlichen Beruf zu erlernen. Damit knüpfte sie nahtlos bei der offiziellen Bürgerbefragung an, deren Ergebnisse unlängst erschienen sind. Demnach finden nur noch 27 % der Deutschen, dass es der Staat gut mache. 77 % der Menschen gaben an, die Regierung sei überfordert und werde zwischen den politischen Positionen aufgerieben. Bundeskanzler Scholz halten nur 20 % für fähig. Ein Wert, der für jede Wiederwahl Gift ist.

Nun wieder zwei Jahre Abstand

Es wird sich weisen, was sich bis zur kommenden Austragung der Fruchtwelt 2026 ereignen wird. Klar ist, dass nun wieder ein zweijähriger Abstand eingehalten wird. Immerhin erscheint das Fazit des Bayerischen Obstzentrums als vorsichtig optimistisch. Der Sprecher meinte gegenüber dem Veranstalter: «Wir sind erstaunt, dass trotz der eigentlich recht schlechten Stimmung in der Branche die Nachfrage so gut ist.»

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert