© HES-SO Changins

HES-SO Changins feiert 75 Jahre

Die Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum von Changins, der Hochschule für Weinbau und Önologie, fanden über drei Tage statt. Die Gäste – am ersten Tag waren es Geladene aus Politik und Wirtschaft, am zweiten Berufsleute und am dritten die Öffentlichkeit – konnten in die kleine und feine Weinwelt von Changins eintauchen.

Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 09 / 2023

Besser hätte es für das Organisationskomitee, das die Feierlichkeiten in Changins organisierte, gar nicht kommen können: Sommer, Sonne und das nicht zu knapp – über die ganzen drei Tage. Zum Start der Jubiläumsfeier Mitte Juni zum 75. Jubiläum der HES-SO Changins (Haut école spécialisée de Suisse occidentale), der Fachhochschule für Weinbau und Önologie, durften die geladenen Gäste aus Politik, Bildung und Wirtschaft in die Welt des Weins und des Weinbaus und somit in die Welt von Changins eintauchen. Bevor es die obligaten Reden gab, wurde die Gästeschar in kleine Gruppen aufgeteilt, um drei unterschiedliche Posten anzulaufen. Sie standen unter den Titeln «Mixologie und Geschmack», das «Mikro-Unternehmen» und «Resistenzen». Studierende und Dozierende erklärten, was sie gelernt haben oder lehren und was das Ziel der Forschung in Changins ist.

Posten 1: Aufwertung einer Rebsorte

In einer Bachelorarbeit ging es darum, eine ganz bestimmte Rebsorte bekannter und beliebter zu machen. Die geladenen Gäste konnten anhand einer Blinddegustation drei Mischungen austesten und ihre Resultate dazu in einer Bewertung aufschreiben. Sie sollten bei allen drei Proben herausfinden, was in den Gläsern zusammengemischt wurde. Als zweites sollten sie bewerten, ob sie das Getränk zu süss, genau richtig oder zu wenig süss finden.

Die verantwortliche Studentin mischte jeweils ²/₃ Wein – es ging in diesem Fall um Chasselas – mit ¹/₃ kohlensäurehaltigem Mineralwasser zusammen sowie einem Schuss Früchtesirup: Aprikose, Cassis und Apfel. Die wenigsten der Beteiligten fanden die Früchte heraus. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und so kam der Mix nicht bei allen gleich gut an. Um jedoch einen Wein auch bei einem jüngeren Publikum bekannt zu machen, sei dies eine leichte, süsse und erfrischende Alternative. Die Testerinnen und Tester äusserten allerdings auch Bedenken: Wird dann nicht einfach «günstiger» Chasselas aus dem Ausland importiert, statt der hiesige aufgewertet? Und wertet das den Wein denn wirklich auf? Die meisten waren sich einig, dass sie für so einen «Cocktail» ihre beste Chasselas-Flasche nicht hergeben würden.

Posten 2: Eigenes Produkt von A bis Z

Hier stellten zwei Studentinnen die Produkte ihres Jahrgangs vor. Jede Klasse hatte die Aufgabe bekommen, ein Mikro-Unternehmen zu starten und ein eigenes Produkt von A bis Z zu lancieren: von der Planung über das Marketing bis zum Verkauf. Bis heute ist das allen Klassen gelungen, auch wenn beim einen oder anderen Projekt erst dank einer äusserst heissen Schlussphase das Ziel erreicht werden konnte.

Posten 3: Reben, die in die Region passen

Mit den Herausforderungen des Klimawandels kämpfen auch Weinbauern und Önologen. Fachdozent Markus Rienth spazierte mit den Gästen durch den Rebberg und erläuterte, wie wichtig und essenziell die Wahl der Rebsorte sei. Denn diese müsse nicht nur mit den regionalen Klimaverhältnissen zurechtkommen, sondern auch mit den bestehenden Bodenverhältnissen. Auch Cornelis van Leeuwen, Professor für Weinkunde an der Bordeaux Sciences Agro, der später über dieses Thema einen spannenden Vortrag hielt, untermalte und bestärkte Rienths Worte. Rebsorten, die beispielsweise resistent gegen Trockenheit oder gewisse Krankheiten und Schädlinge seien, würden die Arbeit der Winzerinnen und Winzer erleichtern. Auch zeigte Rienth die verschiedenen Versuche auf, die in enger Zusammenarbeit mit Agroscope auf diesem Rebberg durchgeführt werden. So wird beispielsweise bei einem Versuch der Unterstockbewuchs entweder chemisch oder mechanisch von Unkraut befreit. Wobei mechanisch nicht in jedem Fall und immer besser sei, ergänzt der Fachmann. Wenn es viele Niederschläge gebe, könne es unter dem Strich durchaus vorteilhaft sein, mit Pestiziden vorzugehen. Dies habe zusätzlich den Vorteil, dass weniger oft über den aufgeweichten Boden gefahren werden muss und so die Bodenverdichtung verringert werde. «Man muss in einem Weinberg wirklich alle Arbeiten antizipieren, das Ganze ist sehr komplex», erläutert Markus Rienth. «Es gilt ganzheitlich zu analysieren, zu denken und zu entscheiden.» Und viele Weinbauern hätten zwar kein Bio-Label, würden aber zu einer grossen Mehrheit nach den vorgegebenen Prinzipien arbeiten. Doch wollen sie sich die Möglichkeit eben offenlassen, bei Bedarf entsprechend eingreifen zu können.

Changins ist «Terriblement important»

Vom Spaziergang über die Felder und vom Eintauchen in die Praxis ging es weiter in das grosse Auditorium. Die offizielle Feier mit den Ansprachen stand auf dem Programm. Vom Staatsrat des Kantons Waadt waren gleich zwei Mitglieder anwesend: Frédéric Borloz, als Staatsrat zuständig für die Bildung im Kanton Waadt, und Valérie Dittli, zuständig für die Finanzen im Kanton: «Wir sind vom Staatsrat Waadt nicht zu zweit hier, weil Changins ein ‹enfant terrible› ist, sondern, weil Changins ‹terriblement important› ist», beteuert die gebürtige Deutschschweizerin. Und sie gebe die Hoffnung und den Kampf nicht auf, dass in Changins vielleicht eines Tages auch Kurse auf Deutsch gehalten werden. «Nid uf Schwyzerdütsch, aber auf Hochdeutsch.»

«Fine wine is an art»

Auch wenn er persönlich nicht teilnehmen konnte, liess es sich Weinbauer und Bundesrat Guy Parmelin (Abb. 1) nicht nehmen, Changins per Videobotschaft alles Gute zum Geburtstag zu wünschen und sein Glas auf diese Schule, die ein nationaler Stolz sei, zu erheben. «Changins ist klein und fein. Und wie der amerikanische Winzer, Robert Mondavi, zu sagen pflegte: ‹Making good wine is a skill. Making fine wine is an art.›»

 

Abb. 1: Bundesrat Guy Parmelin gratulierte per Video. (© HES-SO Changins)

 

Von all den Reden und Glückwünschen beflügelt und überwältigt von so viel Unterstützung und Zusprache, bilanzierte Conrad Briguet (Abb. 2), Direktor der Fachhochschule, zum Abschluss: «Changins bietet Exzellenz an Ausbildung. Und das ist nur dank meinen zwei Vorgängern möglich, denn ohne sie wäre Changins nicht das, was es heute ist».

 

Abb. 2: HES-SO-Direktor Conrad Briguet. (© HES-SO Changins)

 

Calimocho – der Albtraum der Weinliebhaber

Zum krönenden Abschluss trat ein in der Romandie bekannter Humorist ans Rednerpult. Blaise Beringer, wenn man seinen eigenen Aussagen glaubt, ein bekennender Nicht-Weinkenner. Laut einer Kennerin habe er das geladene Publikum mit Samthandschuhen angefasst, normalerweise ginge er etwas forscher zur Sache. Hier nur einer der vielen Witze, die er zum Besten gab: «Haben Sie schon einmal von Calimocho gehört? Das ist eine Mischung aus Rotwein und Cola, jeweils zu gleichen Teilen.» Wie das schmecke? «Die eine Hälfte schmeckt rund, ausgeglichen, prickelnd, voll und süss im Abgang.» Und die andere? «Also, die schmeckt nach Rotwein.»

Ausblick

Es mag der Lebensart in dieser Region der Schweiz entsprechen, dass man mit einer Prise Selbstironie auch ernsthafte Themen anspricht. Dennoch war allen Beteiligten klar, dass die HES-SO für das ganze Land eine wichtige Institution sein möchte. Hierzu brauche es Reformen, wie Briguet auch schon an anderer Stelle bemerkt hatte und in Angriff nehmen möchte. Man kann für das sich erfreulich entwickelnde Weinland Schweiz somit nur hoffen, dass dieser Wunsch der bildungspolitischen Klammerfunktion spätestens beim 100. Geburtstag schon lange erfüllt ist.

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