Kritikgespräche: auf Fehler von Mitarbeitenden richtig reagieren

Wenn Mitarbeiter Fehler machen, muss die vorgesetzte Person reagieren. Gleich mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen, ist ebenso unsinnig, wie zu lange zu tolerant zu sein. Betriebsökonom Rolf Leicher zeigt im vierten Teil der Serie «Unternehmensführung», worauf man bei Kritikgesprächen achten sollte.


Autor_Leicher_Rolf
Rolf Leicher
Dipl. Betriebsökonom, Heidelberg 


Anlässe für Kritikgespräche gibt es immer wieder. Mitarbeiter kommen morgens zu spät, halten sich nicht an eine Anweisung,  arbeiten zu langsam oder nicht sorgfältig, sind mehr mit dem ­Handy als mit der Arbeit im Obst- und Weinbau beschäftigt. Mitarbeiter zu kritisieren, ist für die Vorgesetzten nicht angenehm, weil sie sich dabei aufregen und falsche Worte wählen könnten. Kritik anzu­nehmen  ist auch für die Mitarbeiter schwierig, weil sie sich in ­ihrem Selbstwert verletzt fühlen könnten.

Kritik: Die «gelbe Karte»

Mitarbeiter erleben einen Arbeitsfehler unterschiedlich. Der ­eine bemerkt ihn gar nicht und macht weiter. Ein anderer korrigiert ihn sofort oder ruft einen Kollegen zur Hilfe. Die Dritte sucht nach ­einer Ausrede für ihren Fehler, wenn sie ertappt wird. Mitarbeiter machen Fehler nicht absichtlich, oft ist es ihnen nicht bewusst, etwas falsch zu machen. Vielen ist es sogar peinlich, dass sie Fehler machen. Und manchmal haben Mitarbeitende auch einfach nur ­einen schlechten Tag. Da Fehler gern vertuscht werden, erfährt der Vorgesetzte längst nicht alles, was schief läuft. ­­
Die ­geschätzte Dunkelziffer liegt bei ca. 30 Prozent. Nur wer eigene Fehler transparent macht, wird aus Schaden klug. Das Erkennen von Fehlern und das Wissen um die Folgen setzen einen ­scharfen Blick ­voraus. Durch frühes Erkennen kann man schnell ­korrigieren, den ­Schaden klein halten, die Kosten verringern. Fehleroffenheit ist leichter, wenn Mitarbeiter keine nachteiligen Folgen fürchten müssen und mit einem professionell geführten Kritikgespräch rechnen können. Unbewusst wird oft die Person des Mit­arbeiters kritisiert, obwohl man vor hatte, nur das ­Leistungsdefizit zu ­kritisieren.

Nach einem gelungenen Kritikgespräch wird sich der Mit­arbeiter besonders anstrengen. Wenn sich das Arbeitsergebnis dann verbessert, erwartet er eine ausdrückliche Anerkennung vom ­Vorgesetzten. Fehlerfreies Arbeiten braucht auf jeden Fall eine deutliche Rückmeldung. Das spornt an und motiviert, die ­gute ­Leistung zu halten.

Kritik unter vier Augen     

Das persönliche Gespräch ist ein Grundsatz der Personalführung. Jemanden vor den Arbeitskollegen zu kritisieren, ist unprofessionell und für das Arbeitsklima schädlich. Vor oder nach dem Kritikgespräch dürfen Mitarbeiter nicht unnötigerweise über den Fehler eines Kollegen informiert werden. Diskretion ist oberstes Gebot. Auch Kunden gegenüber muss der Chef bei einer Reklamation ­hinter seinen Mitarbeitern, die die Reklamation verursacht haben, stehen. Mitarbeiter müssen sich auch dem Betrieb gegenüber ­loyal verhalten und hinter ihren Vorgesetzen stehen.

Die  Gesprächsführung

Zwischen der Ich- und der Sie-Botschaft besteht ein deutlicher ­Unterschied. Die Du-Botschaft wirkt bei der Feststellung des ­Fehlers persönlich und vorwurfsvoll: «Du bist zu langsam …, Du musst dich mal beeilen …, Du hast das  falsch gemacht …, Du hast wieder vergessen …». Die Ich-Botschaft wirkt vorwurfsfrei und wird eher angenommen: «Ich habe festgestellt, dass …, Mir fällt auf …, Ich sehe gerade …». Auch die Erwartungen an den Kritisierten lassen sich in der Ich-Botschaft konstruktiv formulieren: «Ich wünsche mir …, Ich erwarte, dass …, Ich bitte Sie dringend …». Und sie sind wirkungsstärker als «Du musst jetzt endlich …, Du darfst nicht …, Du hast schon wieder …». Die «destruktive Kritik» macht den Mitarbeitern in vorwurfsvoller Weise nur die Leistungsdefizite klar und hilft nicht, ihr Verhalten zu ändern. Im Gegensatz dazu steht die «konstruktive Kritik», die sich durch ein aufbauendes ­Gespräch auszeichnet und den Mitarbeitern hilft, sich weiterzu­entwickeln, um bessere Arbeitsergebnisse zu erreichen. Man ­beschäftigt sich nicht nur mit deren Fehlern, sondern mit der ­Lösung.

Bei einem konstruktiven Kritikgespräch darf die Vorgesetzte ­erwarten, dass der Mitarbeiter sich kritisch mit seinem Verhalten auseinandersetzt und auf die bekannte Abwehrhaltung verzichtet. Die Annahme der Kritik hängt wesentlich von der Gesprächsführung ab.

Häufig wird Kritik als «Feedback» betrachtet, als Rückmeldung über den Leistungsstand einer Person. Mit dem Begriff Feedback wird für die betreffende Person der Ernst der Beurteilung herausgenommen. Rückmeldung wird nicht als Kritik verstanden, das ­Gespräch nicht immer ernst genommen. 

Mit den unterschiedlichen Formulierungen kann der Wirkungsgrad der Kritik gesteigert oder gesenkt werden. Zunächst formuliert man die Kritik in Stufe 1 und verzichtet auf «Sie müssen» und «Sie dürfen nicht». Gesprächstypisch sind Formulierungen wie «Ich empfehle dir …, Ich bitte, dass …, Achte zukünftig bitte auf …». Gesprächstypisch für die Stufe 4 ist: «Du musst unbedingt …». ­Bei weiteren Fehlern oder Verstössen gegen Anweisungen führt kein Weg an einer Abmahnung vorbei. Zum kooperativen Führungsstil gehört es auch, konsequent zu sein. Das Team erwartet das. Wer den Mut verloren hat, wegen Personalmangel eine Stufe höher zu gehen, wird sich auch bei anderen Mitarbeitern nicht mehr durchsetzen können.

 

Google hat für seine Mitarbeiter in den USA folgende Grundsätze geschaffen: «Fehler sind keine Katastrophe, sofern sie nicht viel kosten. Fehler müssen schnell erkannt werden und dürfen sich keinesfalls wiederholen. Fehler müssen transparent werden, damit sie sofort beseitigt werden können.» Jüngere, weniger erfahrene Mitarbeiter werden bei schwierigen Arbeiten nicht allein gelassen, eine erfahrene Kollegin überwacht sie und erkennt sofort mögliche Fehler. Durch Kontrollmassnahmen lassen sich Pannen auf ein ­Minimum reduzieren. Der Perfektionist geht davon aus, dass alle Arbeiten erstklassig erledigt werden müssen und auch kleine ­Fehler nicht vorkommen dürfen.  

Wenn etwas aus dem Ruder läuft, wird immer gefragt: «Wie ist das passiert, wer hat das zu verantworten?» Die Suche nach einer Lösung muss im Vordergrund stehen, nicht die Verurteilung des «Schuldigen». Andernfalls will niemand mehr bei schwierigen ­Aufgaben die Verantwortung  übernehmen. Wer aus Angst vor Kritik schwierigen Aufgaben aus dem Weg geht, begeht den grössten Fehler. Wenn sich das Risiko in Grenzen hält, können Schwierig­keiten eine Herausforderung für die Leistungsgrenzen der Mit­arbeiter sein und dem Vorgesetzten wertvolle Erkenntnisse für  den Einsatz des Mitarbeiters bringen.

Trotz eines Fehlers muss die vorgesetzte Person Misstrauen vermeiden, darf den Fehler nicht dramatisieren. Wenn sie sich im Ton vergreift, ist sofortiges Reagieren gefragt. Und sie kann von jüngeren Mitarbeitern nicht die gleiche Leistung verlangen wie von einem erfahrenen, langjährigen Kollegen. Beim Leistungsvergleich sollten Vorgesetzte sich nicht am Star im Team orientieren. 
 


 

Auf Kritik der Kollegen reagieren

Im Team macht man sich untereinander auf Arbeitsfehler ­aufmerksam, z.B. auf umständliche und aufwendige Arbeitsweise bei der Ernte oder Pflege. Fehler des Kollegen einfach zu­ ­ignorieren, ist auch ein Fehler. Im Team unterstützt man sich ­gegenseitig, dazu gehört auch die Korrektur eines Kollegen. Die Bereitschaft, kritische Meinungen von Kollegen anzunehmen, ist für die weitere Zusammenarbeit im Team konstruktiv. Der kritisierte Mitarbeiter sollte seinen Kollegen nicht daran erinnern, dass auch er nicht immer alles richtig macht: «Das sagt gerade der Richtige, du Besserwisser. Machst du denn immer alles richtig?» 

Kritik vom Kollegen wirkt anders als vom Vorgesetzten. Die Annahme hängt auch davon, ob Kollegen sich bei guter Leistung untereinander auch mal etwas Nettes sagen. Denn wer nicht lobt, wird bei Kritik auch nicht ernst genommen. 

Vergleiche machen nachdenklich 

Kritik kann man mit zwei unterschiedlichen Bewertungsmethoden führen. Bei der sogenannten «Best-Case-Methode» informiert man den Kritisierten, welche Vorteile fehlerfreies Arbeiten hat und ­welchen Nutzen die Firma davon hat. Bei der «Worst-Case-­Methode» erfährt die Mitarbeiterin den schlimmsten Fall, der eintreten kann, wenn der Fehler sich wiederholt: «Wissen Sie, wie sich die Terminverzögerung für uns auswirkt?» Die negativen Folgen dürfen aber nicht übertrieben werden (Horrorszenario), sonst leidet die Glaubwürdigkeit darunter. Die «Worst-Case-Methode» wird nur eingesetzt, wenn der Kritisierte das Kritikgespräch auf die leichte Schulter nimmt. Der Leistungsvergleich zwischen zwei Mitarbeitern ist kontraproduktiv, auch wenn es stimmt: «Der Andreas ist immer pünktlich fertig, im Gegensatz zu Dir.» Werden Leistungen zwischen Kollegen verglichen, schadet das nicht nur der ­Motivation, sondern vor allem der Kollegialität.  

Nur Fehler und Leistungsdefizite der Mitarbeiter dürfen kritisiert werden, nicht ihre Personen. Die Formulierung «von dir bin ich enttäuscht» kann sachlich gemeint sein, sie hört sich jedoch persönlich an. Der Mitarbeiter sucht dann nach Ausreden: «Der Stress heute …, bin überfordert …, andere machen auch mal Fehler ….». Die Äusserung «Das darf nicht mehr passieren, das habe ich Ihnen doch schon einmal gesagt» wirkt wie ein Vorwurf, obwohl es meist stimmt. Man kann Mitarbeiterleistungen beurteilen, die Mitarbeiterin aber nicht verurteilen. Verallgemeinerungen wie «immer, nie, jedes Mal» usw. sind absolute «No-Gos». Niemand macht immer oder jedes Mal alles falsch oder gar absichtlich einen ­Fehler. Manche Fehlleistungen sind messbar (Hard Facts), andere wie das Thema Freundlichkeit zu Kunden (Soft Skills) werden subjektiv empfunden und müssen besonders vorsichtig angesprochen ­werden. Mangelnde Freundlichkeit oder umständliche Arbeit­sweise sind der Mitarbeiterin oft gar nicht bewusst. Bei der Bewertung ­einer Leistung muss auch der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe oder die Überforderung des Mitarbeiters berücksichtigt werden, ebenso, ob es sich um eine jüngere oder erfahrene Mitarbeitende handelt. Leistungen können nicht nur an Arbeit­sergebnissen der Spitzenkräfte gemessen werden. Bei Stress und Hektik ist der Mitarbeitende schnell überfordert, es kommt zu ­einem Leistungsdefizit. Wer überfordert wird, ist demotiviert und traut sich anspruchsvolle Arbeiten nicht zu.     

Bei Fehlern taucht immer die Frage auf: Ist der Mitarbeiter auch richtig eingewiesen worden? Oder hat er nur mal einen schlechten Tag gehabt? 

Kritik ist konstruktiv, wenn sie akzeptiert wird und Besserung eintritt. Ein Kritikgespräch endet, indem man Zuversicht und Vertrauen zum Mitarbeiter äussert und davon ausgeht, dass sich der Fehler nicht wiederholt. Damit verpflichtet man den Kritisierten zur besseren ­Leistung und weckt in einem motivierten Mitarbeiter Ehrgeiz. 

 


 

Abmahnung: Die «rote Karte»

Eine Abmahnung ist die Vorbereitung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Die Abmahnung hat eine Warnfunktion und muss sich auf einen oder mehrere konkrete Verstösse beziehen. Ein gelungenes Kritikgespräch sollte eigentlich Wirkung zeigen, sodass es gar nicht erst zur Abmahnung kommen muss. Verstösst ein Mitarbeiter trotz der Kritik der Chefin wiederholt gegen Anweisungen, ist eine Abmahnung oder ein Disziplinargespräch die letzte Möglichkeit, eine Kündigung zu vermeiden. Auch das Arbeitsteam erwartet bei Fehlern des Kollegen eine Reaktion der Vorgesetzten. Sie würde an Autorität verlieren, wenn sie nicht reagiert. Eine ­Ab­mahnung muss gut überlegt sein. Fehlen Beweise für das Fehlverhalten, ist sie ungültig und muss sogar ausdrücklich zurück­genommen werden. Weil sie die höchste Eskalations-Stufe ­darstellt, müssen mehrere Kritikgespräche vorausgegangen sein.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert