Chiara De Luca von der Universität Zürich referiert über Intelligente Sensoren für die Landwirtschaft. (© O+W)

Nachhaltiger Pflanzenschutz in der Schweiz – Zwischen Forschung, Politik und Praxis

Die Fachtagung Dialog Grün 2025 zeigte eindrücklich, dass der nachhaltige Pflanzenschutz in der Schweiz ein vielschichtiges Feld ist – geprägt von Innovation, regulatorischen Hürden und dem wachsenden Druck, angesichts von Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit neue Wege zu finden.

Artikel von:
Andrea Caretta
O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 09 / 2025 , S. 28

Das Forum Dialog Grün 2025 an der ETH Zürich brachte Fachpersonen und Forschende zusammen, um sich über zukunftsfähige Ansätze im Pflanzenschutz auszutauschen. Im Zentrum stand die Frage: Wie gelingt der Spagat zwischen Ertragssicherung, ökologischer Verantwortung und gesellschaftlicher Akzeptanz?

Organisiert wurde die Tagung vom Zürich-Basel Plant Science Center in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich, Universität Zürich, Universität Basel, Agroscope und EAWAG. Dabei wurden in insgesamt 18 Fachreferaten wissenschaftliche Innovationen, politische Rahmenbedingungen und praxisnahe Lösungsansätze diskutiert – immer mit dem Ziel, die Risiken des Pflanzenschutzes zu minimieren und gleichzeitig die Produktivität zu erhalten.

Pflanzenschutz aus der Gewässerperspektive

Eines der Themen drehte sich um die Belastung der Gewässer durch Pflanzenschutzmittel (PSM). In 265 untersuchten Wasserproben wurden 138 Substanzen nachgewiesen – 23 davon überschritten die geltenden Umweltqualitätskriterien (UQK). Besonders kritisch: Die Quellen der Stoffe lassen sich oft nicht plausibel identifizieren, was eine gezielte Massnahmenplanung erschwert. Die Proben zeigen damit deutlich auf, dass unser Trinkwasser Rückstände von PSM in bedenklicher Konzentration enthält, ohne dass klar ist, woher diese Substanzen konkret stammen.

Ein Beispiel aus der Praxis zeigt: In der Nähe von Feldern, etwa bei Strassengullis, konnten wiederholt problematische Konzentrationen festgestellt werden. Dies verdeutlicht, wie dringend notwendig die Optimierung der Anwendung und das Verständnis der Stoffflüsse sind.

Zwischen Bürokratie und Innovationsdruck

Ein wiederkehrender Kritikpunkt der zahlreichen Referentinnen und Referenten stellten die langen Zulassungsverfahren für neue, risikoarme Pflanzenschutzmittel in Europa und der Schweiz dar. Das sogenannte «Bürokratiemonster» wird von vielen Praktikern und Forschenden als Innovationsbremse wahrgenommen. Ein beschleunigtes «Fast Track»-Verfahren für ökologisch unbedenkliche Produkte wäre ein entscheidender Hebel zur Stärkung der nachhaltigen Landwirtschaft.

Genetik, Mikrobiome und Bodenkontext

Ein Blick in die genetische und mikrobiologische Forschung zeigt das Zukunftspotenzial nachhaltiger Ansätze. Betont wurde die Rolle der Epigenetik und Genomdynamik sowie das CRISPR-Cas-System, in der Pflanzenzucht – insbesondere im Hinblick auf die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln: Bis 2050 muss die landwirtschaftliche Produktion global um 75 % gesteigert werden und dies bei gleichzeitig schrumpfender Nutzfläche.

Die genetische Anpassung von Pflanzen, speziell im Zusammenspiel mit dem Bodenmikrobiom, eröffnet neue Möglichkeiten: Studien zeigen, dass Bodenfaktoren wie Eisen und Magnesium sowie Pflanzenmikrobiome entscheidend für die Pflanzenresilienz sind. Die Rückkoppelung zwischen Pflanzengenetik, Bodenleben und chemischem Kontext des Bodens (Mikrobiomfeedbacks) gilt als Schlüssel zur nachhaltigen Ertragssteigerung. Die Kombination von unterschiedlichen Mechanismen (das Einfügen von Resistenzgenen und das Entfernen von Anfälligkeiten) soll die Resistenz dauerhaft machen.

Damit könnten neue genomische Techniken zur Verbesserung der Resistenz beispielsweise beim Apfel (Feuerbrand, Schorf, Blattfallkrankheit) und der Rebe (Mehltau) eingesetzt werden.

Technologische Innovationen, digitale Hilfsmittel und biologische Kontrolle

Auch Technologien wie GPS-gesteuerte Lenksysteme, sensorbasiertes Hacken und Drohnenanwendungen, die punktgenaue Applikationen ermöglichen, wurden vorgestellt. Auf diese Weise sollen Pestizideinsätze um bis zu 60 % reduziert werden können – bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung. Digitale Plattformen wie Agrometeo+ vernetzen Wetterdaten, Krankheitsmodelle und Monitoring-Informationen, um Landwirtinnen und Landwirte in Echtzeit zu unterstützen.

Ergänzend gewinnen biologische Strategien an Bedeutung. Der Einsatz natürlicher Gegenspieler, etwa gegen invasive Arten wie die Kirschessigfliege, zeigt erste Erfolge. Mischkulturen und Streifenanbau fördern die Biodiversität und senken den Krankheitsdruck – allerdings sind Züchtung, Vermarktung und Wirtschaftlichkeit hier entscheidend für den Praxiserfolg.

Vielfalt an Lösungen – und ebenso viele Herausforderungen

Der nachhaltige Pflanzenschutz in der Schweiz steht an einem Scheideweg: Zwischen dem Druck zu mehr Produktivität, regulatorischen Hindernissen und ökologischer Verantwortung. Die Zukunft liegt wohl in der Kombination aus modernen Technologien, genetischem Fortschritt, mikrobieller Forschung und politischen Rahmenbedingungen, die Innovation ermöglichen statt hemmen. Auf diesem Wege lässt sich die Versorgungssicherheit der Lebensmittel in der Schweiz langfristig gewährleisten – und somit unsere natürlichen Ressourcen schützen.

Nähere Informationen zu den einzelnen Referaten finden Sie hier.

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