Obstbau: Alternativen zu Glyphosat auf dem Prüfstand
Die Unkrautregulierung ist im Obstbau eine wichtige Massnahme für qualitativ hochstehende Erträge. Damit können Konkurrenz um Wasser und Nährstoffe vermieden sowie Verstecke für Mäuse reduziert werden. Standardmässig werden in der integrierten Produktion Herbizide eingesetzt. Alternativ werden Maschinen wie Ladurner oder Fadengerät verwendet. Aufgrund der Diskussionen in der EU um die zukünftige Anwendung von Glyphosat prüft Agroscope für den Obstbau seit mehreren Jahren Alternativen mit weniger respektive ohne Glyphosat. Im vorliegenden Artikel liegt der Fokus auf drei Herbizidstrategien sowie auf den Geräten Grasskiller und XPower.
Mehrjährige Versuche in einer Gala-Anlage: Alle Strategien wurden in einer Obstanlage von Agroscope in Wädenswil durchgeführt (Sorte: Gala Galaxy, Unterlage: M9vf, Pflanzabstand: 3.5 × 1.0 m, 1. Standjahr: 2010). Einmal monatlich wurden die Bodenbedeckung der wichtigsten Unkräuter und Gräser nach Braun-Blanquet sowie deren Wuchshöhe gemessen. Weiter wurden Erntemenge, Fruchtgrösse und der Stammumfang erhoben.
Natrel und Siplant: Kontakt-herbizide mit Sofortwirkung
Die beiden Herbizide Natrel (Wirkstoff Pelargonsäure, max. 2-mal innerhalb von fünf bis zehn Tagen) und Siplant (Fettsäuren Caprinsäure und Caprylsäure, max. 3-mal) sind reine Kontaktherbizide. Diese natürlich vorkommenden Säuren lösen die schützende Wachsschicht der Unkräuter auf, sodass diese in der Folge austrocknen. Der Einsatz erfolgt daher bevorzugt bei sonnigem, warmem Wetter von Mai bis August. Der Wirkstoff wird nicht innerhalb der Pflanzen verteilt, sodass sich bereits etablierte, mehrjährige Unkräuter und Gräser rasch erholen können. Ein Einsatz ist daher vor allem gegen frisch gekeimte, maximal 10 cm hohe Unkräuter sinnvoll.
In den Versuchen mit Natrel und Siplant in den Jahren 2019 bis 2021 wurde im Frühling jeweils Glyphosat eingesetzt, um den Boden möglichst unkrautfrei zu halten. 2019 konnte nach der Anwendung im Juni das Zuwachsen des Baumstreifens mit Unkräutern sowohl mit Natrel als auch Siplant im Vergleich zur Variante Glyphosat + Fadengerät bis Mitte Juli verzögert werden (Abb. 1).
Abb. 1: Bodenbedeckung im Jahr 2019 (%). Im Vergleich zur Variante Glyphosat + Fadengerät hat sich das Zuwachsen des Baumstreifens mit 2 × 16 L/ha Natrel oder 2 × 18 L/ha Siplant im Juni 2019 verzögert. Durchgezogene Linie: Behandlungszeitpunkt mit Glyphosat, gestrichelte Linien mit Natrel/Siplant.
2020 und 2021 war der Unkrautdruck als Folge der Winterbegrünung in den entsprechenden Baumstreifen trotz Glyphosat im Frühling zu hoch, womit die Wirkung der beiden Herbizide in diesen beiden Jahren unzureichend war (Tab., Abb. auf www.obstbau.ch).
Tab.: Wirkung der getesteten Strategien im Vergleich zur Variante Fadengerät respektive zum Referenzverfahren Glyphosat. x: unzureichende Wirkung; (⎫): Wirkung abhängig von der Witterung/des Unkrautrucks; ⎫: zufriedenstellende Wirkung.
Zwar konnte der Unkrautdruck während des Einsatzes leicht reduziert werden, ein vollständiges Entfernen der Unkräuter wurde aber nicht erzielt. Schwierig beim Einsatz von Natrel und Siplant ist daher hauptsächlich, dass der Unkrautdruck tief sein muss, das heisst, ohne bereits aufgelaufene Unkräuter. Der optimale Einsatzzeitpunkt ist daher gut zu planen.
Wuchsstoff- und Gräserherbizid bei hohem Unkrautdruck ohne Wirkung
Als zweite Alternative zu Glyphosat wurde die Kombination eines Wuchsstoffherbizids (Mecoprop-P und 2.4-D, Wirkung nur gegen Kräuter) mit einem Gräserherbizid (verschiedene Wirkstoffe zugelassen, nur gegen Gräser) geprüft. Die Wirkung von Wuchsstoffherbiziden ist temperaturabhängig: Unter 10 °C ist die Wüchsigkeit und damit die Wirkung gering, über 20 °C verdunsten die Wirkstoffe rasch, sodass sich die Wirkung reduziert und gleichzeitig ein hohes Risiko von Schäden an den Obstbäumen besteht. Bei den Gräserherbiziden darf im Ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) aus Resistenzgründen jeder Wirkstoff maximal einmal pro Jahr eingesetzt werden.
In den Versuchen von Agroscope von 2021 und 2022 hat sich gezeigt, dass mit Gräser- und Wuchsstoffherbiziden bei starkem Unkrautdruck keine eindeutige Verbesserung im Vergleich zur dauerbegrünten Variante mit dem Fadengerät erzielt werden kann (2021: Abb. 2; 2022: www.obstbau.ch). Ob diese Strategie bei tiefem Unkrautdruck besser abschneidet, kann mit den vorliegenden Versuchen nicht beurteilt werden.
Abb. 2: Bodenbedeckung im wüchsigen Jahr 2021 (%). Die zweimalige Anwendung der Kombination eines Wuchsstoffherbizids (Duplosan KV-Combi, 3 L/ha) mit dem
Gräserherbizid Select (1 L/ha) war nicht wirksam. Die Wirkung des XPowers war in der Variante mit tiefem Unkrautdruck vergleichbar mit Glyphosat. Bei hohem Unkrautdruck war die Wirkung hingegen unzureichend. Durchgezogene Linie: Behandlungszeitpunkte mit Wuchsstoff- und Gräserherbizid und Glyphosat, gestrichelte
Linien mit dem XPower (Fadengerät in der Variante XPower: 8. Juni).
Firebird Plus: Entfernung von Stockausschlägen mit Nebenwirkung gegen Unkräuter
Firebird Plus (Pyraflufenethyl) ist aktuell im Obstbau nur gegen Stockausschläge bewilligt, hat aber auch eine Nebenwirkung als Kontaktherbizid gegen Unkräuter. Firebird Plus darf maximal zweimal pro Jahr (Intervall > 21 Tage) von BBCH35 bis 75 eingesetzt werden. In den Versuchen von Agroscope hat Firebird Plus eine gute Wirkung gegen Kräuter, jedoch nicht gegen Gräser gezeigt. Dadurch konnten sich in der Folge die Gräser im Baumstreifen durchsetzen, sodass der Unkrautdruck im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle nicht abgenommen hat (Abb. 3).
Abb. 3: Bodenbedeckung im Jahr 2022 (%). Die Wirkung von 0.5 % Firebird Plus gegen Gräser war 2022 ungenügend. In Kombination mit einem Gräserherbizid (2 L/ha Agil, 3 L/ha Fusilade Max) war die Wirkung näher an jener von Glyphosat. Gestrichelte Linien: Behandlungszeitpunkte mit Firebird Plus (+ Gräserherbizid) und Glyphosat.
Die Wirkung konnte mit einem Gräserherbizid deutlich gesteigert werden. Dieses Ergebnis muss jedoch in einer zweiten Vegetationsperiode noch bestätigt werden. 2023 wird neben Firebird Plus auch das zweite bewilligte Produkt gegen Stockausschläge, Spotlight Plus (Carfentrazone-ethyl), getestet werden.
Grasskiller: Unkrautregulierung mit Hochdruck
Neben Herbiziden hat Agroscope auch zwei neue Geräte zur Unkrautregulierung getestet. Der Grasskiller des Herstellers Caffini arbeitet mit hohem Wasserdruck (rund 1000 bar), der über vier schräg montierte, rotierende Düsen im Baumstreifen appliziert wird (Abb. 4).
Abb. 4: Einsatz des Grasskillers im Jahr 2018. (© Agroscope)
Als Folge des hohen Drucks platzen die Zellen und die Pflanzen sterben ab. In den Versuchsjahren 2018 bis 2020 hat der Grasskiller bei jeweils vier bis fünf Einsätzen unterschiedlich gut gewirkt. 2018 war die Wirkung bei relativ trockener Witterung und entsprechend tiefer Wüchsigkeit gut (Abb. 5).
Abb. 5: Wirkung des Grasskillers auf die Bodenbedeckung in den Jahren 2018–2020 (%). Die Wirkung des Grasskillers gegen Unkräuter war im Jahr 2018 deutlich besser als in den Folgejahren 2019 und 2020.
In den Folgejahren 2019 und 2020 war die Unkrautregulierung jedoch vor allem in Stammnähe unzureichend. Der Anschaffungspreis (> 50 000.– Fr.), der hohe Wasserverbrauch (1500 bis 2500 L/ha), der Zeitaufwand zum Nachfüllen des Wassers, die eher geringe Arbeitsbreite von 38 cm, die tiefe Flächenleistung (einseitige Ausführung bei tiefer Fahrgeschwindigkeit von rund 1.5 bis 2 km/h) sowie die Anfälligkeit gegenüber Störungen erschweren einen wirtschaftlichen Einsatz des Grasskillers.
Neues Stromgerät XPower
Eine neuartige Bekämpfung der Unkräuter wird mit dem Gerät XPower erzielt. Strom (0.02 A, 8000 V) wird durch die Unkräuter geleitet, sodass das Wasser in den Pflanzenzellen erhitzt wird und in der Folge die Unkräuter absterben. Die Flächenleistung ist mit rund 2.5 km/h etwas höher als beim Ladurner. Die beidseitige Arbeitsbreite beträgt rund 80 cm, wobei ein Applikator fix montiert ist und ein Applikator mittels Tastarm den Stämmen ausweicht (Abb. 6).
Abb. 6: Der XPower im Einsatz während der Vollblüte 2021. (© Agroscope)
Aktuell kann das Gerät aufgrund des hohen Kaufpreises nur im Lohn (Agroline) eingesetzt werden. Die Einsatzkosten belaufen sich dabei auf 250.– Fr./h (2022), wobei pro Arbeitsstunde circa eine Hektare bearbeitet werden kann.
In den beiden Versuchsjahren 2021 und 2022 wurde das Gerät XPower bei Agroscope jeweils dreimal eingesetzt. In der Variante «Unkrautdruck tief» (Vorjahr Herbizide) war die Wirkung im Jahr 2021 vergleichbar mit dem Einsatz von Glyphosat (Abb. 2). Hingegen war die Wirkung in der Variante «Unkrautdruck hoch» (Vorjahr Grasskiller) unzureichend. Vor allem in Stammnähe wurden die Unkräuter nur ungenügend entfernt. In beiden Varianten musste im Sommer 2021 aufgrund der wüchsigen Witterung zusätzlich ein Fadengerät eingesetzt werden, um die Wuchshöhe der Unkräuter zu reduzieren. Im Frühling 2022 war zwar das Ergebnis in Stammnähe ebenfalls unzureichend (Abb. 7, www.obstbau.ch).
Abb. 7: Mässige Wirkung des XPowers im Frühling 2022 in Stammnähe. (© Agroscope)
Aufgrund des trockenen Sommers war die Wirkung des XPowers im Juli hingegen deutlich stärker. Zusätzlich hat die abgestorbene Biomasse die Keimung neuer Unkräuter über mehrere Wochen verhindert.
Fazit und Ausblick
Neben der Wirkung gegen die Unkräuter wurden bei allen Varianten auch das Wachstum der Obstbäume, der Ertrag sowie die Fruchtqualität gemessen und mit einer unbehandelten Kontrolle sowie mit dem Standard Glyphosat verglichen. Dabei konnten in dieser Apfelanlage im Vollertrag keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Strategien mit und ohne Herbizide zur unbehandelten Kontrolle festgestellt werden.
Die mehrjährigen Versuche zeigen, dass bei einem allfälligen Anwendungsverbot von Glyphosat aktuell bei hohem Unkrautdruck keine wirkungsmässig gleichwertigen Herbizide auf dem Markt sind. Am ehesten scheint die Kombination von Firebird Plus mit einem Gräserherbizid ähnlich gut gegen Unkräuter zu wirken (Tab.). Als Alternative zu Herbiziden wurden die Geräte Grasskiller und XPower getestet. Beide Geräte weisen bei hohem Unkrautdruck Schwächen bei der Unkrautregulierung im Stammbereich auf.
Mit tatkräftiger Unterstützung des Agroscope Versuchsbetriebs Obstbau in Wädenswil sowie Niklaus Roleff, Roman Roth, Joshua Witsoe, Tim Haban, Remo Hengartner und Jost Brunner.
Die beschriebenen Versuche wurden durch Interreg gefördert und in Zusammenarbeit mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (D) und dem Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee KOB erarbeitet. Ein Leitfaden zur Unkrautregulierung im Obstbau sowie Videos zu den Geräten Grasskiller und XPower sind auf www.obstbau.ch > Unkrautregulierung im Obstbau abrufbar.
Kommentar von Martin Scherer am 2. Juni 2023 um 21:01 Uhr
Wie war denn das Ergebnis bei Krümmler und Fadengerät? Die Kosten sind überschaubar und der Einsatz bei passender Witterung wirtschaftlich
Kommentar von Andrea Caretta am 7. Juni 2023 um 09:11 Uhr
In den präsentierten Versuche wurde die Strategie Krümler (Ladurner) + Fadengerät nicht getestet, so dass ein direkter Vergleich nicht möglich ist. In anderen Versuchen hat diese Strategie aber jeweils erfolgreich abgeschnitten, so dass sie nach wie vor als Standardvariante bei Verzicht auf Herbizide angesehen werden kann. Im Vergleich zur Unkrautregulierung mit Herbiziden ist sie jedoch aufgrund der zwei notwendigen Geräten und der häufigeren Fahrten deutlich teurer. Auf www.obstbau.ch > Unkrautregulierung im Obstbau finden Sie weitere Informationen zu den maschinellen Strategien (Leitfaden Unkrautregulierung im Obstbau) sowie zur Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Geräte (Herbocost). Thomas Kuster