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Vergleich verschiedener Hefestämme für kontrollierte Spontangärung bei Spätburgunder

Einige namhafte Produzentinnen und Produzenten haben mancherorts grosse Erfahrung 
und Erfolg mit «spontan» vergorenen Weinen, während andere noch Überzeugung und 
Unterstützung bei der Umsetzung benötigen.

Artikel von:
Thierry Wins
Agroscope, Wädenswil
Autor_Bühlmann_Andi
Andreas Bühlmann
Agroscope, Wädenswil
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 01 / 2025 , S. 18

Spontangärungen produzieren eine komplexere Aromatik und können die Weinstilistik positiv beeinflussen. Allerdings besteht dabei ein erhöhtes Risiko von Fehlgärungen und daraus resultierenden Fehltönen im Wein. Dieses Risiko verhindert bis dato eine breitere Anwendung der Spontangärung in der Praxis. Um die Vorteile der komplexeren Aromatik zu liefern, ohne die Gefahr einer Fehlgärung zu erhöhen, bieten erste Hefehersteller Mischungen mehrerer Hefestämme an. Da solche Mischungen im Vergleich zum natürlichen Mikrobiom auf dem Traubengut sehr primitiv sind, bleibt zu zeigen, ob sich der Effekt solcher Mischungen auf die Weinaromatik messen lässt und ob die Konsumierenden die resultierenden Unterschiede überhaupt bemerken.

Wein entsteht aus Traubensaft durch alkoholische Gärung. Glukose wird durch Hefen in Alkohol und CO2 verstoffwechselt. Üblicherweise werden in der Weinbereitung für die Durchführung der Gärung Hefen mit einer hohen Gärfähigkeit eingesetzt, hauptsächlich die wohlbekannte Saccharomyces cerevisiae, auch Bäcker- oder Bierhefe genannt, obwohl für die jeweiligen Produkte längst spezialisierte Stämme verwendet werden. Bei einer Spontangärung übernehmen Wildhefen wie Pichia, Candida, Hanseniaspora oder Torulaspora am Anfang den Umwandlungsprozess von Glukose in Alkohol. Diese sind jedoch weniger alkoholtolerant und werden nach wenigen Tagen verdrängt. Zudem sind sie empfindlicher auf hohe SO2-Werte und werden durch die weit verbreitete Schwefelung des Mosts oder der Maische zusätzlich gehemmt. Nach zwei bis drei Tagen setzt sich darum in der Regel ausschliesslich S. cerevisiae durch und führt die Gärung zu Ende. Die Spontangärung soll den Sortencharakter und die Herkunft betonen, da die mikrobielle Gemeinschaft auf dem Traubengut auch Teil des vielzitierten «Terrroirs» ist. Oft wird dabei mehr Glycerin gebildet als bei der Verwendung von nur Reinzuchthefen, was sich positiv auf das Mundgefühl auswirken kann. Die Risiken der Spontangärung umfassen schleppende Gärung, Gärstockungen und den daraus resultierenden Restzucker sowie die Bildung flüchtiger Säuren, was letztlich zu einem Verlust der Sortentypizität führen kann.

In der Literatur werden Hefen der Spezies Pichia kluyveri sowie Torulaspora delbrueckii eine sichere Angärung bei vielen Arten von Wein nachgesagt. Ebenso soll Komplexität und Aromavielfalt gegenüber S. cerevisiae zunehmen. Diese Hefestämme können allerdings die Gärung nicht abschliessen, deshalb muss zu einem späteren Zeitpunkt entweder Reinzuchthefe zum gärenden Most zugegeben (sequenzielle Gärung) werden. Alternativ können wie im hier beschriebenen Versuch Mischkulturen verwendet werden (Co-Gärung).

In diesem praxisnahen Tastversuch sollen Entwicklung und Gärverhalten solcher kommerziell erhältlichen Mischkulturen sowie deren Auswirkung auf Weinaromatik und -komplexität mit einer Spontangärung und einer klassischen Gärung mit Reinzuchthefe verglichen werden.

Traubenmaterial, Vinifikation

Für diesen Versuch wurden am 4. Oktober 2023 auf der Halbinsel Au 800 Kilo gesunde Blauburgundertrauben gelesen. Jahrgangsbedingt war das Erntegut sehr reif und wies verhältnismässig wenig Säure auf (Tab. 1). Die Trauben wurden abgebeert und gequetscht. Beim Einmaischen wurde darauf geachtet, dass alle Varianten möglichst homogen auf vier Gärgebinde verteilt wurden. Auf eine Wiederholung wurde verzichtet. Die Maische wurde bei keiner Variante geschwefelt und die verschiedenen Hefen nach Herstellerangaben angewendet. Die Gärung von jeweils 150 L Maische erfolgte in doppelwandigen 220-L-Immervolltanks aus Chromstahl.

 

 

Varianten

  • Variante 1: Hefe VitiFerm TM Bio Vulcano, 2B FermControl, DE (natürliche Wildhefemischung, P. kluveri und S. cerevisiae)
  • Variante 2: Hefe Lalvin W15, Lallemand, CA (S. cerevisiae; Reverenzkontrolle)
  • Variante 3: Hefe Oenoferm wild&pure, Erbslöh, DE (T. delbrückii und S. cerevisiae)
  • Variante 4: Spontangärung mittels Ansteller* (20 L Blauburgunder Presssaft vier Tage in Ballonflasche angegoren. Zugabe von 10 L zur Maische mit 50 °Oe). (* Ansteller: vorgängig angegorener Most oder Maische für die Spontangärung (Hefeersatz))

Beim Gärstart war einzig die Variante V4 (Spontangärung) durch den Verdünnungseffekt der Beigabe des Anstellers um ca. 5 °Oe tiefer. Alle Varianten wurden bei kontrollierter Temperatur von 24 bis 26 °C vergoren. Während des Gärprozesses wurden alle Varianten täglich viermal von Hand gestösselt. Alle Weine sind gut durchgegoren und konnten am 11. Oktober 2023 abgepresst werden. Nach der Endvergärung auf 0 °Oe wurden die Weine nach dem Absetzen von der Grobhefe abgezogen.

Vergorene Maische. (© Agroscope)

 

Gärung

Die Varianten Vulcano, W15 und Spontangärung zeigen zeitlich ähnliche Gärverläufe. Die Variante wild&pure hat zwei Tage Verspätung, schliesslich sind aber alle Varianten zügig durchgegoren.

Um zu verstehen, wie sich die verschiedenen Varianten entwickeln, wurden während der Gärung zu diversen Zeitpunkten Proben genommen und mittels Metabarcoding charakterisiert. Diese Methode zeigt die prozentuale Zusammensetzung der verschiedenen Hefen in den Proben aufgrund der gemessenen DNA. Vor dem Animpfen zeigt sich eine erstaunlich homogene Population mit Pichia und Aureobasidium. Im Vulcano-Produkt scheint sich die Pichia-Hefe sehr schnell zu etablieren, bevor sie von der Saccharomyces-Hefe nach ca. 48 h vollständig verdrängt wird (Abb. 2A). Bei W15 zeigt sich nach dem Animpfen für wenige Stunden eine wilde Aureobasidium-Hefe, bevor diese dann durch die angeimpfte W15 verdrängt wird (Abb. 2B). Im wild&pure-Produkt etablieren sich 48 h nach dem Animpfen Torulaspora und Saccharomyces gleichzeitig, wobei Torulaspora später durch Saccharomyces verdrängt (Abb. 2C) werden. Die Spontangärung mit Ansteller entwickelt am schnellsten eine funktionierende Saccharomyces-Population, da die Hefen durch den Prozess des Anstellens schon richtig aktiv sind (Abb. 2D).

 

 

Ausbau der Weine

Um den biologischen Säureabbau kontrolliert einzuleiten, wurden am 15. November 2023 alle vier Varianten mit Lalvin VP41 (Oeoncoccos oeni) inokuliert. Die Varianten 1, 3 und 4 wurden am 5. Dezember mit 50 mg/L SO2 stabilisiert, Variante 2 am 18. Dezember.

Nach einer Ausbauphase im Stahltank sind die Weine am 5. Februar 2024 über Schichtenfilter vorfiltriert und am 26. März 2024 über Kerzenfilter steril filtriert in Halbliterflaschen abgefüllt worden. Die freie schwefelige Säure wurde bei der Füllung auf 50 mg/L eingestellt.

Versuchsflaschen. © Agroscope)

 

Weinanalyse

In der chemischen Weinanalyse (Tab. 2) zeigen sich sehr wenig Unterschiede. Die These, dass spontane Gärungen im Gegensatz zu reinen Saccharomyces-Hefen mehr Glyzerin bilden, lässt sich hier nicht nachweisen. Die W15 bildet während der Gärung bis zu 1 g/L Bernsteinsäure, was sich hier messen lässt. Bemerkenswert sind zudem die tiefen Anthocyangehalte in der Spontangärung und die hohen Anthocyangehalte mit W15, die sich in der sensorischen Beurteilung durch Panelisten und Fachpersonen wiederfinden lassen.

 

Sensorische Beurteilung

Bei ersten Verkostungen während der Gärung und im Stadium der Jungweine waren grössere Unterschiede wahrnehmbar als bei der Endbeurteilung im Mai 2024. Eine Verkostung am 18. Januar 2024 erbrachte folgende Resultate: Farblich ist lediglich V4 als etwas heller aufgefallen. Die anderen Varianten wiesen ein ansprechendes Mittelrot mit Blaunuancen auf. Varianten 2 und 3 zeigten sich fruchtig-beerig, V4 war eher von Reiffruchtigkeit geprägt. Am würzigsten wurde V4 bewertet. Im Gaumen gefielen von der Fülle her besonders V1, 2 und 4. Alle Weine wurden als fehlerfrei deklariert. Die abschliessende sensorische Prüfung mit einem geschulten und erfahrenen Panel Mitte Mai 2024 zeigte leider keine signifikanten Unterschiede (Abb. 3).

 

Ergebnisse und Fazit

Ebenso zeigte eine geführte Degustation in Zizers mit 33 Vertretenden aus der Weinbranche keine signifikanten Unterschiede in Farbintensität (Abb. 4A), Aromakomplexität (Abb. 4B) oder Liking (Abb. 4C). Zu bemerken ist allerdings, dass die Probe W15 am beliebtesten war. Ein Effekt, der sich vielleicht durch die langjährige Verwendung dieser Hefe in der Deutschschweizer Weinszene erklären lässt.

Die These, dass Mischkulturen oder spontanvergorene Weine eine höhere Aromakomplexität bieten würden, konnte in diesem Versuch nicht bestätigt werden, obwohl im mikrobiologischen Profil deutliche Unterschiede festgestellt wurden.

Dieser Versuch wurde 2024 wiederholt, allerdings jahrgangsbedingt in einer kleineren Menge. Proben wurden wie 2023 genommen und eingefroren, aber noch nicht analysiert (Metabarcoding).

Dank

Die Autoren danken der Wenger Getränketechnologie AG und der Max Baldinger AG für die zur Verfügung gestellten Hefe- und Bakterienpräparate.

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