Wann lohnt sich die Entlaubung bei Äpfeln? Resultate aus zwei Praxisversuchen
Agroscope hat die pneumatische Entlaubung zur Förderung der Ausfärbung an den Apfelsorten Minneiska (SweeTango®) und Rosy Glow (Pink Lady®) getestet. Erste Resultate zeigen, dass diese neue Methode wirtschaftlich interessant sein könnte.
Julia Sullmann und Esther Bravin, Agroscope, Wädenswil
Die Deckfarbe ist ein wichtiges Qualitätskriterium bei zweifarbigen Tafeläpfeln. Je nach Sorte kann jedoch gerade im unteren Baumbereich, wo weniger Sonnenlicht die Früchte erreicht, die Ausfärbung mangelhaft sein. Für den Farbwechsel ist ein Kältereiz erforderlich. Dies könnte bei wärmeren Herbsttemperaturen, gerade bei früheren Sorten, zum Problem werden. Auch zu dichtes Laub beeinträchtigt die Ausfärbung. Neben den etablierten Massnahmen zur Förderung der Deckfarbe, wie eine schlanke Baumform oder ein Belichtungsschnitt, wird zunehmend auch die pneumatische Entlaubung eingesetzt (Abb. 1). Bei dieser neueren Methode wird die Belichtung verbessert, indem äussere Blätter kurz vor der Ernte mit pulsierender Druckluft entfernt werden.
Abb. 1: Früchte und Blätter der Sorte Minneiska direkt nach der Entlaubung. (© Agroscope)
Wie bei vielen neuen Massnahmen stellt sich für Betriebsleitende die Frage, ob sich der zusätzliche Aufwand lohnt. Um eine Grundlage zur Beantwortung dieser Frage zu liefern, hat Agroscope im letzten Jahr zusammen mit der Winkelmann Obst AG und der Union Frutière Lémanique (UFL) zwei Praxisversuche mit den Sorten Minneiska (SweeTango®) und Rosy Glow (Pink Lady®) durchgeführt.
Beim Minneiska-Versuch wurde zusätzlich zur Entlaubung auch der Effekt des Wuchshemmers Regalis® Plus (Regalis) auf die Ausfärbung untersucht. Regalis bremst das Triebwachstum und erhöht dadurch die Lichtzufuhr zu den Früchten. Beim Versuch mit Rosy Glow wurde der Entlaubungseffekt bei einer jungen und einer älteren Anlage miteinander verglichen.
Der Versuch mit Minneiska wurde in Studen BE (430 m ü.M.) durchgeführt. Die Anlage befand sich im 6. Standjahr und ist mit einem grauen Hagelnetz gedeckt. Die Bäume auf der Unterlage M9 sind als hohe, schlanke Spindel erzogen und werden betriebsüblich schmal geschnitten. Untersucht wurden neben der Entlaubung und dem Regalis-Einsatz auch die Kombination der beiden Massnahmen sowie eine unbehandelte Kontrolle. Die Verfahren wurden vierfach wiederholt und jeweils zwölf repräsentative Bäume zur Auswertung bestimmt. Im Frühjahr wurde eine von zwei Versuchsreihen zweimal mit Regalis behandelt (2.5 kg/ha). Die Entlaubung erfolgte Ende August, eine Woche vor der Ernte.
Bei der Entlaubungsmaschine handelte es sich um das Gerät REDpulse Trio der Firma FruiTec (Einstiegsbild; © Agroscope). Es besitzt einen 1.8 m langen Kopf mit drei Rotoren und hat einen Kraftbedarf von 66 kW (90 PS). Entblättert wurde mit einem Arbeitsdruck von 0.8 bar und einer Fahrgeschwindigkeit von 2 km/h. Es wurde einmal pro Baumseite gefahren und dadurch der untere und mittlere Baumbereich bis auf eine Höhe von ca. 2.3 m entblättert. Geerntet wurden alle Verfahren in zwei Pflückdurchgängen. Verluste durch heruntergefallene Früchte wurden stichprobenartig pro Block erhoben. Bei der Sortierung wurden die Früchte auf Druckstellen und Sonnenbrand untersucht und mittels Sortiermaschine in Qualitätsklassen (Grösse, Anteil Deckfarbe) eingeteilt. Zusätzlich wurden von 20 Früchten pro Verfahren die inneren Qualitätsparameter (Festigkeit, Säure, Zucker, Reifegrad) bestimmt.
Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Entlaubungseffekt. Mit allen Verfahren konnte die Ausfärbung im Vergleich zur Kontrolle verbessert werden. Der durchschnittliche Deckfarbenanteil steigt in der Reihenfolge «Regalis», «Entlaubung», «Entlaubung und Regalis» an (Abb. 2 und 3). Der Unterschied zwischen den Verfahren wird besonders deutlich, wenn der Anteil an erster Qualität betrachtet wird. Diese Anforderungen werden vom Club festgelegt und können variieren. Für unsere Auswertungen sind wir von mindestens 50 % Deckfarbe für erste Qualität ausgegangen. Trotz den für die Ausfärbung idealen Wetterbedingungen 2021 erreichten in der Kontrolle nur 36 % der Ernte diese Anforderungen (Abb. 4). Mit Regalis stieg dieser Anteil um 10 %, mit der Entlaubung um 28 %. Die Kombination beider Massnahmen erhöhte den Anteil sogar um 44 %. Somit erreichten im kombinierten Verfahren 80 % der Ernte einen Deckfarbenanteil von über 50 %. Verglichen mit Regalis hatte die Entlaubung einen deutlich stärkeren Effekt auf die Ausfärbung.
Abb. 2: Verteilung der geernteten Früchte in Deckfarbenklassen in einem Entlaubungsversuch mit der Sorte Minneiska im Jahr 2021. τ zeigt den durchschnittlichen Deckfarbenanteil, λ den Anteil der 1. Pflücke an der Gesamternte.
Abb. 3A–D: Fruchtmuster des 2. Pflückdurchgangs am 4. September 2021 (11 Tage nach der Entlaubung) der Sorte Minneiska. (© Agroscope)
Die Entlaubung und der Regalis-Einsatz hatten keinen Einfluss auf die durchschnittliche Fruchtgrösse. Diese lag bei allen Verfahren bei rund 70 mm und der Anteil an Früchten mit Kaliber 65 bis 85 mm lag bei rund 82 %. Hingegen konnte der Ernteanteil des ersten Pflückdurchgangs im kombinierten Verfahren «Entlaubung und Regalis» im Vergleich zur Kontrolle von 13 auf 30 % gesteigert werden (Abb. 4). Aufgrund der hohen Temperaturen und der raschen Reife konnte kein dritter Pflückdurchgang abgewartet werden. Analysen der inneren Fruchtqualität zeigten zudem einen leicht schnelleren Stärkeabbau bei den entlaubten Verfahren, wodurch sich das Erntefenster zusätzlich verkürzte. Bei den Parametern Zucker, Säure und Festigkeit wurden keine Unterschiede beobachtet.
Abb. 4: Anteil an Früchten mit mehr als 50 % Deckfarbe im Entlaubungsversuch mit der Sorte Minneiska. Die schwarze Linie in der Box zeigt den Median, das schwarze ♢-Symbol den Durchschnitt der vier Wiederholungen. Verfahren mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich statistisch signifikant (Tukey-HSD, α = 0.05).
Verluste durch die mechanische Beanspruchung während der Entlaubung sind bei einer locker sitzenden und druckempfindlichen Sorte wie Minneiska nicht zu vernachlässigen. Bei der Erhebung der heruntergefallenen Früchte zeigte sich, dass durchaus mit Verlusten von ein bis fünf Früchten pro Baum gerechnet werden muss. Die erheblichen Unterschiede zwischen einzelnen Bäumen machen eine genaue Abschätzung des Verlusts aber schwierig. Weitere Schäden durch Druckstellen waren sehr gering. Trotz wolkenlosen Bedingungen in den Tagen nach der Entlaubung wurden bei keinem Verfahren Schäden durch Sonnenbrand festgestellt. Die graue Hagelnetzabdeckung könnte dabei von Vorteil gewesen sein.
Wenig Wirkung bei der späten Sorte Rosy Glow
Beim Versuch mit Rosy Glow in Prangins VD (430 m ü.M.) wurde der Entlaubungseffekt bei einer jungen Anlage (5. Standjahr) und einer älteren Anlage (10. Standjahr) untersucht. Zum Einsatz kam in diesem Versuch die Maschine der Firma Collard. Die Entlaubung wurde Ende Oktober drei Wochen vor der Ernte durchgeführt. Gefahren wurde mit einem Arbeitsdruck 0.9 bar bei einer Geschwindigkeit von 1.2 km/h. Die Ernte von zehn Bäumen pro Verfahren wurde ebenfalls in zwei Pflückdurchgängen durchgeführt und die Auswertung erfolgte analog zum Minneiska-Versuch.
Die Ergebnisse bei der späten Sorte Rosy Glow zeigten im Gegensatz zur frühen Sorten Minneiska nur einen minimalen Effekt auf die Deckfarbe. Die Ausfärbung in der unbehandelten Kontrolle lag mit einem durchschnittlichen Deckfarbenanteil von rund 80 % in der älteren Anlage und rund 90 % in der jungen Anlage bereits auf sehr hohem Niveau. In der älteren Anlage zeigte sich überhaupt kein positiver Effekt durch die Entlaubung. In der jungen Anlage war der durchschnittliche Deckfarbenanteil mit 95 % etwas höher als in der unbehandelten Kontrolle. Da aber der Ertrag nicht ganz gleichmässig verteilt war, ist dieser Wert mit Vorsicht zu interpretieren. Betrachtet man den Anteil an Früchten, die mit mehr als 66 % Deckfarbe die Anforderungen für die Club-Qualität Pink Lady® erreichen, sehen wir keine nennenswerte Erhöhung in diesem Versuch.
Bei den Verlusten durch heruntergefallene Früchte zeigte sich Rosy Glow deutlich weniger problematisch als Minneiska. Bei 220 ausgezählten Bäumen lagen die Verluste durchschnittlich bei 0.5 Äpfel pro Baum. Es wurde dabei kein Unterschied zwischen der älteren und der jüngeren Anlage festgestellt. Verluste durch Druckstellen und Sonnenbrand lagen sowohl in den entlaubten als auch in den unbehandelten Verfahren zwischen 1 bis 2 %. Es ist also nicht mit einem bedeutenden Verlust durch die Entlaubung zu rechnen.
Kosten-Nutzen-Rechnung
Um die Wirtschaftlichkeit der Entlaubung abschätzen zu können, wurde eine Kosten-Nutzen-Rechnung durchgeführt. Für die verschiedenen Verfahren aus dem Minneiska-Versuch wurde der Erlös pro Verfahren anhand der erzielten Sortierergebnisse mit den Preisen nach Klasse und dem durchschnittlichen Ertrag von 18 kg/Baum (41.4 t/ha bei 2300 Bäumen) berechnet. Es wurde von einer Qualitätsanforderung von >50 % Deckfarbe und 65 bis 85 mm Kaliber und einem Auszahlungspreis von 1.5 Fr./kg für die 1. Klasse ausgegangen (Tab. 1).
Tab. 1: Annahmen für Anforderungen und Auszahlungspreis der Qualitätsklassen.
Die Kosten für die Entlaubung belaufen sich nach unseren Berechnungen insgesamt auf rund 480 Fr./ha. Nach Angaben des Herstellers sind wir von Investitionskosten für die Maschine von 45 000 Franken und einer Abschreibungsdauer von zehn Jahren ausgegangen. Reparaturkosten der Maschine wurden mit 456 Fr./Jahr berücksichtigt und Basis für die Kosten pro Fläche war ein Einsatz auf jährlich 30 ha (Tab. 2). Zusätzlich zu den direkten Kosten, die durch die Entlaubung anfallen, wurde bei den entlaubten Verfahren ein Ertragsverlust von 2.5 heruntergefallenen Äpfeln pro Baum sowie 1 % Ausfall durch Reibschäden und Sonnenbrand einberechnet. Dieser Verlust beträgt in unserem Beispiel 1.3 t/ha.
Tab. 2: Kennzahlen für die Kostenberechnung.
Die Qualitätssteigerung durch den Einsatz des Entlaubers und Regalis führten in unserem Versuch zu einem Mehrerlös, der die Zusatzkosten der jeweiligen Verfahren deutlich übersteigt. Die Kombination aus Entlaubung und Regalis brachte dabei verglichen mit der Kontrolle mit rund 17 000 Franken den höchsten Mehrgewinn ein. Auch einzeln lohnten sich in unserem Fall die Massnahmen mit einem Mehrgewinn von rund 11 500 Franken bei der Entlaubung und rund 4200 Franken beim Einsatz von Regalis (Tab. 3). Da beim Versuch mit Rosy Glow kein Effekt der Entlaubung auf das Sortierergebnis beobachtet wurde, resultiert kein Mehrerlös in den entlaubten Verfahren verglichen mit der Kontrolle. Es wurden daher auf eine Kosten-Nutzen-Rechnung verzichtet. Zu erwähnen bleibt, dass bei einem geringen Flächeneinsatz des Entlaubers die Kosten pro Hektar stark ansteigen. Dadurch dürfte sich die Entlaubung in den meisten Fällen nur beim überbetrieblichen Einsatz oder beim Einsatz durch Lohnunternehmer auszahlen.
Tab. 3: Kosten-Nutzen-Rechnung für die verschiedenen Verfahren des Entlaubungsversuchs mit der Sorte Minneiska/SweeTango®.
Fazit aus den Versuchen und der wirtschaftlichen Beurteilung
Bei der frühen Sorte Minneiska konnte gezeigt werden, dass mit der pneumatischen Entlaubung bei Ausfärbungsproblemen deutliche Qualitätssteigerungen möglich sind, die sich positiv auf das Betriebsergebnis auswirken können. Durch den kombinierten Einsatz mit Regalis kann die Ausfärbung weiter verbessert werden. Gleichzeitig lässt der Versuch mit Rosy Glow erkennen, dass sich bei späten Sorten der Entlaubungseffekt reduziert. Studien wie jene von Baab et al. (2021) deuten darauf hin, dass mit einer Entlaubung zu einem früheren Zeitpunkt bereits Mitte bis Ende September bessere Ausfärbungsergebnisse erzielt werden können. Der frühere Blattmasseverlust und die dadurch geringere Versorgung mit Kohlenhydraten dürfte sich jedoch negativ auf die Fruchtgrösse oder die Ertragsbildung in den Folgejahren auswirken. Ob eine frühere Entlaubung einer späten Sorte wie Rosy Glow sinnvoll ist, müsste längerfristig genauer untersucht werden.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung zeigt, dass sich der Zusatzaufwand einer Entlaubung bei Sorten mit Ausfärbungsproblemen lohnen kann. Insbesondere dann, wenn ein grosser Preisunterschied zwischen der ersten und der zweiten Klasse besteht. Die Entlaubung dürfte dadurch vor allem bei hochpreisigen Vertragssorten interessant sein. Je nach Kosten der Entlaubung wäre auch ein gewinnbringender Einsatz bei Standardsorten denkbar.
Dank
Wir bedanken uns insbesondere bei den beiden Betriebsleitern Martin Winkelmann und Reynald Pasche für die Versuchsdurchführung sowie bei den übrigen Partnern Club SweeTango, UFL und Tobi Seeobst für die gute Zusammenarbeit.
Literatur
Baab G. und Hilsendegen P., 2021: Das Farbenspiel beim Apfel, Hintergründe der Fruchtausfärbung und Massnahmen zur Unterstützung. AGROselection, 1. Aufl., 105 S.