Weinlesedaten der Deutschschweiz

Die Daten der Weinlese 2020 in der Deutsch­schweiz zeigen deutlich geringere Erträge als im Vorjahr. Diese eher unterdurchschnittlich kleine Ernte führte auch zu einer gewissen Entspannung auf dem Deutschschweizer Weinmarkt.


Roland Müller

Die Weinlese 2020 hatte durchaus ihre Besonderheiten. Die Coronakrise mit ihren Auswirkungen auf Absatz und Konsumverhalten setzte bereits im Frühling den inländischen Weinmarkt massiv unter Druck. Dies führte dazu, dass viele Traubenaufkäufer bereits im Frühsommer zu einer massiven Ertragsregulierung aufgerufen haben. Zugleich zeigte sich, dass man aber die Rechnung mit der Vegetationsentwicklung nicht vorgängig machen kann. Zum Teil sehr ungünstige Witterungsverhältnisse mit kalten Temperaturen und Nässe sorgten dafür, dass die Trauben sehr schlecht verblühten, was in einigen Lagen die Erträge massiv schwinden liess.

Bezüglich der Nachfrage und aufgrund verstärkter Absatzmöglichkeiten kam im Spätsommer im Traubenmarkt etwas Hektik auf. Es zeichnete sich ab, dass die von den Kellereien eher tief angesetzten Übernahmemengen gar nicht mehr erreicht werden konnten. Plötzlich war insbesondere der Blauburgunder wieder verstärkt gesucht, wobei sich diese verbesserte Nachfrage nicht auf den Traubenpreis durchschlug.

Im Kanton Schaffhausen lag die Ernte bei rund 80 % des 10-jährigen Mittels. Etwas höher fiel sie im Thurgau mit 85 % aus. Ebenfalls deutlich unter dem langjährigen Mittel war die Weinlese in der Nordwestschweiz (BL, BS, SO) mit 82 %. Ähnlich tief sahen die Werte in den Kantonen Bern, Aargau und Schwyz mit 81 % aus. Mit einem blauen Auge kam der Kanton Zürich davon, wo immerhin noch 95 % gelesen werden konnten. Mit einem Einbruch von einem Viertel mussten die Winzer im Kanton St. Gallen leben. Den massivsten Rückgang verzeichnete das Bündnerland mit noch 60 % beim Blauburgunder.

Ein Blick auf die detaillierten Resultate der Weinlese widerspiegelt eindrucksvoll die sehr schlechte Blüte. Vom Blauburgunder konnten im Kanton St. Gallen 364 g pro Quadratmeter, in Graubünden 425 g, im Aargau 487 g, am Thunersee 448 g, in der Zentralschweiz (LU, UR, OW, NW, ZG) 505 g geerntet werden. Noch weniger im Kanton Schwyz mit 446 g.

Etwas besser sieht es im Kanton Zürich mit 624 g aus, Thurgau erreichte 526 g, die Nordwestschweiz 520 g und Schaffhausen 574 g. Beim Riesling-Silvaner ist ein uneinheitlicher Trend auszumachen. Während am Bielersee 1.1 kg geerntet werden konnten, waren es in Schwyz 531 und in St. Gallen 488 Gramm. In den grössten Weinbaukantonen wurden im Kanton Zürich 786, in Graubünden 814, im Aargau 702, im Thurgau728 und in Schaffhausen 760 Gramm gelesen.

Die Öchslewerten fielen beim Blauburgunder am Thunersee mit 104, am Bielersee mit 100 und in der Nordwestschweiz mit 101° am höchsten aus. In den übrigen Kantonen liegen sie zwischen 93 und 99 °Oe. Beim Riesling-Silvaner ist die Spannweite deutlich höher ausgefallen: Wiederum liegt hier der Thuner- und der Bielersee mit 90 °Oe respektive 92 °Oe an der Spitze, gefolgt von vom Aargau und der Nordostschweiz mit je 83 °Oe. In den übrigen Regionen sind zwischen 79 und 82 °Oe verzeichnet worden.
 

Wirtschaftliche Tragbarkeit

Die eher tiefen Erträge haben auch die finanziellen Erlöse für die Ernte markant schwinden lassen. Damit sank auch die wirtschaftliche Tragbarkeit des Weinbaus auf der Stufe Produktion, was sich insbesondere auf Weingüter im Generationenwechsel, auf Hobbyweinbauern wie auch auf bäuerliche Spezialkulturen mit eher kleineren Flächen auswirken könnte. Besonders handarbeitsintensive Steillagen, auf denen der Mechanisierung starke Grenzen gesetzt sind, stehen vor einer schwierigen Zukunft, da sich die Schere zwischen Kosten und Ertrag immer weiter öffnet. Ein Blick in die Zahlen der Steillagen am Schiterberg zeigt dies eindrücklich. Bei einem Blauburgunderertrag von 800 g wäre ein Traubenpreis von Fr. 5.– nötig, um die Produktionskosten zu decken.

Zugleich erweisen sich auch die neuen Piwi-Sorten als nicht unbedingt ertragssicher. Von der flächenmässig bereits bedeutenden Sorte Cabernet Jura wurde im Kanton Zürich bei den AOC-Weinen noch 517 g geerntet. Beim Muscaris lag der Wert mit 300 g noch tiefer. Im Thurgau waren es 358 resp. 138 g und im Kanton Schaffhausen 680 resp. 238 g. Dasselbe gilt auch für altbekannte Piwi-Sorten wie Léon Millot, Solaris und Maréchal Foch, die ebenfalls sehr tiefe oder unterdurchschnittliche Erträge verzeichneten. Sie variieren beim Léot Millot zwischen 215 (SH) und 687 g (TG), beim Solaris sind es 485 in SH und 697 g im TG. Beim Maréchal Foch sind zwischen 389 (ZH) und 579 g (TG) geerntet worden.

Auf der Seite des Handels sorgte die eher kleine Ernte dafür, dass Lagerbestände aus den Vorjahren zügiger abgebaut werden konnten. Damit wurde eine gewisse Marktentlastung erreicht, was aus Sicht der Produktion mit Blick auf die Erträge hoffentlich wieder zu mehr Spielraum nach oben führt.  
 

Blick über den Grenzzaun

Bezüglich den Erträgen ist durchaus auch ein Blick ins angrenzende Baden-Württemberg interessant, wo ebenfalls Blauburgunder (Spätburgunder) und Riesling-Silvaner (Müller-Thurgau) zu den Hauptsorten gehören. In Deutschland werden dabei die ­Erträge nicht mit Gramm je Quadratmeter, sondern mit dem umgerechneten Hektoliterertrag pro Hektare angegeben. Die Vergleiche zeigen frappante Differenzen. Wurden in den Ostschweizer Kantonen zwischen 41.2 hl (SH), 48.1 hl (ZH) und 48.7 hl (TG) bei einer Ausbeute von 75 % geerntet, so waren es in Deutschland (provisorische Zahlen) 87.3 hl und im angrenzenden Baden-Württemberg 71 hl.

Bezüglich dem Gesamtertrag über alle Sorten hinweg sind die Erträge in Deutschland um das 1.8- bis 2.1-fache höher als in den Ostschweizer Kantonen ausgefallen. Im direkten Vergleich mit Baden-Württemberg sind es das 1.5- bis 1.7-fache, wo beispielsweise die Lagen in Erzingen direkt an Trasadingen angrenzen oder in Blickweite von der Schweizer Grenze entlang des Rheins oder am Bodensee liegen. Bezüglich der Sorten sind im Baden-Württemberg beim Riesling-Silvaner gegenüber den Ostschweizer Kantonen 50 bis 60 % und beim Blauburgunder 50 bis gar 70 % mehr geerntet worden.

Dass man auch bei deutlich höheren Erträgen keine Abstriche bezüglich der Oechs-lewerte in Kauf nehmen muss, bestätigt auch hier der direkte Vergleich. Beim Riesling-Silvaner liegen die deutschen Werte bei 78 bis 81 °Oe, also auf demselben Niveau wie in der Ostschweiz. Auch beim Blauburgunder sieht es ähnlich aus, wo die Schweizer Werte mit 94 bis 97 °Oe auf demselben Niveau wie im benachbarten Baden-Württemberg (95 °Oe) liegen.

 

Titelbild: In den Zürcher Reblagen, wie hier am Wein­bauzentrum Wädenswil, sind mittlere Erträge verzeichnet worden. (Foto: weinweltfoto.ch)

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