Biologische Vielfalt im Boden: Vorteile und Auswirkungen des Weinbaus
Wenn wir mit unseren Füssen auf dem Erdboden stehen, denken wir nicht darüber nach, was der Boden eigentlich ist. Tatsächlich aber ist der Boden lebendig und sowohl physiologisch, biologisch als auch funktional vielfältig. Gerade die in der Landwirtschaft Tätigen tun gut daran, sich der Zusammenhänge bewusst zu sein.
Das Wort «Boden» verbinden wir meist mit den Adjektiven nass und schlammig oder definieren es aufgrund der Bodenbedeckung als Gras oder Blumenwiese. Zu wenig aber machen wir uns bewusst, warum wir auf brauner oder rötlicher Erde, gelegentlich auf Steinen, einem lockeren Humus oder auf einer harten Kruste stehen und was dies bedeutet. Laut des «United Nations Environmental Program» begründet sich die biologische Vielfalt des Bodens auf der Variabilität der lebenden Organismen im Boden und der ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören. Diese Variabilität umfasst die Makro-, Meso- und Mikrofauna sowie Mikroorganismen, die regulierende und unterstützende Ökosystemleistungen erbringen, die für die Landwirtschaft von Nutzen sind.
Die unsichtbare Arbeit des Bodens
Im Boden am leichtesten zu erkennen sind Makroorganismen wie Regenwürmer, die im feuchten Boden Abdrücke hinterlassen. Es gibt drei verschiedene Arten von Würmern, die jeweils unterschiedliche Funktionen im Erdreich haben. Epigäische Regenwürmer leben im Oberboden, knapp unterhalb der Erdoberfläche und ernähren sich vom Laubstreu und helfen bei der Zersetzung der Abfälle des Oberbodens. Endogäische Regenwürmer wühlen horizontal im Boden und anökische Regenwürmer vertikal zum Oberboden in tieferen Erdschichten. Sowohl endogäische als auch anökische Regenwürmer ernähren sich vom Boden und tragen zu seiner Zersetzung bei. Insbesondere verbessern sie mit ihren Gängen die Wasser- und Luftzufuhr des Bodens. Ausserdem sind sie wichtige Akteure in hydrologischen Prozessen, so machen sie Wasser der tieferen Erdschichten besser verfügbar.
Lebewesen zwischen 2 mm und 0.2 mm gross werden als Meso- und Mikrofauna bezeichnet. Sie tragen im Allgemeinen zur Zersetzung und Nährstofffreisetzung der Streu bei. Collembolen (Springschwänze) zersetzen beispielsweise organisches Material oder tragen zur Verbreitung von Pilzsporen und Bakterien bei und können als Indikatoren für negative Veränderungen in der Landnutzung dienen. Nematoden ernähren sich hauptsächlich von lebendem Material, regulieren die Bakterienpopulation und -zusammensetzung und spielen eine Rolle im Stickstoffkreislauf.
Generell spielen Mikroorganismen eine wichtige Rolle in allen Nährstoffkreisläufen. So unterstützen Bakterien das Pflanzenwachstum. Dank der sogenannten Mykorrhiza, einer symbiotischen Verbindung zwischen Pilzen und Pflanzen, können letztere Nährstoffe und Wasser aus Quellen ausserhalb der Reichweite ihres Pflanzen-Wurzelsystems erreichen. Darüber hinaus können Mikroorganismen auch zur Entgiftung des Bodens und zur Unterdrückung von Schädlingen beitragen.
Auswirkungen des Weinbaus
Die Landwirtschaft kann sowohl negative wie auch positive Auswirkungen auf die biologische Vielfalt im Boden haben. Um gesundes Traubenmaterial zu produzieren, fahren die Winzerinnen und Winzer mehrmals mit ihren Traktoren in den Rebberg. Manche Winzerinnen und Winzer öffnen im Frühjahr jede oder jede zweite Reihe, um die Konkurrenz der Pflanzen um Wasser und Nährstoffe zu verringern oder um bestimmte Nährstoffe wie z.B. Stickstoff freizusetzen. Der Bewuchs des Unterstockbereichs kann einerseits durch eine mechanische Bodenbearbeitung kontrolliert werden oder andererseits durch die Applikation von Herbiziden. Der Einsatz von Fungiziden ist ebenfalls eine gängige Praxis, um sicherzustellen, dass im Herbst gesunde Trauben geerntet werden können. Durch die Wahl einer nachhaltigen Bewirtschaftungsform können zwar die Einsätze an Fungiziden und die Durchfahrten in der Parzelle minimiert, jedoch nie ganz weggelassen werden.
Die unmittelbare Folge der Bodenbearbeitung ist einerseits ein Rückgang der Gründünung im Rebberg, was den Lebensraum der Makro- und Mesofauna reduziert oder die Bodenstruktur zerstört, andererseits verringert sich der Gehalt an Gesamtkohlenstoff sowie des organischen Kohlenstoffs im Boden. Abbildung 1 zeigt eine Wärmekarte eines kleinen Ausschnitts eines Weinbergs in Brackenheim (D) mit der Bodenart Umbric Leptosol. Es handelt sich um einen typischen Weinbergboden. Die offenen Kreise sind die Rebstöcke, die schwarzen Punkte sind das Bodenbeprobungsraster innerhalb von 7 × 5 m. Der Winzer hat die rechte Zwischenreihe im Frühjahr des Probenahmejahres bearbeitet. Die linke Zwischenreihe ist seit über einem Jahr nicht mehr bearbeitet worden. Wo es viel lebendes Pflanzenmaterial gibt, ist auch der Anteil an organischem Kohlenstoff im Boden sowie das Enzym Xylanase hoch. Die Bodenbearbeitung hat nicht nur Kohlenstoff aus dem Boden freigesetzt, was Auswirkungen auf die Treibhausgase hat, sondern eine indirekte Auswirkungen auf die mikrobielle Gemeinschaft im Boden. Die Abundanz der Bakterien, die sich von Kohlenstoffsubstraten ernähren, und die Xylanase, die zum Kohlenstoffkreislauf beiträgt und pflanzliche Zellwände abbaut, werden verringert. Dies schränkt die Fähigkeit der Mikroorganismen ein, um die erforderlichen Leistungen für ein gesundes Pflanzenwachstum zu erbringen.
Abb. 1: Interpolationskarten der Pflanzentrockenmasse, des organischen Kohlenstoffs im Boden und der potenziellen Enzymaktivität der Xylanase, wobei hohe Werte durch eine dunkelbraune Färbung und niedrige Werte durch eine hellgelbe Färbung dargestellt werden. Offene Kreise stellen Weinreben dar, geschlossene Bodenproben-Entnahmestellen. Die rechte Zwischenreihe wurde im Probejahr geöffnet. Der Nordpfeil zeigt auch die Steigung an.
Kupfereinsatz
Der historische Einsatz von Kupferfungiziden hat die landwirtschaftlichen Oberböden in ganz Europa erheblich belastet. Vor allem der ökologische Landbau ist mangels zugelassener alternativer Pflanzenschutzmittel weiterhin auf den Einsatz von Kupferfungiziden angewiesen. In den letzten Jahren wurden die Auswirkungen der Kupferanreicherung im Boden untersucht und Ergebnisse weisen auf einen Rückgang der Ökosystemleistungen hin, die von Makro- und Mikroorganismen abhängen.
Das Vorkommen an Regenwürmer und die Vielfalt anderer Makro- und Mesofauna nimmt mit hohem Schwermetallgehalt ab. Kupfer beeinträchtigt auch langfristig die Funktion mikrobieller Enzyme, wie z.B. der Phosphotase und der Arylsulfatase, indem es in das aktive Zentrum eingreift und Enzym-Substrat-Reaktionen verhindert. Abbildung 2 zeigt die gleiche Parzelle wie in Abbildung 1 und illustriert, dass sich der verfügbare Kupferanteil unter den Rebstöcken akkumuliert hat.
Abb. 2: Interpolationskarten des verfügbaren Kupfergehalts (DTPA-Kupferfraktion) und potenzielle Enzymaktivität der Phosphotase.
Die Phosphotase, ein wichtiges Enzym im Phosphorkreislauf, ist als Folge unter den Reben viel niedriger als in der Zwischenreihe (Abb. 2). Kupfer ist jedoch nicht das einzige Fungizid, das sich negativ auf die biologische Vielfalt des Bodens auswirkt. Kürzlich haben Studien gezeigt, dass synthetische Fungizide wie Folpet auch negative Auswirkungen auf die Makrofauna, z.B. auf Frösche haben, was indirekt das Ökosystem, die Nahrungskette und die Bodenstruktur verändert.
Sorgfältige Managementstrategie
Nachteile können minimiert und positive Auswirkungen unterstützt werden, indem die Managementstrategie des Betriebs angepasst wird. In Bezug auf die Bodenbearbeitung hat sich die Direktsaat als vorteilhaft erwiesen, da die schädlichen Auswirkungen auf die Bodenstruktur, die mikrobielle Vielfalt und die Funktion des Bodens ausbleiben. Je nach Mikroklima ist dies allerdings nicht immer realistisch. In Gebieten mit hohen Niederschlagsmengen und starkem Unterstockbewuchs würde dies auch eine Zunahme des Herbizideinsatzes bedeuten, was seine eigenen Konsequenzen impliziert, einschliesslich der Grundwasserverschmutzung.
In Bezug auf den Einsatz von Fungiziden gibt es momentan keine zufriedenstellende Alternative zu Kupfer oder synthetischen Lösungen. Neue robuste Rebsorten ermöglichen es, die Gesamtmenge an Pflanzenschutzmitteln zu verringern, indem die Anzahl der Spritzungen je nach Sorte um 60 bis 90 % reduziert wird. Bei traditionellen Rebsorten ist es wichtig, die modernste verfügbare Pflanzenschutzstrategie anzuwenden, wie beispielsweise die LowResidue-Strategie. Sie umschreibt, dass nach der Blüte nur biologische Fungizide mit niedrigem Kupfergehalt bei derselben Häufigkeit wie konventionelle ÖLN-Strategien appliziert werden. Zusätzlich ist es wichtig, den Einsatz an Pflanzenschutzmittel möglichst gering zu halten. Dies ist mithilfe von Prognosemodellen wie Agrometeo, die das Krankheitsrisiko anhand lokaler Wetterdaten bestimmen, einfacher zu erreichen.
Produzenten können die biologische Vielfalt und die Anzahl verfügbarer Nährstoffe unterstützen, indem sie gelegentlich Kompost dem Boden beifügen. Die Zugabe von Biokohle steigert den Kohlenstoffgehalt im Boden, was wiederum eine Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre zur Folge hat (Abb. 3). Biokohle gleicht der dunklen humus- und nährstoffreichen Erde «Terra Preta» und wird aus Materialien wie Holz oder Stroh hergestellt, die bei hohen Temperaturen verbrannt werden, auch Pyrolyse genannt.
Abb. 3: Biokohle mit dem Oberboden gemischt. (© Agroscope)
Allerdings hat Biokohle in Böden, die nicht sandig oder arm an Nährstoffen sind, weniger Vorteile für die biologische Vielfalt. Derzeit sind sich Studien uneins, ob eine konventionelle, biologische oder biodynamische Bewirtschaftung der Rebparzellen besser für die Bodengesundheit ist. Klar ist, dass langfristige Lösungen benötigt werden, damit weniger Pflanzenschutzmittel appliziert und die Parzellen weniger befahren werden müssen. Traubensorten, die gegenüber Pilzkrankheiten widerstandsfähig sind und qualitativ guten Wein produzieren, können ein Teil der Lösung sein.
Die Situation in der Schweiz
Um eine nationale Übersicht zur aktuellen Fungizidakkumulation an Kupfer und synthetischen Pflanzenschutzmitteln sowie zur mikrobiellen Vielfalt in den Böden von Schweizer Rebbergen zu gewinnen, analysiert Agroscope derzeit Proben von über 70 Weingütern in drei Kantonen (Zürich, Waadt und Wallis). Ein Doktorand wird bei der Analyse dieser Ergebnisse helfen. Die Resultate werden 2023 erwartet.
Abb. 4: Bodenprobenahme, 0 cm bis 15 cm tief, in Kanton Zürich. (© Agroscope)