Buchbesprechung: «Wein, Schlösser, Adel»

Ein Buch über die Weinschlösser in der Schweiz zeigt, dass der Adel auch in der föderalistischen Schweiz noch immer über viele begehrenswerte Immobilien verfügt.


Markus Hungerbühler
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 12 / 2022 , S. 26

«Die Bezeichnung Schloss wird für die Ernte aus einer oder mehreren Nachbarparzellen verwendet, die eine homogene Produktionseinheit bilden und zu einem Grundbesitz gehören, auf dem sich ein Gebäude befindet, das historisch oder traditionsgemäss als Schloss bezeichnet wird», so definiert der Kanton Wallis den juristisch trockenen  Begriff «Château». Was sich dahinter in der Realität aber verbirgt, illustrieren die beiden Journalisten und Weinenthusiasten Andreas Z’Graggen (früherer Chefredaktor der «Bilanz») und Markus Gisler (früherer Chefredaktor von «Cash») mit dem vorliegenden Buch vortrefflich. Auf 448 Seiten schreiben sie nicht nur über die herrschaftlichen Gebäude, sondern auch über die von diesen Gütern erzeugten Weine und vor allem über die früheren und aktuellen Personen hinter den Schlössern und den Weinen. 

In 40 Einträgen, aufgeteilt nach den Regionen Waadt, Berner in der Waadt, Genf, Neuenburg, Wallis, Tessin, Deutschschweiz und Graubünden,  beschreiben die Autoren (frühere) adlige Familien und deren Schlösser, Herrenhäuser, Burgen oder Domänen. Viele der beschriebenen Schlösser wurden schon im Mittelalter angelegt, ein weiterer Höhepunkt der Bautätigkeit folgte zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert. Jeder Eintrag stellt die aktuellen Eigentümer vor und deren oft illustren, weitgereisten und mehr oder weniger erfolgreichen adligen Vorfahren; so gewann Hélène de Pourtalès von der Neuenburger Familie de Pourtalès von der Domaine Hôpital de Pourtalès bereits im Jahr 1900 eine Goldmedaille für die Schweiz im Yachtsegeln an den Olympischen Spielen in Paris. 

 

 

Andreas Z’Graggen, Markus Gisler:  «Wein, Schlösser, Adel», Weber Verlag, Fr. 89.–, ISBN 978-3-03922-125-7.

 

Feudales Wirtschaften

Zu den herrschaftlichen Gebäuden gehörte nach feudaler Wirtschaftsweise in der Regel ein Landwirtschaftsbetrieb samt Rebberg. Das Buch zeigt, wie die heutigen Eigentümer den Weinbau noch selbst betreiben, ihre Reben von bekannten Önologen keltern lassen oder an Dritte verpachten. Dabei sind sie hoher Qualität und oft auch der Nachhaltigkeit verpflichtet, die sie der langen Familientradition, dem historischen Familiennamen, dem Wappen oder dem Schloss auch in Zukunft schulden. Es erstaunt daher nicht, dass einige der dargestellten Weinbaubetriebe zur Spitze der Schweizer Weinproduzenten gehören. 

Altes neu entdecken

Der Band ist mit 691 Abbildungen reichhaltig ausgestattet. Die Fotos von Markus Gisler sind eine Augenfreude. Insbesondere die Aufnahmen der Schlösser samt Rebbergen mittels Drohne sind beeindruckend und zeigen die stimmige Einheit von Landschaft und Gebäude. 

«Wein, Schlösser, Adel» lädt zum Entdecken eines unbekannten Teils der historischen Schweiz, aber auch neuer Weine ein. Die Autoren zeigen die reizvolle Verbindung von Schloss und Wein, die weit mehr ist als es der abstrakte Begriff erwarten lässt.

Titelbild

Schloss inmitten von Weinbergen in der Waadt. 

© Hans-Peter Siffert/weinweltfoto.ch


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