© Augustin Mettler

«Das Alte ehren und das Neue wagen»

DistiSuisse 2023 verzeichnete einen Anmelderekord mit 790 Produkten, was für die Jury 
eine anspruchsvolle Arbeit bedeutete. Im Interview gewährt uns Jury-Präsident Jonas Inderbitzin einen Einblick in die Highlights der Verkostung und gibt Tipps für Brennerinnen und Brenner.

Artikel von:
O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 14 / 2023 , S. 9

O+W: Sie sind dieses Jahr neu in der Funktion als Jury-Präsident tätig. Wenn Sie auf die Verkostung zurückblicken, was waren die grössten Herausforderungen?
Jonas Inderbitzin: Das Offensichtliche ist erstmal die grosse Anzahl Proben, die es logistisch zu bewältigen galt, das heisst entgegennehmen, einräumen, überprüfen, in die richtige Kategorie einteilen, codieren und für die Verkostung vorbereiten. Die schiere Menge zeigt, dass die Branche lebt. Das ist ein grosser Vertrauensbeweis gegenüber der DistiSuisse. Als Zweites denke ich aber auch an den Balanceakt zwischen Kontinuität und Fortschritt, beides ist für eine Prämierung zentral. Das Ziel war, das Alte zu ehren und dennoch das Neue zu wagen.

 

In unserer Ausgabe 12/2023 (S. 22) nannten Sie die Reproduzierbarkeit der Prämierung als den zentralen Punkt, den Sie optimieren wollten. Welche Massnahmen wurden dazu ergriffen?
Wir haben den Fokus verstärkt auf detaillierte Produktbeschreibungen gelegt und unsere Software für die Probenanmeldung und für die Verkostung überarbeitet. In diesem Zusammenhang möchte ich die wertvolle Zusammenarbeit mit Harald Ott und der Destillata erwähnen, die uns eine an unsere Bedürfnisse angepasste Software zur Verfügung gestellt haben (Abb. 1). Neben der bewährten Schulung für die Verkostenden haben wir von einem dreistufigen auf ein vierstufiges Bewertungssystem umgestellt.

 

Abb. 1: Jury-Präsident Jonas Inderbitzin (r.) und Softwarespezialist Harald Ott. (© O+W)

 

In vielen Kategorien gibt es mehrere Produkte mit gleichvielen Punkten. Dennoch gibt es nur einen Kategoriensieger. Wie wurde der gekürt?
Der Kategoriensieger wurde mit einem zusätzlichen Stichentscheid zwischen den besten Produkten festgelegt. Konkret hatte jedes Jurymitglied eine Stimme für seinen jeweiligen Favoriten zu vergeben. Bei Stimmengleichheit zwischen mehreren Produkten wurde die Stichwahl zwischen diesen fortgeführt, bis ein eindeutiger Sieger feststand.

 

Was ist Ihnen bei der Verkostung besonders positiv aufgefallen?
Gefreut habe ich mich über die hervorragende Arbeit der Jurymitglieder. Man muss sehen, es kamen Menschen mit sehr unterschiedlichen beruflichen und persönlichen Hintergründen in einem Raum zusammen, über die Sprachgrenze hinweg, und alle haben ausgesprochen kollegial und professionell miteinander gearbeitet. Darauf dürfen wir stolz sein.

 

Welche Trends und Innovationen in der Spirituosenbranche wurden während der Verkostung beobachtet?
Die Qualität und die Vielfalt der Spirituosen haben noch einmal zugenommen. Wenn man die Zahlen anschaut, dann haben die Kategorien «Pflaumen-, Zwetschgen-, Damasson rouge-, Mirabellenbrand», «Likör» und «Vieille-Produkte» anteilsmässig einen deutlichen Zuwachs verzeichnet (Abb. 2). Nach wie vor sehr stark vertreten sind die «Wacholder Spirituosen», bei denen Gin mit inbegriffen ist. Was mir aber sonst besonders aufgefallen ist, sind die Produktdesigns. Man sieht, dass dies ein immer wichtigeres Element ist und diesbezüglich nichts dem Zufall überlassen wird. Es fällt auf, dass die Produkte vermehrt mit dem Gesamtkonzept des Unternehmens abgestimmt sind und klar einzelne Kundensegmente ansprechen.

 

 

 

Haben Sie während der Verkostung bestimmte Mängel oder Verbesserungspotenziale in der Qualität oder Präsentation der eingereichten Spirituosen festgestellt? Welche Tipps können Sie der Branche geben?
Bei den wenigen fehlerhaften Produkten traten am häufigsten Fraktionierungsfehler auf, das heisst eine unsaubere Abtrennung von Vor- und Nachlauf. Gleichzeitig traten auch vereinzelt Gärfehler wie beispielsweise Essigbildung auf. Zahlreiche Tipps, wie sich diese Fehler vermeiden lassen, finden sich auf den Merkblättern auf der Agroscope-Webseite (www.destillate.agroscope.ch). Dann gibt es leider einige Fälle, bei denen wir Produkte disqualifizieren mussten, wenn beispielsweise die angegebenen Alkoholgehalte ausserhalb der Toleranz lagen oder falsche Sachbezeichnungen verwendet wurden. Das ist immer sehr schade, aber uns ist es ein Anliegen, Produkte zu prämieren, die sensorisch herausragend sind und eben auch der Gesetzgebung entsprechen.

 

Welche Rolle spielen die Verkostungsergebnisse bei der Orientierung der Konsumierenden im immer vielfältiger werdenden Spirituosenmarkt?
Wir zeigen durch unsere Ergebnisse die hervorragende handwerkliche Qualität und Vielfalt heimischer Produkte auf. Die Qualitätsbeurteilung soll dem Käufer dazu dienen, eine Kaufempfehlung von Fachleuten zu erhalten. Eine DistiSuisse-Goldmedaille bürgt für ausgezeichnete sensorische Qualität. Für die Brennereien ist die Auszeichnung eine wichtige Plattform, um sich den Medien, der Gastronomie und der Kundschaft zu präsentieren und anhand der Rückmeldungen ihre Produkte zu optimieren.

 

Welche Erkenntnisse aus der Verkostung ziehen Sie für sich, braucht es Anpassungen bei der Bewertung?
Uns ist der Austausch mit der Branche sehr wichtig, wir sprechen auch nach der Prämierung mit den Leuten und holen Inputs ab. Wir möchten gewisse Aspekte für die nächste Austragung intensiv besprechen und werden dazu Arbeitsgruppen mit Expertinnen und Experten bilden. Wir haben den Willen, 
uns stetig zu verbessern. Sie dürfen gespannt sein.

Tipps für Brennerinnen und Brenner

Fraktionierungs- und Gärfehler

Um Vor- und Nachlauf bei der Herstellung von Spirituosen zu verhindern, sind folgende Massnahmen zu beachten:

  • Durch die sensorische Kontrolle während und nach dem Brennvorgang (mittels Aufbewahrung der Fraktionen in einzelnen Gefässen) und in einem geruchsneutralen Raum kann der Übergang zwischen den verschiedenen Fraktionen besser erkannt werden.Bei Unsicherheit ist es zu empfehlen, eine Zweitmeinung einzuholen.
  • Sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Erfahrung sind entscheidend. Es wird empfohlen, Fachliteratur, Schulungen oder den Austausch mit erfahrenen Brennern zu nutzen, um spezifische Kenntnisse und Techniken zu erwerben, die auf die jeweilige Situation und Spirituose zutreffen.

 

Um einen «Essigstich» oder andere Fehlaromen zu vermeiden, sind folgende Massnahmen zu beachten:

  • Saubere und qualitativ hochwertige Früchte verwenden (die man auch essen möchte)
  • Zügige Verarbeitung der Früchte
  • Saubere Gärbehälter verwenden
  • Ansäuern der Maische auf pH 2.8–3.2
  • Schneller Gärstart unter Verwendung von Reinzuchthefen
  • Gärbehälter mit Gärspund verschlossen halten (vermeiden von Sauerstoffkontakt)
  • Saubere Gärführung bei kontrollierter Temperatur
  • Nach Gärende schnellstmöglich destillieren, zur Not kurzfristig im Kühlraum bei 4–8 °C lagern

 

Alkoholmessung

Probleme bei der herkömmlichen Messung des Alkoholgehalts über die Dichte können insbesondere die Holzfassreifung und die Zuckerzugabe verursachen. Der Extrakt aus dem Holz und der Zucker verändern die Dichte der Flüssigkeit und damit das gemessene Resultat. Dies bedeutet, dass der Alkoholgehalt nicht direkt mit Spindel oder Biegeschwinger gemessen werden kann, sondern zuerst abdestilliert werden muss. Deshalb wird empfohlen, für Destillate mit Extrakten den Alkoholgehalt in einem akkreditierten Labor messen zu lassen.

Weitere Tipps zur Alkoholmessung finden Sie im Fachvideo «Destillative Bestimmung des Alkoholgehaltes» unter www.destillate.agroscope.ch.

 

Korrekte Beschriftung

Gemäss der Schweizerischen Gesetzgebung sind für die Kennzeichnung von Spirituosen folgende Angaben zwingend, die sicherstellen sollen, dass Verbraucher genaue und relevante Informationen über das Produkt erhalten: Sachbezeichnung, vollständige Adresse, Alkoholgehalt, Nettofüllmenge, 
Warenlos und Verzeichnis der Zutaten (falls Allergene enthalten sind). Detailliertere Informationen finden Sie im Merkblatt «Spirituosen richtig Etikettieren».

 

Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs (Trinksprit)

Die Bezeichnung «landwirtschaftlicher Ursprung» ist nicht so zu verstehen, dass alle Produkte aus der bäuerlichen Verarbeitung oder jeglicher Alkohol aus Produkten landwirtschaftlichen Ursprungs darunterfallen. «Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs» wird zwar – im Gegensatz zu chemisch hergestelltem Ethanol – aus landwirtschaftlichen Rohstoffen hergestellt, muss aber zusätzlich die Qualitätsanforderungen gemäss Anhang 14 der Verordnung des EDI über Getränke erfüllen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert