
Goldgelbe Vergilbung: Reservoire der Krankheit in der Umgebung der Rebberge
Die Goldgelbe Vergilbung ist eine gefürchtete Rebenkrankheit und breitet sich in der Schweiz weiter aus. Die aktuellsten, im Tessin gewonnenen Erkenntnisse gewähren ein besseres Verständnis der Rolle von verwilderten Weinreben im Wald in der Umgebung von Rebbergen für das Infektionsrisiko.


Die Goldgelbe Vergilbung der Rebe (GGV) ist südlich der Alpen endemisch und breitet sich im Westen der Schweiz aus, trat aber bisher im Norden und Osten des Landes noch nicht auf. Diese Krankheit ist mit bestimmten Phytoplasmen (Bakterien ohne Zellwand) assoziiert, die von Vektorinsekten übertragen werden. Die Krankheit führt zum Absterben der befallenen Rebstöcke. Bei einem Befall verhärten sich die Blätter und rollen sich bei vielen Rebstöcken nach innen beziehungsweise unten ein. Ein weiteres typisches Symptom ist die Rotfärbung (bzw. Gelbfärbung bei weissen Rebsorten) von Blattflächen (Einstiegsbild).
Bei einer frühen Infektion vertrocknen die Blütenstände und fallen ab, späterer Befall führt zu Mumienbildungen bei den Traubenständen. Je nach Anfälligkeit der Rebsorte können die Produktionseinbussen und die zusätzlichen Kosten für die Bewirtschaftung des Rebbergs erheblich sein. Das mit der GVV assoziierte Phytoplasma ist in der Schweiz und in der Europäischen Union ein Quarantäneorganismus. Damit besteht die Pflicht, Rebstöcke mit Symptomen an die zuständigen Behörden (kantonale Pflanzenschutzdienste) zu melden und die Krankheit zu bekämpfen.
Es gibt keine wirksame direkte Behandlung. Die obligatorischen Bekämpfungsmassnahmen bestehen in der Anwendung von Insektiziden gegen den Hauptvektor, die aus den USA stammende Amerikanische Rebzikade (Scaphoideus titanus, Abb. 1), dem Ausreissen infizierter Rebstöcke und der ausschliesslichen Verwendung von zertifiziertem Pflanzenmaterial. Trotz dieser Massnahmen ist die GGV auf dem Vormarsch.
Abb. 1: Die Amerikanische Rebzikade ist der Hauptverursacher der GGV. (© Arnaud Conne)
Epidemiologie: Die Rolle von verwilderten Weinreben
Forschende der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und von Agroscope arbeiteten im Rahmen des Kompetenzzentrums Neobiota in Cadenazzo drei Jahre lang am vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) finanzierten Projekt «FLAVID 2» zusammen. In einem kürzlich im Journal of Plant Pathology veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel beleuchten die Forschenden die Komplexität der Epidemiologie der GGV, die sich nicht mit dem üblichen Modell «Krankheitserreger – Hauptvektor – kultivierte Wirtspflanze» beschreiben lässt. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die im Wald vorhandenen verwilderten Weinreben ein Reservoir für die Krankheit und einen Rückzugsort für den Vektor darstellen (Abb. 2). Für eine wirksame Eindämmung des Krankheitserregers ist ein proaktives Management dieser Lebensräume im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes der Landschaftsgestaltung wichtig.
Abb. 2: Verwilderte Weinreben am Rand eines bewirtschafteten Weinbergs. Mit den Fallen kann das Vorkommen der Insektenvektoren überwacht werden. (© Attilio Rizzoli, Agroscope)
Wichtigste Ergebnisse
Mit korrekt und rechtzeitig angewendeten Insektiziden können die Populationen von S. titanus in den Weinbergen reduziert und die Migration des Vektors in niedrige krautige Pflanzen verhindert werden. Unter diesen Bedingungen scheinen die Grünstreifen zwischen den Reihen innerhalb des Rebbergs und zwischen dem Rebberg und angrenzendem Wald kein potenzielles Refugium für den Hauptvektor der GGV zu sein.
Die polyphage Orientzikade (Orientus ishidae), ein alternativer Vektor der GGV, wurde punktuell in Rebbergen und regelmässig in Waldrändern in der Nähe von Rebbergen gefunden.
In Tessiner Wäldern sind verwilderte Weinreben relativ häufig. Die Etablierung verwilderter Reben hängt vor allem mit der Aufgabe von Rebbergen an schwer zu bewirtschaftenden Orten und der Änderung der Landnutzung zusammen.
Einige verwilderte Weinreben sind mit der GGV infiziert und beherbergen beträchtliche Populationen von S. titanus und O. ishidae. Sie können deshalb ein Reservoir für die Krankheit und ein Habitat für die Vektoren darstellen.
Einige mit der GGV verbundenen genetischen Profile wurden sowohl in verwilderten und kultivierten Weinreben als auch in den beiden GGV-Vektoren im Tessin gefunden.
Die Hasel (Corylus avellana) wurde als bevorzugte Wirtspflanze von O. ishidae bestätigt. Wenn das Vorkommen von Haselnusssträuchern im Rahmen der Bewirtschaftung von Waldrändern verringert wird, können die Populationen dieses für Rebberge potenziell gefährlichen Vektors wirksam reduziert werden. Dieser Ansatz hat eine nachhaltige Wirkung und erfordert keine regelmässige jährliche Bewirtschaftung.
Fazit
Die Anwendung der südlich der Alpen gewonnenen Erkenntnisse auf andere Weinbauregionen der Schweiz könnte dazu beitragen, das Risiko der Ausbreitung der GGV von Waldhabitaten in Rebberge (und umgekehrt) einzuschätzen und die Eindämmung der GGV zu verbessern. Dieser proaktive Ansatz ist besonders vielversprechend für gefährdete oder neu betroffene Regionen, in denen die Ausrottung der Krankheit noch möglich ist.
Die Annahme einer Übertragung der GGV zwischen verschiedenen Landschaftselementen könnte den begrenzten Erfolg der derzeit angewendeten Bekämpfungsmassnahmen teilweise erklären. Die Ergebnisse legen daher nahe, dass die Eindämmungs- oder Ausrottungsstrategien neu bewertet werden müssen, insbesondere durch ein intensiveres Management von verwilderten Weinreben und durch die Entfernung der Reben bei der Aufgabe von Rebbergen.
Im Juli 2024 wurde ein dritter, ebenfalls vom BLW finanzierter Teil des Projekts (FLAVID 3) lanciert, mit dem die entsprechenden Forschungsarbeiten auf die gesamtschweizerische Ebene ausgedehnt werden.
Weitere Informationen zur Goldgelben Vergilbung finden Sie hier.