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SITEVI 2023 – internationales Stelldichein der Wein- und Obstbranche

Auch die 31. Austragung der internationalen Wein-, Oliven- und Obstbaumesse SITEVI, die vom 28. bis 30. November in Montpellier (F) stattfand, konnte mit Rekorden und einer Fülle von Innovationen aufwarten. Die bemerkenswertesten Neuerungen wurden mit dem SITEVI-Award ausgezeichnet. Wenig überraschend, dass die Digitalisierung und Robotisierung unaufhaltsam voranschreiten.

Artikel von:
Markus Matzner
Obst+Wein
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 17 / 2023 , S. 6

Die Zahlen sind eindrücklich: Über 55 000 Besucherinnen und Besucher aus 61 Ländern fluteten während drei Tagen Ende November die elf riesigen Hallen der SITEVI, der grössten Wein- und Obstbaumesse der Welt, um sich an den Ständen der über tausend Aussteller inspirieren zu lassen. 240 Standbetreiber warteten zum ersten Mal an der Messe mit ihren Produkten oder Dienstleistungen auf, insgesamt konnten 300 neue Produkte bzw. Konzepte gezeigt werden. Gemäss Ticketstatistik kamen viele Besuchende aus der Schweiz, ihre Anzahl wurde nur von französischen, spanischen und italienischen Gästen übertroffen.

Parallel zur Ausstellung wurde ein umfangreiches Programm an Vorträgen und Degustationen geboten. Deren Stossrichtungen belegen letztlich auch den Katalog aktueller Fragestellungen und Konzepte, die an der Messe vordringlich auffielen. Für beide Branchen steht die effiziente Pflege der Anlagen und Reihen sowie die kostengünstige und ökologische Verarbeitung im Zentrum. Dank Fortschritten in der Robotisierung können immer komplexere Abläufe und Aufgabenstellungen mit nur einer Maschine, die grundsätzlich in der Lage wäre, unabhängig von menschlicher Kontrolle und Überwachung ihre Arbeit zu erledigen, gelöst werden. Freilich schränken hier gesetzgeberische Vorgaben die totale Autonomie der Benutzung noch ein. Mit anderen Worten braucht es für jeden autonomen Traktor gleichwohl einen Menschen, der ihn überwacht. Somit ist die Einsparung – auch angesichts der Kosten für die Maschinen – vorsichtig formuliert diskutabel.

Start-ups und Neuheiten

Die Messeleitung war sichtlich bemüht, neben den «grossen» Anbietern auch kleinen eine Bühne zu bieten. Folglich wurde im Zentrum einer stark frequentierten Halle viel Platz für kleine Start-ups zur Verfügung gestellt. Mit kurzen Vorführungen und/oder Degustationen konnten sie sich an ein interessiertes Publikum richten und ihre Innovationen vorstellen. Beeindruckt hat hier zum Beispiel eine Sensorikanwendung für Handys und Computer, die anhand von Degustationskommentaren Weinprofile erstellt und in einer anschaulichen Grafik darstellt. Sie lässt sich mehrsprachig verwenden und kann auch mit einem Benotungssystem (100er-Skala) ergänzt werden. So kann ein ganzes Team bei Verkostungen ein kohärentes Gesamtbild erstellen. Die Anwendung wird als Abo angeboten (Fr. 54.–/Monat) und pro Anwender und dessen Login werden Fr. 12.–/Mt. in Rechnung gestellt. Die komplette Anwendung auf Deutsch soll in den nächsten Wochen lanciert werden (www.winespace.fr).

Augenfällig war gegenüber früheren Jahren, dass auch Themengebiete wie Pflanzenschutz eine Fokusverschiebung erfahren haben. Im Zentrum steht zwar nach wie vor die nachhaltige Anwendung, allerdings in einer verlagerten Art: So fokussiert man weniger darauf, die Anzahl der Pflanzenschutzbehandlungen zu reduzieren oder die Abdrift der Mittel aufzufangen und dadurch zu recyceln. Viel eher werden nun Alternativen wie UV-Bestrahlungen (Icaro X4, www.freegreen-nature.it) oder Pflanzenstärkungsmittel (www.bio3g.com) angeboten. Auch bei den Unterstockgeräten, die punkto Anwendung seit einigen Jahren ähnlich daherkommen, haben sich systemische Erneuerungen ergeben, die gleich mehrere Funktionen aufweisen, spezifisch gemäss Anforderungsprofil eingesetzt und im Fahren verändert werden können (Fa. Güttler, www.guttler.org). Sie lassen sich auch bei schwierigen Wetterverhältnissen benutzen und sollen die Umwelt schonen.

Natürlich wird bei solchen Messen auch dem Auge viel geboten. Wer möchte, kann sich den Keller futuristisch, verchromt oder auch rustikal einrichten. Dahinter aber steckt jeweils die Überlegung, dass es auch qualitativ stimmen muss. Um die Qualität zu heben, können auch kleine Erfindungen weiterhelfen. So präsentierte beispielsweise die Firma Cazaux moderne Wein- und Mostpumpen, die keinen Impeller besitzen, sondern mittels zwei rotierender Drehkolben eine pulsationsarme und damit auch schonende Weiterführung erreichen. Diese Art von Pumpen ist auch tolerant gegen das Leerlaufen (www.cazaux-pumps.com).

Innovation Award

Gleichsam als Visitenkarte der Entwickler und Erfinder präsentiert der SITEVI Innovation Award die spannendsten Neuheiten. Dieses Jahr wurden 106 Produkte eingereicht, was gegenüber 2021 eine Steigerung um satte 80 % darstellt. Schliesslich wurden 21 Produkte ausgezeichnet. Auffällig war die Tendenz, dass nicht völlig neue Innovationen präsentiert wurden, sondern häufig entscheidende Weiterentwicklungen oder Adaptationen von bereits bestehenden Konzepten marktreif gemacht wurden (siehe rote Box unten). Auch hier spiegelt sich die vordringliche Tendenz, weg von fossilen Brennstoffen zu kommen. So nahm die Anzahl elektrischer Traktoren zu; Wasserstoffmotoren sind jedoch noch Mangelware. Ausnahme ist der Traxx Concept H2 (siehe rote Box unten), der imposant wirkt.

Ferner möchten im Kellerbereich neue Tools das Leben der Weintechnologinnen und -technologen vereinfachen. Auch da ist das Minimieren von Ressourcen ein grosses Thema. Gerade bei der Reinigung soll der Wasserbedarf stark vermindert werden, indem Dekontaminationen durch Lichtimpulse erfolgen (www.bacchustorm.com). Zudem wurde bei der Filtrierung ein neues Gerät von Bucher Vaslin ausgezeichnet, das Weine, Moste und Hefegeläger filtrieren kann und besonders für kleinere und mittlere Betriebe erschwinglich sein möchte (Flavy-X-Treme 3 in 1, www.buchervaslin.com).

Einen anderen Ansatz verfolgt die Schweizer Firma Dyna Wine zusammen mit der Hochschule Changins HES-SO. Sie entwickelten den «Hexal Vortexer», einen spiralförmigen Verwirbler aus Inox (Abb.), und erhielten dafür den goldenen Innovation Award. Dank der speziell gebogenen Schuppen, die wie eine Kette aneinanderhängen, werden Flüssigkeiten beim Durchleiten durch eine systemeigene Metallröhre viel homogener durchmischt. Das System bietet sich besonders an für den Einsatz von Schönungsmitteln wie beispielsweise Bentonit. Zusätzlich lassen sich Flüssigkeiten entgasen oder mit Gas versetzen. Das System benötigt neben der separaten Pumpleistung keine weitere Energie und kostet als kompaktes und rollbares System Fr. 26 000.– (www.dynawine.ch).

 

Abb.: Innovation aus der Schweiz: Diese bizarr anmutende Konstruktion sorgt für eine Homogenisierung von Flüssigkeiten. (© O+W)

 

Fazit

Es zeigte sich bei vielen Innovationen und Produktideen, dass die Digitalisierung und die KI-geführte Mechanisierung an allen Fronten starke Fortschritte macht. Die Berufsfelder der betroffenen Branchen werden sich über kurz oder lang ändern und entwickeln. Inwiefern sich die Menschen mit der «neuen» Landwirtschaft anfreunden können oder wollen, ist letztlich jedem und jeder selbst überlassen. Sicher werden sich neue Möglichkeiten eröffnen, aber es werden gerade in Berufen des arbeitsintensiven, tiefen Lohnniveaus auch empfindliche Abstriche zu machen sein. Was die vielen Tausend Rebarbeiter und Erntehelferinnen tun, wenn alles vollmechanisiert abläuft, wurde natürlich nicht erörtert.

Highlights der SITEVI 2023

RX-20, PELLENC

Dieses autonome, elektrisch angetriebene Zwischenreihen-Raupenfahrzeug wurde zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und zur Steigerung des Komforts für Weinbetriebe entwickelt. Es lässt sich in den technischen Ablauf eines Betriebs oder einer Maschinengemeinschaft gut integrieren und amortisiert sich daher schnell. Der RX-20 ist mit einem Geräteträger und einem Mulcher ausgestattet. Die Werkzeuge werden hydraulisch oder elektrisch angetrieben. Das Raupenfahrwerk verringert die Bodenverdichtung und ermöglicht ein schnelles Eingreifen auch bei feuchten Bodenverhältnissen. Der RX-20 verfügt über vier periphere Kameras, die Hindernisse erkennen. Die Betriebsdauer beträgt je nach Einsatz bis zu 20 Stunden.

Weitere Infos finden Sie hier.

 

 

EXXACT Robotics

Der weltweit erste autonome, mit Wasserstoff betriebene Geräteträger verfügt über eine leistungsstarke Wasserstoff-Brennstoffzelle und erreicht eine Leistung von 35 kW. Dadurch kann der TRAXX Concept H2 bis zu zwölf Stunden durcharbeiten. Er ist zwar einige hundert Kilogramm schwerer als die Dieselvariante, dennoch ist der «Concept H2» eine saubere Alternative und reduziert die Lärmbelästigung und CO2-Emission. Der Roboter ist noch in der Testphase mit dem Ziel, bis 2025 die Marktreife zu erlangen.

Kontakt: virginielouis@gmail.com

 

 

Studio NYX & Programme (digitaler Rebschnitt)

Ampelos ist ein neuer digitaler Dienst für Schulen und Unternehmen. Er ermöglicht das Erlernen des Rebschnitts durch das vollständige Eintauchen des Nutzers in eine realistische 3D-Umgebung (was übrigens auch viel Spass macht). Durch diese virtuelle Erfahrung bekommt man ein neues Verständnis für die Auswirkungen und Folgen eines richtigen Rebschnitts.

Kontakt: hadrien.crampette@studio-nyx.com

 

 

VitiBot, kartographieren von Rebparzellen

VitiBot erstellt detaillierte Kartierungen der Weinberge, um das Arbeiten des autonom arbeitenden Systems «Bakus» zu ermöglichen. Die Fehlergenauigkeit der Software beträgt 13 cm. Durch die Verwendung von elektrischen Sensoren zwischen den Stöcken können die Informationen, die bei den verschiedenen Durchgängen gesammelt werden, stockgenau gebündelt werden. So wird zum Beispiel der Laubzuwachs erfasst und die Entwicklung der Parzelle als Ganzes verfolgt (www.vitibot.fr).

 

 

Bacchustorm

Die Firma Bacchustorm entwickelte ein Gerät zur Dekontaminierung von Barriques, Fässern und Tanks mit gepulstem Licht. Das System ist völlig ökologisch, arbeitet ohne Chemie. Nach mehr als zwei Jahren mikrobiologischer und technischer Studien wurde das Patent für dieses System im November 2022 angemeldet. Diese Innovation ermöglicht eine wirksame Dekontaminierung von Behältern gegen Brettanomyces bei gleichzeitiger Reduzierung des Wasser- und Stromverbrauchs.

Das System besteht aus zwei Teilen: einem Steuerungssystem auf Rollen, das mit 220 V betrieben wird, und einer Dekontaminationspistole, die mit allen Schutzsystemen aus­gestattet ist. Es ist für den Anwender einfach zu bedienen und bereits auf dem Markt erhältlich (www.bacchustorm.com).

 

 

Copilote, J. M. Egretier

Ohne vom Traktor abzusteigen, können dank eines HMI-Bildschirms (Human-Machine-Interface) in der Kabine des Traktors die Benutzerinnen/Benutzer verschiedene Funktionen des Geräts (Breite, Tiefe usw.) steuern, um die Boden- und Unterstockbearbeitung der Kulturen zu bewirtschaften. Ebenso lassen sich die Einstellungen für die einzelnen Parzellen speichern. Das spart Zeit und verringert den Arbeitsaufwand. Der Benutzer nimmt die Einstellungen über das Touchscreen-Panel vor und die Maschine informiert ihn in Echtzeit. Bisher nur für Ernte- und Behandlungsgeräte verfügbar.

Kontakt: administration@egretier.com

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