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Spannungsfeld Alkohol

Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass sich eine Zeitschrift, die sich der Herstellung alkoholischer Getränke widmet, auch den negativen Begleiterscheinungen stellt. Aber in Zeiten, in denen Hardliner und Extremisten Hochkonjunktur haben, erscheint es besser, sich den Diskussionen und Fragen zu stellen. Im Rahmen unseres Schwerpunkts machen wir eine Auslegeordnung.

Artikel von:
O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 17 / 2023 , S. 9

Der Weinkonsum ist in unserem Land seit Jahren rückläufig. Wurden 1994 noch fast 3 Mio. hl Wein konsumiert, sind es heute nicht mal 2.4 Mio. hl, dies obschon die Bevölkerung im gleichen Zeitraum markant gewachsen ist. Interessanterweise aber bleibt die Rebfläche in etwa gleich. Somit wird weniger ausländischer, dafür leicht mehr Schweizer Wein getrunken. Das ist mal positiv.

Neue Gewohnheiten

Gesamthaft zeigt sich aber, dass gerade die vielzitierten «Jungen», also Menschen der Generationen Y und Z, in Sachen Alkohol sehr unterschiedlich agieren. Wie das Bundesamt für Statistik (BFS) jüngst aufgezeigt hat, tendieren viele junge Erwachsene zum Rauschtrinken. Gemäss Erhebung sollen sich 11 % der Frauen und 19 % der Männer mindestens einmal pro Monat «die Kante» geben, also betrinken. Auf der anderen Seite möchten viele Junge ganz ohne Alkohol auskommen und zelebrieren diese Haltung. Gemäss Madelyne Eicher-Meyer (siehe Artikel in O+W 15/2023) lassen sich junge Erwachsene von Influencern in den sozialen Medien beeinflussen. Entsprechend wird auch der «Dry January» begangen, was auch Weinhändlerin Lua Rodrigues bestätigt. Die Bierbrauereien haben diesen Trend schon früh antizipiert und es gibt praktisch keine Brauerei mehr, die nicht auch alkoholfreien Gerstensaft anbieten würde. Selbst im Bereich der Spirituosen gibt es eine starke Bewegung hin zu alkoholfreien Longdrinks, die geschmacklich durchaus bestehen können.

Die Weinindustrie hinkt hier gegenüber verwandten Branchen hinterher. Allerdings bemerkt man gerade in Deutschland seit einiger Zeit einen Sinneswandel. Immer mehr Weinbetriebe interessieren sich für die Herstellung von alkoholfreien Weinen. Tatsächlich gibt es bei den Weissweinen und ebenso bei den Schaumweinen schon recht gute Resultate, die einigermassen massengeschmackstauglich sind. Bei den Roten aber hapert es. Matthias Schmitt von der Hochschule Geisenheim (D) erklärt in seinem Artikel, worauf es bei der Produktion ankommt und warum verfahrenstechnisch Weiss- nicht gleich Rotwein ist.

Fundamentaler Graben

Ungeachtet der gesellschaftlichen Modetrends in Sachen Alkoholkonsum herrscht auf der gesundheitlichen, sprich medizinischen Ebene ein Grabenkampf von diametral entgegengesetzten Meinungen. Auf der einen Seite stehen die Hardliner, die bei jedem Tropfen Alkohol sofort und undifferenziert die Warnglocken läuten, weil sie glauben, dass er immer und ohne Ausnahme schädlich sei. Auf der anderen Seite «kämpfen» durchaus wissenschaftlich orientierte Fachkreise aus den Bereichen Medizin, Psychologie und Ernährungswissenschaften für einen toleranten Umgang mit dem Zankapfel Ethanol. Und obschon sie nicht verneinen, dass Alkohol ein Nervengift ist, postulieren sie sogar, dass ein moderater Konsum gesundheitliche Vorteile haben könnte. Langzeituntersuchungen würden nämlich belegen, dass gerade Wein in kleinen Mengen gesünder sei als die totale Abstinenz. Wie sie das ermitteln und umsetzen, zeigte sich an einem Fachkongress in Toledo (E), der zu den Themen «Lifestyle, Diet, Wine & Health» abgehalten wurde und dem wir einen Besuch abstatteten. Ebenfalls in Toldeo war die Geschäftsführerin der «Deutschen Weinakademie», die seit Jahren für den Slogan «Wine in Moderation» wirbt. Im Interview erklärt Claudia Hammer, wie sie den wachsenden Gegendruck in der EU und auch bei der WHO (World Health Organization) spürt und was die Konsequenzen daraus sind.

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