Liebe Leserin, Lieber Leser
Geht es Ihnen auch so? Mir scheint, das neue Jahr sei mit einer unglaublichen Vehemenz gestartet, würde gleich zu Beginn Vollgas geben und möchte die Lethargie der letzten drei Jahre binnen weniger Wochen überwinden. Ein Event jagt den nächsten, man trifft sich wieder maskenlos zu Dutzenden oder gar Hunderten in einem engen Foyer, einer Aula oder einer Messehalle. Man bahnt wieder Geschäfte und Projekte an, auch wenn man mehr Vorsicht als früher walten lässt, und öffnet sich für Innovationen und Ideen, was angesichts der grossen Unsicherheit über die Zukunft zu erstaunen vermag.
Die Psychologie liefert in diesem Zusammenhang interessante Erkenntnisse. Der Mensch verfügt in Krisenzeiten über drei unterschiedliche Strategien: Entweder er verharrt verschreckt, wird apathisch und tut gar nichts mehr (submissive Strategie). Oder er wird aggressiv und zerstörerisch, durchaus auch gegen sich selbst oder seinen Nachbarn (aggressive Strategie). Im dritten Fall aber wird er innovativ, versucht sich von der Schlinge, die um seinen Hals liegt, zu befreien (innovative Strategie). Diese drei Verhaltensmuster nennt man im Fachjargon Coping-Strategien. Besonders die letzte dürfte in der evolutionären Geschichte so etwas wie die Schlüsselbegabung unserer Spezies sein! Wohl deshalb sind unsere Vorfahren sesshaft geworden, wurden erstaunlich erfinderisch, haben Pflanzen verändert und nutzbar gemacht, sind auf den Mond geflogen. Nun aber müssen wir uns etwas einfallen lassen, wie wir den Schaden, den wir selber angerichtet haben, minimieren und verschwinden lassen. Das dürfte nicht einfach werden, wird Opfer bedingen und ist alles andere als ein Spaziergang. Genau darum ging es letztlich auch an den Wädenswiler Weintagen und ebenso an der Fruchtwelt-Messe in Friedrichshafen: Wie begegnen wir den drängenden Problemen unserer Zeit und wie gestalten wir die Landwirtschaft der Zukunft?
Ich hoffe, wir bleiben innovativ.
Ihr
Markus Matzner
Chefredaktor Obst+Wein