Regionale Rebbautagung 2023: Schädlinge auf dem Vormarsch

Zuverlässig zum Jahresende lud Agroscope zusammen mit dem Weinbauzentrum Wädenswil (WBZW) zur regionalen Rebbautagung ein. Geboten wurden den Teilnehmenden eine Plattform für den Austausch, einen Saisonrückblick sowie den aktuellen Stand der angewandten Forschung.

Artikel von:
Andrea Caretta
O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 01 / 2024 , S. 6

Über das Jahr 2023 gab es einiges zu resümieren: vom Einfluss des Wetters über Krankheitsentwicklungen, Pflanzenschutzstrategien, Erträgen bis hin zu neuen Bewilligungen und Änderungen der Gesetzgebung. Die Zielsetzung liegt dabei auf der Hand: das langfristige Überleben des Rebbaus, der die Grundlage für die Weinproduktion bildet. Mehr als 99 % der Schweizer Trauben werden zu Wein verarbeitet.

Promotionsgelder genehmigt

Der Deutschschweizer Reb- und Weinbau erzielt einen volkswirtschaftlichen Wert von geschätzten 300 Mio. Franken pro Jahr. Das Marktumfeld ist «hochkompetitiv» und die verkauften Mengen sinken trotz positivem Migrationstrend. Martin Wiederkehr, Geschäftsleiter des WBZW, prognostiziert ein Sinken des verfügbaren Einkommens von Herrn und Frau Schweizer, was ein damit einhergehendes Nachlassen des Weinabsatzes bedeuten dürfte.

Die Imagepflege im Weinbereich soll daher vorrangig sein, Nachhaltigkeit und Regionalität würden wichtige Argumente beisteuern, wie Wiederkehr weiter vorträgt. Just 24 Stunden vor der Rebbautagung am 8. Dezember wurden der Weinbranche vom National- und Ständerat 6.2 Mio. Franken bewilligt, die der Branche auch 2024 unter die Arme greifen sollen.

Prognosemodelle und Mehltauinfektionen

Zwar war die Ernte im Jahr 2023 erfolgreich, aber aufgrund der klimatischen Verhältnisse beanspruchte sie mehr Arbeitszeit für das Söndern der Trauben. Im Rahmen des Saisonrückblicks analysierte das Agroscope-Forschungsteam die in jeder Hinsicht aussergewöhnlichen Witterungsverhältnisse. Verstärkte Sporenbildung und mehr Mehltauinfektionen waren die Folge. Hatten die Prognosemodelle in diesem Jahr versagt? «Nein», sagte Lina Egli-Künzler von Agroscope und begründete diese Aussage auch gleich mit vertieften Analyseergebnissen. (Mehr zum Thema Mehltauinfektionen finden Sie im Artikel «2023: Aussergewöhnliche Mehltau-Infektionen», O+W 13/2023 von Lina Egli-Künzler).

Pierre-Henri Dubuis von Agroscope legte den Winzerinnen und Winzern nahe, frühzeitig und gezielt nach Ölflecken zu suchen. Dabei empfahl er, besonders während der Blüte auch die Blattunterseite zu kontrollieren. Eine Austriebsbehandlung sei unnötig, doch werde sie im Sechs-bis-Acht-Blatt-Stadium empfohlen. Die empfindliche Phase von Blüte bis Fruchtansatz sollte gut geschützt werden (kurze Spritzabstände).

Die klimatischen Bedingungen des Jahres sind für die Entwicklung der Epidemie ausschlaggebend – die Ausgangsmenge spielt für die kommende Saison keine entscheidende Rolle. Ist in der Anlage kurz vor dem Stadium BBCH77 kein Echter Mehltau vorhanden, kann die Behandlung beendet werden.

Bekannte Schädlinge

Alan Storelli und Joana Weibel (beide Agroscope) erläuterten die Struktur des Eidgenössischen Pflanzenschutzdienstes und wie neue Ausbrüche gehandhabt werden. Omnipräsent war dabei die Goldgelbe Vergilbung, das Feuerbakterium Xylella fastidiosa und der Japankäfer. Letzterer bevorzugt Rebenpflanzen: Im Tessin wurden mehr als eine halbe Million Käfer gefangen. Das Insekt ist überwiegend in den Reben zu finden, lebt aber auch auf Rasen, Fussball- und Golfplätzen sowie in Privatgärten.

Anders als im Süden der Schweiz galt die befallene Region in Zürich-Kloten als «isolierter Befall» und wurde entsprechend behandelt (Insektizideinsatz, mit Insektiziden imprägnierte Netze, Ausbringung von Nematoden, Bodenbearbeitung). Für den problematischen Schädling wurden viele verschiedene Massnahmen – mit dem Ziel, den Käfer lokal auszurotten – eingesetzt.

Wie Weibel zudem informierte, sei der Käfer sehr mobil und werde sich ausbreiten. «Es sind momentan keine genügend effektive Bekämpfungsmassnahmen vorhanden.» Auch in Basel-Land, Schaffhausen, Graubünden und Solothurn wurden einzelne Käfer gefunden. Das Forschungsteam geht jedoch davon aus, dass keine Population entstehen wird und bekämpft sie daher auch nicht.

Ergänzend wurde die Goldgelbe Vergilbung, insbesondere die Ausbreitung der verschiedenen Genotypen der Krankheit thematisiert. Es bestehe die Gefahr, dass der bislang in der Deutschschweiz nicht vorhandene «gefährliche» Genotyp in den Norden übertragen werde. Die Krankheit breitet sich bei 
Neuanpflanzungen durch infiziertes Pflanzmaterial aus. Möglicherweise auch durch unbeabsichtigten Vektortransport über Rebbaumaschinen, passive Vektorbewegung durch Winde oder über den Austausch von pflanzlichem Material. Wichtig ist, dass bei Verdacht der Pflanzenschutzdienst immer benachrichtigt wird.

Neue Schädlinge

Neben altbekannten Schädlingen thematisierte Agroscope zwei neue Schädlinge aus Nordamerika:

  • Erasmoneura vulnerata fitch: Dieser Schädling gehört in die Unterfamilie der Grünen Zikade. Zurzeit sind nur einzelne Weinberge mit Hochbefall und Interventionsbedarf vorhanden. Die Situation sei noch überschaubar, könne sich aber schnell ändern, wie Attilio Rizzoli, Instituto Federale di Ricerca (WSL Cadenazzo), informierte. Doch ist hier ein Wirkstoff vorhanden und wird getestet. Eine diesbezügliche Publikation in deutscher Sprache folgt 2024.
  • Aspilanta oinophylla: Eine neue Miniermotte bereitet ebenfalls Sorge und verursacht Blattschäden. Die Forschenden haben im Moment keine zugelassenen Gegenmittel, doch laufen Projekte mit einheimischen Parasitoiden. Zu diesem Thema finden Sie in der O+W 17/2023 einen vertiefenden Artikel: «Miniermotte: neuer Schädling im Rebbau in der Südschweiz» von Dominique Mazzi, Agroscope Cadenazzo.

Was hilft?

Was sich wenig überraschend im Laufe des Tages herauskristallisierte: Schädlinge werden die Schweiz weiterhin auf Trab halten. Die Frage nach Lösungen drängt sich auf. Wäre ein gewisses Urvertrauen angebracht und regelt die Natur mehr, als wir erwarten? Oder bräuchte es möglichst rasch neue Pflanzenschutzmittel? Sicher ist, dass der fachliche Austausch in den jeweiligen Regionen eine zentrale Rolle spielt. Nur so können Betroffene von den Erfahrungen anderer profitieren.

Bewilligungsänderungen (Stand 1.12.2023)

Neue Bewilligungen

  • Taegro (W-7504), Syngenta, WS: Bacillus amyloliquefaciens FZB24 Teilwirkung gegen Echten Mehltau
  • Wormox (W-7580), Bacillus thuringiensis var. kurstaki (souche EG 2348), Stähler Suisse SA, Traubenwickler; bei Befallsbeginn; ab Stadium BBCH 80. Nicht bei kaltem Wetter einsetzen; der pH-Wert der Spritzbrühe muss tiefer als 8 sein
  • Parafol (W-1454-2), Paraffinöl, Agroline Bioprotect, Spinnmilben; 
Nebenwirkung: Kräuselmilbe, Pocken­milbe, Referenzprodukt Misto 12
  • Xenturion (W-6085-3), Fluazifop-P-butyl, Stähler Suisse SA, ein- und mehrjährige Monocotyledonen 
(Ungräser)
  • Priapak (W-7543), Agroline Bioprotect, Teilwirkung Drosophilia suzukii
  • Melonem (W-7551), Andermatt Biocontrol, Teilwirkung Maikäfer, nur gegen Larvenstadien, in Jungreben
  • Meginem Cold (W-7549), Andermatt Biocontrol, Dickmaulrüssler, nur gegen Larvenstadien, in Jungreben

 

Neue Bewilligungen in Analogie

  • Tega (W-5994-3), Syngenta (= Flint)

 

Änderung von Wirkstoffsname

  • Kaliumbicarbonat > Kaliumhydro­genocarbonat
  • Kupfer (als Oxysulfat) > Kupfer(als Tribasisches Kupfersulfat)

 

Nicht mehr im Verkauf

  • Amarell Disperss (W-6830, Stähler)
  • Booster SF (W-7163, Leu+Gygax)
  • Folpet Stähler (W-7203, Stähler)
  • Maestro (W-7091, Leu+Gygax)
  • Oxykupfer 35 WG (W-7315-1, Stähler)

 

In der hier verlinkten Tabelle finden Sie die neusten Bewilligungen bzw. Änderungen sowie Aufbrauchfristen zurückgezogener Pflanzenschutzmittel im Rebbau.

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