Editorial

Revolution?

Artikel von:
Markus Matzner
Chefredaktor O+W
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 05 / 2024 , S. 3

Liebe Leserin, lieber Leser

Gemäss Definition ist eine Revolution ein nachhaltiger struktureller Wandel eines Systems in relativ kurzer Zeit. Die Französische, die Russische und die «friedliche» des Mauerfalls gehören zum Allgemeinwissen. In einer Zeit aber, in der sich fast stündlich irgendwo irgendwelche umstürzlerischen Ereignisse abspielen, in der man gestern nicht für möglich hielt, womit wir heute unseren Lebensalltag befüllen, wirkt das Wort Revolution abgeschmackt und angestaubt.

Dennoch stellt sich aktuell die politische Frage, ob die Schweiz bei einer globalen Revolution mitmachen möchte. Denn geben wird es sie sowieso – mit oder ohne unserer Beteiligung. Die Rede ist für einmal nicht von einem Freiheitskampf oder einer Debatte über Gleichberechtigung, sondern von der durchaus nicht unumstrittenen Freiheit, «dem Herrgott ins Handwerk zu pfuschen». Gut, das tat und tut der Mensch seit Jahrtausenden: So war jede züchterische Leistung gleichsam ein Zwergenaufstand gegen die grosse Evolution. Nun aber schickt sich der Homo sapiens an, da im grossen Stil Hand anzulegen, wo es ans Eingemachte, sprich an die Gene geht. Und zwar so spezifisch, erfolgssicher und gezielt, dass Missernten und die Existenz unzähliger Krankheiten weitgehend eliminiert werden.

Genomeditierung heisst das Zauberwort, das nun auch das Schweizer Parlament durchflutet. Die Vision, dass es bald resistente europäische Reb- oder Obstsorten geben dürfte, beflügelt die Befürworter. CRISPR/Cas heisst das zweite Zauberwort und meint die sogenannte Genschere. Und weil China, die USA und andere Länder da voll einsteigen, muss nun auch die EU mitziehen. An ihrem Rockzipfel hängt, wie häufig, die Schweiz. Dabei hätte unser hochtechnisiertes und forschungsaffines Land alle Trümpfe in der Hand, hier an vorderster Front selbst mitzumachen. Derzeit sind es die Parlamentarier (s. Interview mit Nationalrat Andreas Meier), schon bald werden wir es sein, die bestimmen, ob es eine Revolution oder nur ein Revolutiönchen geben wird.

Ihr
Markus Matzner
Chefredaktor O+W

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