Schweizer Obstkulturtag

Am Obstkulturtag in St. Gallen am 24. Februar berichteten Südtiroler Obstbauberater über Erfahrungen mit mehrachsigen Bäumen. Agroscope rückte den Nutzen von Wetterstationen als Entscheidungshilfe für den Pflanzenschutz in den Fokus.

Artikel von:
Isabelle Schwander
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 04 / 2023 , S. 26

Jürg Hess, Präsident des Schweizer Obstverbands (SOV), gab in der Eröffnungsrede zu bedenken, dass eine Mehrwertstrategie oder Nachhaltigkeit im Obstbau Mehrkosten verursache. Diese dürfe jedoch nicht einseitig und nur zulasten der Produktion gehen. Deshalb sei die Förderung von robusten und resilienten Sorten nötig. In den nächsten Schritten zur Mehrwertstrategie soll die technische Entwicklung gefördert und begleitet werden. Entscheidend ist auch das Erarbeiten einer Energiestrategie sowie die Förderung der Partnerschaft innerhalb der Wertschöpfungsketten. Jürgen Christanell und Josef Österreicher vom Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau berichteten von Erfahrungen mit mehrachsigen Bäumen. Die Berater stellten fest, dass aufgrund der zunehmenden Mechanisierung und des Mangels an Fachkräften in einigen Ländern entsprechendes Interesse dafür vorhanden ist. Von mehrachsigen Bäumen erwarte man die Vereinfachung der Pflegemassnahmen, sowohl bei der chemischen Ausdünnung, der Handausdünnung und der Ernte. Auch kann der Aufwand beim Schnitt reduziert werden. Das Anbausystem ist prädestiniert für den Einsatz von Pflückrobotern. In Südtirol möchte man damit eine bessere Fruchtausfärbung erreichen. Bei mehrachsigen Bäumen ist der Erziehungsaufwand grösser als bei der Spindel. Und es gelte, Aspekten wie der Wachstumsberuhigung und Achsenerneuerung entsprechend Beachtung zu schenken.

Datenqualität ist das A und O

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg mit mehrachsigen Bäumen ist die Förderung des Gipfelwachstums mit Wachstumsregulatoren zur Optimierung des Fruchtansatzes. Mit der höheren Arbeitseffizienz in den Ertragsjahren können solche Mehraufwendungen und Kosten kompensiert werden. Das System sei einfach und auch für Hilfskräfte leicht umsetzbar. Die ältesten Versuchsanlagen in Südtirol sind im sechsten Standjahr. Deshalb fehlen für allgemeine Empfehlungen noch gesicherte Daten von Erträgen und Qualitäten. Man erkenne aber bereits heute Vorteile bspw. für zweifarbige Sorten, eine bessere Belichtung und Abtrocknung sowie Optimierungen bei der Applikationstechnik. Beim Südtiroler Beratungsring habe man die Vorstellung, dass man mit mehrachsigen Bäumen weniger in Alternanzen komme.

Agrometeo

Anita Schöneberg, Extension Obstbau bei Agroscope, stellte die Internetplattform Agrometeo vor. Deren lokalen meteorologischen und klimatischen Messdaten werden rege benutzt, weil sie auch Informationen zum Management von Pflanzenschutzproblemen anbietet. Die Plattform beinhaltet Risikomodelle für verschiedene Krankheiten und Schädlinge sowie epidemiologische Beobachtungen. Für das Verständnis, die Vorhersage und die Erklärung von vielen agronomischen Vorgängen ist die Messung massgebender meteorologischer Einflussgrössen von grundlegender Bedeutung. Wetterstationen werden schon seit Langem verwendet, aber erst die heutigen Kommunikationstechnologien ermöglichen eine zentralisierte Verarbeitung und Bewertung der vor Ort gesammelten mikroklimatischen Daten. Bei den künftig günstigeren Kleinwetterstationen und virtuellen Stationen ist die Datenqualität für die Zuverlässigkeit der meteorologischen Messdaten entscheidend. Agroscope und kantonale Beratungsstellen prüfen und validieren neue Technologien.

Nachhaltige Produktion – wie weiter?

Dieser Frage stellten sich in der Diskussionsrunde, moderiert von Richard Hollenstein (Leiter Fachstelle Obstbau, LZSG Flawil), die Branchenakteure Erwin Büsser (Leiter Früchte+Gemüse, Migros-Genossenschafts-Bund), Christian Bartholet (stv. Leitung Fenaco Landesprodukte), Jürg Hess, Edi Holliger (Vizedirektor SOV) und Hans Dreyer (BLW), siehe Abbildung. Die Migros bezeichnet die Branchenlösung «Nachhaltigkeit Früchte» als Erfolg. Die Fenaco sieht es als ihre Aufgabe an, weiterhin Überzeugungsarbeit bei den Verarbeitungsbetrieben zu leisten, damit die Produktion für ihren Mehraufwand entschädigt wird. Hess gab zu bedenken, dass die Branchenlösung «Nachhaltigkeit Früchte» bei den Massnahmepunkten nicht beliebig erweitert werden könne. Bei mehr als 50 Punkten seien vermutlich nur noch wenige Betriebe bereit, sich an der Branchenlösung zu beteiligen. Die neuen, robusten Sorten werden das «Sortenkarussell» beschleunigen. Deshalb sei absehbar, dass alte Sorten, die bei veränderten Klimabedingungen zunehmend Qualitätsmängel aufweisen, vom Markt verschwinden. Die Migros möchte möglichst zahlreiche Kernobstsorten durchs Jahr anbieten. Letztlich sind es vier Sorten, die 50 % des Umsatzes beim Kernobst generieren. So stelle sich für den Detailhandel die Frage, wie man ohne hohe zusätzliche Werbebudgets andere Sorten ins Regal bringt. Auch neue Sorten sollen die primären Ansprüche der Kundschaft bezüglich Biss, Geschmack und Optik erfüllen. Das Fazit der Diskussion lautete: Es muss erreicht werden, dass kein Marktpartner ausschert. Nur im Miteinander ist ein Erfolg der Branchenlösung «Nachhaltigkeit Früchte» gewährleistet.

 

Abb.: Diskutierten über «Nachhaltigkeit Früchte»: Hans Dreyer (BLW), Edi Holliger (SOV), Christian Bartholez (Fenaco), Jürg Hess (SOV), Richard Hollenstein (LZSG Flawil) und Erwin Büsser (Migros). (© I. Schwander)

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