Walter Müller – ein Leben für Obstbau und internationale Beziehungen

Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen und ein Engagement für Innovation haben im beruflichen Leben von Walter Müller grosse Spuren hinterlassen. Am 6. Oktober verstarb der ehemalige Direktor der Eidg. Forschungsanstalt Wädenswil.

Artikel von:
Urs Hilber
Lukas Bertschinger
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 17 / 2023 , S. 26

Am 14. April 1941 wurde Walter Müller in Roggwil im Kanton Thurgau geboren. Die Landwirtschaft prägte sein Leben, ausgehend vom elterlichen Betrieb mit Obstbau und Milchwirtschaft, wo er aufwuchs, über seine Landwirtschaftslehre in den Kantonen Waadt und Thurgau, sein Agronomiestudium an der ETH in Zürich, sein Nachdiplomstudium in Schottland und sein Praktikum in Frankreich bis hin zu seiner anschliessenden beruflichen Tätigkeit. Walter Müller trat 1968 in die Sektion Obstbau der damaligen Eidg. Forschungsanstalt Wädenswil (heute Agroscope) ein. Als erster Schritt widmete er sich seinem Doktorat und er entdeckte seine Passion, die Obstsorten. Bereits während seines Doktorats liess sich erkennen, dass Walter Müller einen grossen Weitblick besass und ihm internationale Beziehungen wichtig waren, z. B. 1973 bei seinem sechsmonatigen Aufenthalt an der Penn State University (USA).

Moderne Infrastruktur – weltoffene Ausbildung

An der damaligen Ingenieurschule Wädenswil (ISW, heute ZHAW) arbeitete Walter Müller von 1974 bis 1984, ab 1978 als deren Direktor. In diese Zeit als zweiter Direktor der ISW fiel die Planung und Realisierung des Campus Grüental. Walter Müller prägte die Entwicklung eines funktionalen, bis heute in seiner Art wunderschönen Hochschulcampus in Wädenswil. Er unterrichtete das Fachgebiet «Planen und Auswerten von Versuchen». Interessante Fachreisen für Obstbauern und Obstverwerter, organisiert von Walter Müller, in Länder vom Norden bis Süden Europas prägten zahlreiche Jahrgänge zwischen 1968 und 1984. Walter Müllers Lehrtätigkeit und Versuchstätigkeit als Leiter von Mostobst-Anbauversuchen sowie seine Zusammenarbeit mit nationalen Akteuren (Schweizer Obstverband, Schweizer Zentrale für Obstbau, kantonalen Zentralstellen) profitierten von seinem intensiven internationalen Austausch, sei es im Rahmen von Arbeitsgruppen und an Fachvorträgen in zahlreichen Ländern Europas.

 

Walter Müller (1941–2023). (© zVg)

 

Innovation für nachhaltige Spezialkulturen und Lebensmittel

1984 wurde Walter Müller zum Direktor der Eidg. Forschungsanstalt für Obst- Wein- und Gartenbau in Wädenswil berufen. Unter seiner Leitung wuchs diese Forschungsinstitution mit internationaler Bekanntheit und Ausstrahlung bis auf ca. 200 Personen zu Beginn der 1990er-Jahre. Er war sich der Chancen der Spezialkulturen für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft bewusst, wies an Vorträgen und in Publikationen auf deren Mehrwert hin und versuchte nach Kräften, die Innovation der Spezialkulturen mit praxistauglicher Forschung zu unterstützen. Die Forschungsschwerpunkte, die er zuerst in seiner Karriere selbst verfolgte oder dann als Direktor förderte, spiegeln den Wandel der gesellschaftlichen Prioritäten mit einem Bogen von den Methoden zur Verbesserung der technischen Verarbeitung von Früchten, die Müller selbst erforschte und wo noch Produktions- und Verarbeitungstechnik im Vordergrund stand bis hin zu Methodenentwicklungen und Analysen, wo in zunehmendem Masse ökologische und ökonomische Aspekte entscheidend waren.

Unter der Leitung von Walter Müller gelangen den Mitarbeitenden der Forschungsanstalt wichtige Beiträge der angewandten Forschung mit gesellschaftsrelevanten Resultaten, beispielsweise:

  • Integrierte Produktion im Kern-, Stein- und Beerenobstbau, Baumschulwesen, Gemüse-, Zierpflanzen- und Weinbau: Entwicklung von Methoden und Richtlinien, Impulse zur Weiterentwicklung des biologischen Anbaus
  • Effizienzsteigerung: Neue, effizientere und die Umwelt schonendere Anbautechniken im Obst-, Wein- und Gartenbau, inklusive Apfel- und Gemüsezüchtung
  • Phytopathologie und Entomologie: Vertiefte Erkenntnisse zur Biologie der Schaderreger, Entwicklung von Methoden für einen gezielteren Pflanzenschutz mit geringerem Pestizideinsatz
  • Ethylcarbamat: Aufklärung der Ursachen der Bildung und der Verhinderung bei der Destillatherstellung
  • Nitrat: Praxisanleitung zur Reduktion von Nitrat in Gemüse
  • Entalkoholisierter Wein: Entwicklung und Patentierung eines Verfahrens für dessen Herstellung
  • Kirschenfliegenpheromon: Strukturaufklärung und Einsatz zur Bekämpfung des Schädlings
  • Ertrags- und Qualitätsbildung der Weintraube: Weltweit beachtete praxisrelevante physiologische Erkenntnisse

Der aktive Aufbau von wissenschaftlichen Netzwerken im In- und Ausland zur Erhöhung der wissenschaftlichen Kompetenz und immer wichtigeren Generierung von Drittmitteln wurde von Walter Müller verstärkt gefördert. Er unterrichtete an der ETHZ und war an der ISW Mitglied der Schulkommission. Ende der 1990er-Jahre konnte sich auch die Eidg. Forschungsanstalt dem weltweiten Phänomen, dass eine Sparrunde die andere zu jagen begann, nicht entziehen. Walter Müller kämpfte gegen diese Entwicklung, studierte ihre Auswirkungen auch im Ausland und gab schliesslich die Leitung seiner Forschungsanstalt in neue Hände.

Internationale Vernetzung

Die gute internationale Vernetzung von Walter Müller kam fortan der Direktion des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) in Bern zugute, für das er als Delegierter des BLW für Internationale Agrarforschung internationale Trends in der landwirtschaftlichen Forschung ausfindig machte und die Erkenntnisse in strategische Leitlinien für die Arbeitsprogramme der Forschungsanstalten übersetzte. Mitte 2004 ging Walter Müller offiziell in Pension, aber nicht in den Ruhestand. Er arbeitete, wie er selbst schrieb, nicht wesentlich unter hundert Prozent mit viel Freude weiter. Zu seinen Mandaten gehörten Studien im Rahmen des 6. EU-Rahmenprogramms und zahlreiche internationale Gruppen mit Bezug zur Agrarforschung. In der Ostschweiz war er geschätztes Mitglied im Beirat der OLMA und gerngesehener Gast an der Güttinger-Tagung. Walter Müller hatte jetzt auch Zeit, Evaluationsmandate im Ausland anzunehmen, so für die Universität Giessen, die Universität Hohenheim oder auch den Beirat im Bundesamt für Züchtungsforschung in Quedlinburg. Er schrieb sehr gut und gern für die Agrarforschung und die vorliegende Zeitschrift SZOW, deren Chefredaktor er viele Jahre war. Für die Internationale Hortikulturforschungsgesellschaft (ISHS) war er Auditor. Er war Gründer und langjähriges Vorstandmitglied des Europäischen Netzwerks der Obstforschungsinstitute (EUFRIN). Als Rotarier übernahm er leitende Funktionen.

Walter Müller war Vater von zwei Töchtern, die sein grosser Stolz waren, erst recht als sie ihm Enkelkinder schenkten und er bei sich neue Begabungen entdeckte. Er war ein Mensch, der immer das Gute sah, der wusste, dass es mehrere Wege zum Ziel gab und der weit in die Zukunft sehen konnte. Er hatte einen Sinn für das Wesentliche und Wichtige. Er war international sehr geschätzt, und wenn man seine Erzählungen über seine Bergtouren hörte, konnte man sich nicht vorstellen, dass seine Energie je hätte enden können. Am Ende seines reichen Lebens wurde Walter Müller mit der heimtückischen Krankheit Alzheimer geprüft, seine Energie wich. Am 6. Oktober 2023 ist er verstorben. Die Spezialkultur-Community hat eine international anerkannte, prägende Persönlichkeit verloren. Wir bewahren ihm ein ehrendes Andenken.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert