Editorial

Titel, Ehrungen, Nachhall

Artikel von:
Markus Matzner
Chefredaktor Obst+Wein
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 15 / 2025 , S. 3

Liebe Leserin, lieber Leser

Im Herbst fallen nicht nur die Blätter, sondern es regnet auch Titel und Medaillen. Sei es der Grand Prix du Vin Suisse, die Bar Awards oder die DistiSuisse: Unsere Branchen gefallen sich in einer Befeierung der eigenen Leistungen. Das zu Recht! Denn die Resultate aus einheimischer Produktion können sich wahrlich sehen, riechen und schmecken lassen. Und etwas Glamour schadet bekanntlich nicht.

Selbiges gilt auch für die Anstrengungen eines kleinen Trüppchens Enthusiasten (zu dem ich mich dazuzähle), das seit einem Jahr daran ist, das Schaffen eines Mannes zu würdigen, der wie kaum ein anderer die Schweizer Spezialkulturen vorwärtstrieb: Hermann Müller-Thurgau. Ihm zu Ehren wurde ein grosses Fest gegeben, und es kamen viele Feierlustige von nah und fern, um seine Lebensleistungen zu würdigen. Viele verewigten sich auch beim eigens für den Jubilar erstellten Kunstwerk, das man bemalen durfte und schon bald in Wädenswil aufgestellt werden soll. Andere nutzten die Gelegenheit, um zwei Dutzend Weine aus der Müller-Thurgau-Traube degustieren zu können. Am Ende gab es für alle Beteiligten viel Applaus und Anerkennung.

Dennoch muss eine Frage gestellt werden: Was wird bleiben vom Ruhm und den Lobesreden? Man braucht kein sonderlich pessimistischer Mensch zu sein, um attestieren zu müssen, dass derlei Wirkungen häufig flüchtig sind. Ein aktuelles Beispiel mag dies veranschaulichen: Eine Leserin stellte dem bekannten Weinjournalisten einer grossen Sonntagszeitung kürzlich die Frage, welche Rebsorten in der Schweiz aufgrund der Klimaerwärmung verschwinden würden. Er antwortete reflexartig «Riesling-Silvaner» und verriet erstens, dass er die hiesigen Winzerinnen und Winzer massiv unterschätzt und zweitens, dass er die vielgestaltigen Erkenntnisse unseres Müller-Thurgau-Jahres trotz besseren Wissens schlicht ignorierte. Es braucht eben, wie schon unser Thurgauer Professor wusste, viel «Schnuuf».

Ihr
Markus Matzner
Chefredaktor Obst+Wein

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